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kurzum - Reform statt „Weiter so“: 10 Leitlinien für einen EU-Haushalt mit europäischem Mehrwert

2018 stehen die Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) – dem siebenjährigen Haushaltsrahmen der EU – an. Das erklärte Ziel der Europäischen Kommission ist eine Einigung bis zu den Europawahlen 2019. Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs entfällt künftig einer der wichtigsten Nettozahler. Der damit notwendig gewordene Umbau des MFR eröffnet die Gelegenheit für eine umfassende Reform der EU-Finanzen. Diese sollte die folgenden Leitprinzipien berücksichtigen.

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  1. Fokus auf neue Prioritäten: Die Ausgabenseite bedarf einer Runderneuerung. Der MFR sollte sich an den zentralen Herausforderungen der EU ausrichten. Derzeit macht die Agrarpolitik 39% und die Strukturpolitik 34% der Ausgaben aus, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit aber nur 13%; der Posten „Europa in der Welt“ 6%, Sicherheit und Unionsbürgerschaft 2%. Der künftige Haushalt sollte sich stärker auf die Bereitstellung europäischer öffentlicher Güter konzentrieren und Bereiche, in denen ein klarer europäischer Mehrwert sichtbar ist: Wettbewerbsfähigkeit, Auswärtiges, Sicherheit, Verteidigung und Migration. Die Agrarmittel und – zu einem geringeren Maße – die Mittel für die Struktur- und Kohäsionspolitik sollten im Gegenzug sinken.
  2. Verbindung mit Strukturreformen: Die Auszahlung eines Teils der Kohäsionsmittel sollte an die Durchführung nationaler Strukturreformen, insbesondere die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters, geknüpft werden.
  3. Stärkere Konzentration der Mittel: Die Mittel sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip über eine größtmögliche Anzahl an Prioritäten und Regionen ausgeschüttet werden. Eine Konzentration der Mittel auf europäische öffentliche Güter würde ohnehin allen EU-Bürgern gleichermaßen zugutekommen.
  4. Vorsichtiger Umgang mit rechtsstaatlicher Konditionalität: Grundsätzlich ist der Kommissionsvorschlag, die Vergabe von Mitteln auch von der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards abhängig zu machen, sinnvoll – allerdings nur unter strikten Bedingungen: Die Kriterien für einen etwaigen Mittelentzug müssen klar definiert werden, um Willkür zu vermeiden. So könnte man – sofern dies rechtlich möglich ist – das Einfrieren oder den Entzug von Strukturmitteln als Vor- oder Zwischenstufe zum bereits bestehenden EU-Rechtsstaatsverfahren nach Art.7 verankern. Auch unzureichende Anstrengungen gegen organisierte Kriminalität und Korruption sollten eine Reduzierung von EU-Geldern zur Folge haben.
  5. Transparenz stärken – Rabatte abschaffen: Der künftige Wegfall des Britenrabatts eröffnet eine gute Gelegenheit, gleichzeitig auch das undurchschaubare Geflecht von Rabatten für andere EU-Länder abzuschaffen.
  6. Schrittweise Reform der Einnahmenseite: Die Abhängigkeit des EU-Haushalts von den Beiträgen der Mitgliedstaaten (71%) führt stets zu besonders schwierigen Verhandlungen, da die Diskussionen rasch in eine Nettozahler/Nettoempfänger-Logik geraten. Die schrittweise Stärkung anderer Einnahmequellen, etwa durch Erlöse aus Versteigerungen im Rahmen des Emissionshandels oder durch Einnahmen aus dem geplanten Europäischen Reiseinformations- und Genehmigungssystem, sollte erwogen werden.
  7. Flexibilität stärken: Wie die Migrationskrise 2015/16 gezeigt hat, kann es zu unvorhergesehenen Entwicklungen kommen, die eine erhebliche Umschichtung zwischen den Haushaltsposten erfordern. Deshalb sollte entweder die Laufzeit des MFR auf fünf Jahre reduziert oder aber die Flexibilität bei der Halbzeitüberprüfung des MFR erhöht werden.
  8. Moderate Erhöhung des Haushalts nicht pauschal ablehnen: Eine zu massive Kürzung der Agrarpolitik (25-30%) hätte gravierende Folgen für die Landwirtschaft. Eine ähnliche Kürzung der Strukturhilfen würde dazu führen, dass u.a. Nordeuropa, die Niederlande, Deutschland, Festland-Frankreich sowie Teile Spaniens und Italiens komplett aus der Förderung fielen. Die „Brexit-Lücke“ im EU-Haushalt ist nicht allein mit Kürzungen zu schließen. Will man zu drastische Einschnitte vermeiden und gleichzeitig die „neuen“ Prioritäten mit angemessenen Finanzmitteln ausstatten, sollte eine moderate Erhöhung des EU-Haushalts (von derzeit 1,03% des Bruttonationaleinkommens auf ca. 1,1%) kein Tabu sein. Voraussetzung für eine solche Anhebung wäre aber eine erhebliche Stärkung der makroökonomischen Konditionalität bei der Mittelvergabe. Zudem sollte auch der Anteil nationaler Ko-Finanzierung erhöht werden.
  9. Populismusfalle meiden: Häufig wird eine Kürzung der angeblich aufgeblasenen Verwaltungskosten (6% des EU-Haushalts) und damit auch der Personalausgaben der EU-Institutionen gefordert. Dies ignoriert die bereits erfolgten erheblichen Einschnitte in der vergangenen Legislaturperiode. In der öffentlichen Debatte über den EU-Haushalt sollte zudem weniger die Nettozahler-/ Nettoempfänger-Diskussion, sondern die Frage des europäischen Mehrwerts der Ausgaben im Vordergrund stehen.
  10. Die Haushaltsverhandlungen als Teil der EU-Reform betrachten: Der Umbau des EU-Haushalts sollte in enger Abstimmung mit anderen Vorhaben (Eurozonenreform, Migration) erfolgen: Vor der Schaffung neuer Finanzinstrumente für die Eurozone sind zunächst die bislang ungenutzten Möglichkeiten des EU-Haushaltes auszuschöpfen. Regionen, die sich bei der Aufnahme von Flüchtlingen gegenüber anderen Mitgliedstaaten solidarisch zeigen, könnten zusätzliche Haushaltsmittel erhalten.

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Olaf Wientzek bild

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