Nach Begrüßung und inhaltlicher Einführung durch Moderatorin Marion Sendker analysierte zunächst der Historiker und Politologe Joseph de Weck, Autor von „Emmanuel Macron – Der revolutionäre Präsident“, wie dieser sich im Schatten des Ukraine-Krieges verhalte: Er stelle seine außenpolitischen Leistungen in den Vordergrund, was sehr ungewöhnlich für Frankreich sei. Aber bereits 2017 hatte er Europa (nach dem Brexit und der Wahl Trumps) zum Spitzenthema gemacht. Ab 2019 habe er den Dialog mit Putin gesucht, ganz im Sinne de Gaulles Vision einer europäischen Sicherheitsarchitektur mit Russland. Diese Umgarnungsstrategie sei nun zugunsten eines Schulterschlusses mit den USA und den osteuropäischen Verbündeten eingestellt. Dennoch sei Macron immer noch der europäische Staatsmann, mit dem Putin am häufigsten spreche. Gleichzeitig präsentiere er sich im Hoodie einer Luftlandeeinheit und mit Drei-Tage-Bart als „Kriegspräsident“. Auch seine innenpolitischen Reformen der ersten beiden Jahre wirkten jetzt positiv. Jedoch müsse die Rentenreform noch vollendet werden.
Dr. Claire Demesmay (leitete von 2009 bis 2021 das Frankreich-Programm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) und aktuell das Referat „Interkulturelle Aus- und Fortbildung“ im Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW)) erklärte: Der Kriegsmodus habe die Eckpunkte des Wahlkampfs verändert. In Zeiten der Instabilität brauche die Bevölkerung Sicherheit, Macron profitiere daher von seiner Stellung als Amtsinhaber: Er böte Schutz als erfahrener Politiker und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die EU-Ratspräsidentschaft täte ihr Übriges. Er habe schlicht mehr zu bieten als die anderen Kandidaten. Innenpolitische Themen seien trotzdem sehr präsent: Wähler klagten über fehlende soziale Gerechtigkeit und fehlende Kaufkraft, was mit Kriegsbeginn und steigender Inflation an Dynamik gewonnen habe. Die Lage der Sozialisten sei katastrophal. Werden sie in den für Juni angesetzten Parlamentswahlen überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde überwinden?
Aber auch die bürgerlichen „Républicains“ stünden vor einer Zerreißprobe, ergänzte de Weck: Das Zemmour-Lager und Macron würden auf ihre Kosten wohl Zulauf erhalten. Damit stehe die traditionelle Parteienlandschaft vor dem Kollaps.
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Informationen zum ersten Gespräch in dieser Reihe am 01.02.2022 finden Sie hier.
Informationen zum dritten Gespräch in dieser Reihe am 26.04.2022 finden Sie hier.
Informationen zum vierten Gespräch in dieser Reihe am 29.06.2022 finden Sie hier.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich zudem eine eigene Themenseite erstellt, ebenso zum Krieg in der Ukraine.