Seminario
Detalles
Eine Intifada sei gegenwärtig nicht ganz auszuschließen, "gleichwohl ist es natürlich so, dass alle Leute über die dritte Intifada reden, sie schon fast herbei beschwören. Soweit sind wir aber noch nicht", glaubt Dr. Hans Maria Heyn. Was man in Jerusalem sieht, sei ein regionaler Konflikt, der sich auf Ostjerusalem bezieht. Es handele sich um regionale Gewaltausschreitungen, regionale Zusammenstöße, die sich aber noch nicht auf den Rest Israels, die Westbank oder erneut auf den Gaza-Streifen übertragen hätten. "Für eine Intifada fehlt uns die Regionalität", so der Leiter des Ramallah-Büros der Adenauer-Stiftung im Domradio-Interview. Im Osten Jerusalems gebe es in den letzten Wochen und Monaten jedoch einen wirklichen Anstieg der Gewalt.
Der offene Krieg zwischen Hamas und Israel ging am 26. August zu Ende und seitdem habe es in Gaza eine neue Entwicklung gegeben. "Man beschäftigt sich dort momentan mit dem Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur, von Privathäusern, von Schulen." Dazu habe auch die große Geberkonferenz in Kairo beigetragen, wo mehr Geld zugesagt wurde als am Anfang gedacht wurde und das wohl ausreiche, um Zerstörtes in Gaza wiederaufzubauen. Dessen ungeachtet müsse man verstehen, dass Gaza sehr stark isoliert sei, sowohl von der Westbank, als auch von großen Teilen der Welt. "Der Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur wird uns mehr oder weniger nur auf den Punkt zurückbringen, auf dem wir vor dem Krieg schon waren." So lange man in Gaza das Problem der Isolation nicht in Griff bekomme, werde man auch das Problem der Radikalisierung in Gaza nicht in den Griff bekommen. "Das eine bedingt das andere und daher ist dieser gesamte Aufbau von Infrastruktur zwar notwendig und wichtig zum gegenwärtigen Zeitpunkt, aber man muss da im Grunde genommen, schon gleich einen Schritt weiterdenken und sagen, wie löst man das Problem Gaza langfristig."
Die Lage im Westjordanland sei anders als die in Gaza, weil man dort nicht so isoliert sei. "Aus der Westbank kann man rausreisen - zwar für einen Palästinenser immer ein bisschen mit Schwierigkeiten verbunden - entweder nach Jordanien oder mit größeren Schwierigkeiten nach Israel", so Heyn. Allerdings fühlten sich die Palästinenser in der Westbank in den letzten Wochen und Monaten nicht mehr repräsentiert durch die gegenwärtige politische Führung der Fatah, die die Westbank kontrolliert, durch die palästinensische Autonomiebehörde. "Zunehmend fordern die Palästinenser in der Westbank Leistungen, fordern Fakten von der Autonomiebehörde, doch aus der Sicht der Palästinenser ist zu wenig geschehen in Richtung Friedensprozess und Entwicklung in der Westbank." Daher sei man unzufrieden mit dem, was die Führung gegenwärtig leistet.
"Wie wir anhand von Umfragen erkennen, die wir als Konrad-Adenauer-Stiftung vierteljährlich herausgeben, gibt es eine hohe Unzufriedenheit mit der eigenen Fatah-Führung. Die Zustimmungsrate für Präsident Abbas und für die Fatah sind ganz erheblich gefallen - sowohl im Zuge des zweiten Gaza-Krieges, aber auch auf lange Sicht." Das habe damit zu tun, dass die Menschen Fortschritte sehen wollen. Diese Fortschritte könnten nur mit Israel und mit einem verhandlungsbereiten Partner auf palästinensischer Sicht erreicht werden - der Fatah. "Daher ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt so wichtig, diese verhandlungsbereiten Partner, diesen moderaten Partner auf palästinensischer Sicht zu stärken, denn hat man nicht mehr Präsident Abbas, hat man nicht eine Palästinenserverwaltung unter Fatah-Führung, so ist die Gefahr groß, dass es wieder ein Abgleiten in Radikalität gibt."
Das komplette Interview mit Dr. Hans-Maria Heyn finden Sie als Audiomitschnitt in der rechten Spalte.
Mit freundlicher Unterstützung von Domradio