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Langhammer leitete seine Ausführungen mit dem Eingeständnis ein, dass er persönlich von der Härte und Emotionalität der Debatte um das Freihandelsabkommen vollkommen überrascht worden sei. In der Geschichte der Verhandlungen über derartige Abkommen sei dieser Vorgang ziemlich einmalig, wenngleich auf Deutschland begrenzt. Daher wolle er in seinem Vortrag zur Versachlichung beitragen und zunächst beschreiben, um was es bei dem Handelsabkommen eigentlich ginge. Dabei konzentrierte er sich auf zwei wesentliche Punkte, um gegenseitige Behinderungen und Beschränkungen des Handels zu beseitigen. Zum einen sei es für beide Seiten am einfachsten, beiderseitige Zölle und sonstige Abgaben aufzuheben. Die weitere Beseitigung von Handelshemmnissen sei technisch und politisch sehr viel anspruchsvoller, z.B die Angleichung der verschiedenen Standards z.B. in der Industrie, Landwirtschaft oder auch im Dienstleistungsbereich. Hier bestünde die Gefahr, dass die Verhandlungen über einheitliche Lösungen sich jahrelang hinziehen oder gar ganz scheitern könnten. Daher sei es wahrscheinlicher, dass sich beide Parteien auf die gegenseitige Anerkennung der Standards der jeweils anderen Seite einigten.
Dann widmete sich der Referent der Frage, welche Vor- und Nachteile das TTIP bringen würde. Für die beteiligten Länder rechnete er mit deutlichen Wohlfahrtsgewinnen. Ob diese allerdings auf die prognostizierten durchschnittlichen 550 € Gewinn für jeden Privathaushalt hinausliefe, sei doch sehr optimistisch. Diese Einschätzung gelte auch für die 14 Prozent, um die das BIP pro Kopf in den USA steigen soll. „Es ist ein gutes Abkommen aber nur das Zweitbeste!“, so Lammhammer, denn man müsse andererseits auch einen sog. Diskriminierungseffekt berücksichtigen. Da andere große Industrienationen, wie China, Brasilien oder Indien nicht in die Verhandlungen mit einbezogen werden, verschlechterten sich die Handelsbeziehungen mit diesen Staaten entsprechend. Naturgemäß gäbe es bei einem Abkommen zwischen zwei Handelsregionen deutlich geringere Gewinne als bei Abkommen, die global gelten. Auch der Handel innerhalb der EU werde relativ leicht zurückgehen, z.B. der Handel Deutschlands mit den südlichen Euro-Ländern um 30 %. Andererseits gewönne Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten besonders stark, da seine Wirtschaft durch klein- und mittelständische Unternehmen geprägt sei, die überproportional von sinkenden Marktzutrittskosten profitierten, welche für sie stärker als ins Gewicht fielen als bei Großunternehmen
Was die öffentlich Erregung hinsichtlich TTIP anlangt, stellte er fest: „Es gibt öffentliche Aufreger, die von den Medien dramatisiert werden und deshalb für eine so emotionale Diskussion um das Abkommen sorgen.“ Als Beispiel unter vielen hat vor allem das sog. „Chlorhühnchen“ für Aufregung gesorgt, von dem nach Meinung der TTIP-Gegner eine enorme gesundheitliche Gefährdung der europäischen Verbraucher ausgehe, wenn sie denn nach dem TTIP-Abschluss auch in Deutschland verkauft werden könnten. Dieses Chlorhühnchen stehe symbolisch für die Angst vor Anpassungen gegenseitiger Standards, die das Abkommen mit sich bringen werde. In Deutschland befürchte man daher, dass die Standards, die hierzulande als besonders hoch empfunden würden, abgesenkt werden müssten. Doch Langhammer beruhigte: „Wir werden unser Vorsichtsprinzip nicht aufgeben, unsere Standards werden bleiben!“ Ein weiterer „Aufreger“ sei die Datensicherheit bei daten-affinen Dienstleistungen – „elektronische Signatur“ -, die besonders im Rahmen der NSA-Affäre in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. Darüber hinaus kritisierten die TTIP-Gegner die Verhandlungen aus Sicht mangelhaft Transparenz. Die Aufregung darüber sei vor allem politischer Natur und werde durch die Gegner des Abkommens angefacht. „In dem Abkommen steckt eine gehörige Portion politisch motivierter Antiamerikanismus“, meinte Langhammer.
Ob das Abkommen überhaupt beschlossen werde, stehe bis dato noch gar nicht fest, erklärte er. „Aufgrund der aktuellen politischen Lage in den Vereinigten Staaten haben sich die Aussichten auf ein Freihandelsabkommen verschlechtert.“ Um zügig die Verhandlungen aufzunehmen benötigte Präsident Obama ein beschleunigtes Verhandlungsmandat. Ob der Senat, der seit den jüngsten Wahlen mehrheitlich republikanisch besetzt sei, dieses beglaubigte sei ungewiss, obwohl die Republikaner traditionell „freihandelsfreundlich“ eingestellt seien. Des Weiteren verhandele die USA gleichzeitig über ein weiteres Freihandelsabkommen (TTP) mit den wichtigsten ostasiatischen Staaten (außer China). Bevor es bei TPP – aus Sicht der USA das wichtigere - kein Verhandlungsergebnis gebe, werde es auch keines bei TTIP geben. „TTIP ist eine Geisel von TPP“, erläuterte der Professor.
Zum Ende seines Vortrages gab Rolf Langhammer noch Vorschläge, wie man die anstehenden Probleme bei den Verhandlungen lösen könne. „Wir brauchen eine interessewahrende Instanz!“, forderte er. Die Welthandelsorganisation (WTO) müsse als dritte Partei mit an den Tisch geholt werden, um Drittländerrechte zu wahren. Außerdem forderte er ein Abkommen zum Schutz der Investoren nach Muster der WTO Streitschlichtung.
Mit einer Antwort auf die Eingangsfrage, ob TTIP ein Sturm über dem Atlantik oder im Wasserglas sei, schloss Langhammer seinen Vortrag mit der Feststellung: „Die Verhandlungen um TTIP werden weder zum Atlantiksturm noch zu einem im Wasserglas werden, aber auch nicht zu einem „perfect storm“!“
Die Veranstaltungsreihe „Wunstorfer Gespräche“ wurde in Kooperation mit dem Lufttransportgeschwader 62 im Fliegerhorst in Wunstorf ausgerichtet.