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"Lasst uns zum Mars fliegen!"

Deutschland: Phänomen der Technikdistanz und fehlende Visionen - Wissenschaftler sprachen in Braunschweig Klartext

Die Diskussionsteilnehmer Dr. Ulf Merbold (ehem. Astronaut), Prof. Dr. Heinz-Otto Peitgen (Mathematikprofessor an der Universität Bremen und „Chaosforscher“) und Prof. Dr. Joachim Block (Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum) diskutierten im Haus der Wissenschaft in Braunschweig. Wissenschaftsministerin Professorin Dr. Johanna Wanka verfolgte eine unterhaltsame Professoren-Diskussion mit der bekannten TV-Moderatorin Angela Elis ("FAKT", "nano").

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Ist die Vision eines Marsfluges eine baldige Realität oder lediglich ein schöner Traum? "Der Mars ist eine der großen Herausforderungen, der Marsflug wird kommen!", antwortete der ehemalige Astronaut Ulf Merbold im Rahmen der Podiumsdiskussion des KAS-Bildungswerkes Hannover im Haus der Wissenschaft in Braunschweig. Visionen wie ein künftiger Marsflug, aber auch Widerstände und Probleme der Raumfahrt und der Gesellschaft waren die Themen der Diskussionsteilnehmer.

In der mit rund 250 Zuschauern voll besetzen Aula des Haus der Wissenschaft in Braunschweig begrüßte Jörg Jäger, Landesbeauftragter der KAS für Niedersachsen, die Gäste und stellte die Referenten vor. Der Veranstaltungstitel "Fliegen Sie mit uns auf den Mars!" sei keine Aufforderung des Bildungswerkes Hannover, um an einer heiklen Weltraummission teilzunehmen, es sollte auch niemand an diesem Abend zum Mond geschossen werden und abheben sollte an diesem Braunschweiger Freitagabend auch niemand, stellte Jäger mit einem Augenzwinkern einleitend dar. Es gehe vielmehr um eine Provokation. Haben die Deutschen noch Visionen und Utopien? Was unterscheidet die Deutschen beispielsweise von den Amerikanern? Wie ist es um die Technikfreundlichkeit der Deutschen bestellt und wie kann man jungen Menschen die Naturwissenschaften näher bringen, darum ging es an diesem Abend genauso, wie um die Zukunft der weltweiten Raumfahrt. Den Veranstaltungsort Braunschweig habe man bewußt ausgewählt, habe doch nach einer EU-Statistik die Region Braunschweig die stärkste Wissenschaftlerdichte gemessen an den Erwerbstätigen. Das könnte man auch selbstwusst in der Stadt der Wissenschaft vorbringen, so der KAS-Bildungswerksleiter.

Die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Frau Professorin Dr. Johanna Wanka, führte anschließend mit Ihrem Grußwort in die Thematik ein und stellte fest, dass die Freude an der Naturwissenschaft in Deutschland nicht so verbreitet sei wie andernorts. "Man muss mit dem Herzen bei der Wissenschaft sein und dafür motivieren", so ihr Plädoyer zu Beginn. Schon in der Schule müsse Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften geweckt werden. Als Beispiel, wie Technologie in fast jedem Haushalt vorhanden sei, erwähnte Wanka exemplarisch die Cerankochfelder, deren Entwicklung ein Nebenprodukt bei der Entwicklung von Raumfahrtteleskopen gewesen sei und die großer Hitze ausgesetzt werden müssen. Bezogen auf die weltweite Entwicklung, insbesondere in China, mahnte Wanka, möglichst viele Menschen bestmöglich auszubilden, hier sei das "alte Europa" gefordert.

Zunächst erörterten die Referenten über die Grundlagen der Weltraumforschung. Die Frage, die die Menschen interessiere, sei die Frage, was sie seien und woher sie kämen. Hier würde die Weltraumforschung ansetzen. Deshalb suchen die Forscher beispielsweise nach Wasser auf dem Mars, denn „selbst der Nachweis primitivster Lebensformen würde hier viel bewirken.“, so die These von Professor Dr. Joachim Block. Ständig sei man auf der Suche nach Evidenz, das würde Wissenschaft vorantreiben.

Für Dr. Ulf Merbold stellt der Mars die nächste große Herausforderung für die Weltraumfahrt dar. Während Professor Dr. Joachim Block einen bemannten Raumflug derzeit als unreal einschätzt, prognostiziert Merbold: „Der Marsflug wird kommen!“.

Im Anschluss sprachen die Referenten über Faszination und Feindlichkeit gegenüber Technik und Forschung. Es gäbe es eine gewisse Technikfeindlichkeit und fehlendes Interesse an technischen Berufen. Professor Dr. Peitgen meinte, dass Technik für viele eine lieblose, langweilige Sache sei, er sprach vom "Phänomen der Technikdistanz". Die Wissenschaftsfreundlichkeit reduziere sich zu sehr auf Themen wie Klimaschutz, Energie und Umwelt, also Themen die konkret mit aktuellen politisch diskutierten Problemen der Menschheit zu tun hätten. Damit greife man aber viel zu kurz, wenn man Wissenschaft auf diese Anwendungsorientierung reduziert. Es müssten zudem wieder mehr Jugendliche für Forschung begeistert werden. So erfuhren auf Nachfrage von Moderatorin Elis die Zuhörer auch etwas Privates sowie über die Kinder der Podiumsgäste: Auffällig war, dass nur Merbolds Sohn den Weg der Physiker-Karriere eingeschlagen habe, bei den anderen professoralen Vätern keine Naturwissenschaftler in der Familie gefolgt seien.

In Anlehnung an Ministerin Wankas Grußwort fragte die Moderatorin Elis, wie man den "Willen einer Nation" heraufbeschwören könnte. Hierzu seien nach Meinung der Referenten ein griffiges Ziel notwendig. Als Analogie wurde der "American Dream" der Amerikaner beschrieben, deren Mentalität die Raumfahrt und den Flug zum Mond erst möglich gemacht haben. Nach Meinung der Referenten fehle es derzeit in Europa an visionären Politikern. John F Kennedy sei vor über 40 Jahren mit seinem Ziel der bemannten Mondfahrt ein solcher Visionär gewesen. Professor Dr. Joachim Block meinte, dass „sich keiner mehr traut, solche Ziele zu artikulieren.“ Jede Dekade hätte ihr Eldorado, derzeit sei eher die Gefahr des "Verlustes der Horizonte" zu beobachten. Man brauche etwas, was die "Pioniere anlockt", so Block, dies sei die Raumfahrt und er kritisierte im gleichen Atemzug, dass man heute erst die Technikfolgen zuerst diskutiere. Dr. Ulf Merbold wünschte sich Politiker, die klar formulieren, wo es hingehen soll, derzeit sehe er diese in Deutschland nicht. Die politische Klasse neige eher dazu, zu verwalten als zu gestalten, mahnte er.

Für die Referenten stellt außerdem die mangelnde Risikofreudigkeit ein Problem der neueren Raumfahrt dar. Laut Peitgen werde es der technische Fortschritt schwer haben, wenn immer das mögliche Risiko im Vordergrund steht. Peitgen ergänzte, dass viele wesentliche technische Errungenschaften, wie etwa die Radiologie, auch Opfer gefordert hätten. Vor einigen Jahrzehnten habe man Risiken eher in Kauf genommen als heute.

Neben den fehlenden visionären Politikern und der mangelnden Risikofreudigkeit seien insbesondere finanzielle Rahmenbedingungen ein Hindernis der Raumfahrt und des technischen Fortschritts. Professor Peitgen bemängelte u.a., dass zu wenig Geld in die Grundlagenforschung investiert werden würde. Er kritisierte die starke Ausrichtung auf anwendungsorientierte Forschung der letzten Jahre, hier sei aber ein Umdenken zu beobachten. Die Referenten machten deutlich: Die Amerikaner seien einfach "besessen", Erfindungen zu machen, Patente anzumelden und zu forschen. In Deutschland und Europa sei man nur besessen von "Forschungsförderpolitik", gemeint war damit wohl das Ausfüllen von Anträgen und Papieren, um an "Töpfe" und finanzielle Mittel zu kommen.

Zum Abschluss der Diskussion verneinte der ehemalige Astronaut Merbold die Frage der Moderatorin Elis, ob es das Ziel der Raumfahrt sei, eine „zweite Erde“ zu finden. Für ihn sei das Ziel schlechthin, „unsere Erde im intakten Zustand zu bewahren, denn es gibt auf Dauer nichts besseres als hier zu leben“.

Die Veranstaltung dauert fast 2,5 Stunden, trotz der verkehrsbedingten Verspätung Merbolds harrten die Zuhörer geduldig und neugierig im Haus der Wissenschaft aus. Im Anschluss hatten die interessierten Zuhörer selbst die Möglichkeit, den Referenten Fragen zu stellen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Das Bildungswerk Hannover kündigte an, nach dieser erfolgreichen Veranstaltung mindestens einmal jährlich den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und interessierter Bevölkerung in Braunschweig zu fördern und weitere Veranstaltungen dieser Art im Haus der Wissenschaft durchzuführen.

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Prof. Dr. Ulf Merbold KAS

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