Reportajes internacionales
Peru hat gewählt: Keiko Fujimori Siegerin der ersten Runde
PEDRO PABLO KUCZYNSKI LANDET AUF RANG 2 UND ERZWINGT STICHWAHL
Die Ergebnisse
Nach Auszählung von 95 Prozent der Stimmen durch die peruanische Wahlbehörde ONPE kommt Keiko Fujimori von der rechtspopulistischen Fuerza Popular und Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori auf rund 40 Prozent der gültigen Stimmen. In die erforderliche Stichwahl begleiten wird Keiko Fujimori damit von Pedro Pablo Kuczynski von der Partei Peruanos por el Kambio (PPK). Er erreichte etwa 21 Prozent der Stimmen und liegt damit knapp vor der Kandidatin des linksorientierten Frente Amplio, Veronika Mendoza. Veronika Mendoza kommt auf 19 Prozent der Stimmen und wird Pedro Pablo Kuczynski nicht mehr einholen können. Weil keiner der Kandidaten den für eine Wahl im ersten Wahlgang erforderlichen Stimmenanteil von 50 Prozent erreichte, werden die beiden stimmenstärksten Kandidaten am 5. Juni die Stichwahl bestreiten. Auf den vierten Platz kommt Alfredo Barnechea, Anführer der Accion Popular (7 Prozent der Stimmen). Ihm folgt Ex-Präsident Alan García der Alianza Popular, bestehend aus der sozialdemokratischen APRA und der christdemokratischen PPC. García erreichte für ihn enttäuschende sechs Prozent der Stimmen. Auf dem sechsten Platz liegt Gregorio Santos von der linksextremen Democracia Directa mit 4 Prozent.
Der Wahlkampf
Vor dem Hintergrund eines auffallend chaotischen Wahlkampfes war es durchaus bemerkenswert, dass die Wahlen am letzten Sonntag, abgesehen von einigen kleinen organisatorischen Vorfällen, vergleichsweise ruhig verliefen. Bemängelt wurden in erster Linie die langen Schlangen vor den Wahllokalen, was vermutlich damit zusammen hing, dass die Wähler in diesem Jahr zum ersten Mal alphabetisch geordnet wurden und oftmals ihre Wahlzimmer nicht auf Anhieb fanden. Auch wurde diesmal in elf Bezirken Limas erstmals bei einer nationalen Wahl elektronisch gewählt. Technische Pannen führten teils zu erheblichen Verzögerungen. Überschattet wurde die Wahl von einem Überfall von Mitgliedern des terroristischen Sendero Luminoso auf einen Militärkonvoi in der Drogenumschlagsregion des Apurimac, Ene und Mantaro Tals, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen. Der Konvoi war mit Wahlmaterialien auf dem Weg zu einem Wahllokal. Bis auf diesen bedauerlichen Zwischenfall verlief die Wahl insgesamt jedoch im ganzen Land planmäßig. Zweifel an der Legitimität der Ergebnisse wurden bisher nicht geäußert.
Viel diskutiert und teilweise umstritten bewertet wurde die Rolle des Obersten Wahlgerichtshofes, des Jurado Nacional de Elecciones (JNE). Von den 19 für die Präsidentschaftswahlen eingetragenen Parteien, waren am Ende nur noch zehn Gruppierungen im Rennen. Sechs Kandidaten traten freiwillig zurück. Ein Bewerber wurde von seiner Partei gegen seinen Willen aus dem Rennen genommen. Hintergrund dieses Vorgehens war die Angst vor dem Verlust der Rechtspersönlichkeit. Das peruanische Wahlgesetz sieht nämlich vor, dass alle Parteien, welche die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen, ihre Einschreibung verlieren und sich als Partei neu eintragen müssen. Dazu sind jedoch die Unterschriften von drei Prozent aller Wahlberechtigten erforderlich – immerhin 700.000 Unterschriften.
Cesar Acuña, Präsidentschaftskandidat der Alianza para el Progreso, wurde vom Wahlgericht ausgeschlossen, da er auf einer Wahlveranstaltung einen Scheck über 10.000 Soles (ca. 3.000 Euro) an Wähler verschenkt hatte, um einen Damm zu bauen zu lassen. Julio Guzmán von Peru para Todos , zum Zeitpunkt seines Ausschlusses laut Umfragen bei 20 Prozent der Wählergunst, konnte vor dem Wahlgericht nicht beweisen, die Regeln der internen Demokratie in seiner Partei eingehalten zu haben.
Im Januar 2016 – mitten im Wahlkampf - verabschiedete das Parlament überraschend Teilreformen des Parteien- und Wahlgesetzes. So wurde z.B. festgelegt, dass kein Kandidat Wahlgeschenke über umgerechnet fünf Euro übergeben kann. Es wurden aber keine nach Höhe der Summe gestaffelten Strafen festgelegt. Auch wurde nicht erklärt, ob es fünf Euro pro Person oder in einer Wahlveranstaltung insgesamt sind. Diese absurde Regelung wurde dann im Verlauf der Kampagne zu einem großen Problem, da Wahlgeschenke traditionell zum peruanischen Wahlkampf gehören. Nachvollziehbar reklamierte der ausgeschlossene Cesar Acuña, dass andere Kandidaten auch Geschenke gemacht hätten. Der JNE jedoch rückte nicht von seiner Entscheidung ab. Wenig überraschend führten diese Vorkommnisse zu einem massiven Vertrauensverlust der Wählerinnen und Wähler. Letztlich lenkte das weitreichende Eingreifen des Wahlgerichts vom eigentlichen Wahlkampf und dessen Inhalten ab. Erst in den letzten zwei Wochen wurde ernsthaft über die Parteiprogramme gesprochen.
Am letzten Sonntag vor den Wahlen fand eine Fernsehdebatte mit Beteiligung der verbliebenden zehn Präsidentschaftskandidaten statt. Allerdings gestatteten deren Format und der Ablauf keine inhaltliche Debatte.
Die letzte Woche
Kenner des politischen Geschäfts in Peru waren wenig verwundert, dass es in der letzten Woche vor den Wahlen doch noch überraschende Entwicklungen gab. Dafür sorgte in diesem Jahr Veronika Mendoza, die Kandidatin der linken Gruppierung Frente Amplio. Ihr gelang eine beeindruckende Aufholjagd, die sie innerhalb von zwei Wochen von drei auf 15 Prozent Zustimmung brachte. Nach dem Ausschluss von Julio Guzman konnte sie viele seiner Wähler ansprechen, die für ein neues und junges Gesicht stimmen wollten, das nichts mit den etablierten Parteien oder Ex-Präsidenten zu tun hatte. Mit ihrer charismatischen und klaren Art konnte sie viele Wähler im Süden des Landes überzeugen. Sie selbst stammt aus Cuzco und spricht perfekt Quechua, die Sprache der dortigen indigenen Bevölkerung. Hätte der linksorientierte Kandidat Gregorio Santos, der derzeit wegen aufrührerischer Aktivitäten im Zusammenhang mit einem Bergbau-Großprojekt in Untersuchungshaft sitzt, ihr nicht vier Prozent der linken Protestwähler genommen, wäre vermutlich Veronika Mendoza in die Stichwahl mit Keiko Fujimori gekommen.
Pedro Pablo Kuczynski konnte jedoch in den letzten Tagen vor der Wahl noch seinen kleinen Vorsprung, nicht zuletzt dank der Stimmen der Hauptstadt Lima, halten. Dort bevorzugt man eher einen Kandidaten der politischen Mitte. Umfragen ergaben, dass viele Wähler, die eigentlich für Alfredo Barnechea von Accion Popular oder Alan García von der Alianza Popular stimmen wollten, ihre Stimme schließlich Pedro Pablo Kuczynski gaben. Man wollte damit verhindern, dass Veronika Mendoza in die Stichwahl kam. Die Kampagne gegen Veronika Mendoza, vor allem in den sozialen Netzwerken, war sehr aggressiv und schürte alte Ängste, vor allem in der Mittelklasse. Man warf ihr vor, angeblich ehemalige Terroristen auf ihrer Liste für das Parlament zu führen. Auch wurde die Befürchtung laut, dass sie das venezolanische Model des Sozialismus des 21. Jahrhunderts bevorzuge.
Alle anderen Kandidaten waren in der letzten Woche vor der Wahl weit abgeschlagen und spielten keine Rolle mehr.
Die Stichwahl
Da nun feststeht, wer in die Stichwahl kommt, dreht sich im Moment alles um die Frage, wer der nächste Präsident Perus wird: Keiko Fujimori oder Pedro Pablo Kuczynski. Mit knapp 40 Prozent der Stimmen scheint Keiko Fujimori über die bessere Ausgangslage zu verfügen, da sie nur noch wenige Prozentpunkte für die Erringung der absoluten Mehrheit braucht. Pedro Pablo Kuczynski muss hingegen seinen jetzigen Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Politisch gesehen sind beide eher als liberal und konservativ einzuschätzen. Eine ideologische Kontroverse, wie es im Falle eines Duells zwischen Veronika Mendoza und Keiko Fujimori gegeben hätte, ist nicht zu erwarten. Die umworbenen Wähler sind vor allem diejenigen, die im ersten Wahlgang für Veronika Mendoza gestimmt haben, immerhin 19 Prozent. Alfredo Barnechea und Alan García haben allerdings zusammen auch 12 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können. Etwa 30 Prozent der Wähler haben ihren Stimmzettel erst gar nicht ausgefüllt. Es gibt also Potential für beide Seiten. Die Wähler von Mendoza werden nur schwer Keiko Fujimori wählen. Ihnen ist aber Kuczynski wahrscheinlich politisch viel zu weit rechts. Daher könnten viele von ihnen, da Wahlpflicht gilt, den Stimmzettel ungültig markieren oder gar nicht erst ausfüllen, was natürlich angesichts der organisatorischen Schlagkraft ihrer Partei für Keiko Fujimori von Vorteil wäre. Die Stimmen Alfredo Barnecheas und Alan Garcias werden größtenteils wohl zu Pedro Pablo Kuczynski wandern. Die Stichwahl wird also durchaus spannend, da viele Wähler Keiko Fujimori aus Angst vor der Rückkehr zu dem autoritären Regierungsstil ihres Vaters ablehnen. Pedro Pablo Kuczynski wird auf diese Ablehnung Keiko Fujimoris in seiner Kommunikation bauen, um den nötigen Wähleranteil zu überzeugen, aber gleichzeitig auch eine sozialere Politik anbieten müssen, um Stimmen aus dem Mitte-Links-Spektrum für sich zu gewinnen.
Das Parlament
Nach dem aktuellen Stand wird die Partei Keiko Fujimoris 68 Sitze im peruanischen Parlament bekommen. Damit erreicht sie die absolute Mehrheit im 130-köpfigen Kongress. Dies reicht aus, um einfache Gesetze zu verabschieden. Die Partei von Pedro Pablo Kuczynski kommt auf 20 Sitze, genauso wie der Frente Amplio von Veronika Mendoza. Accion Popular werden sechs Sitze, der Partei des von der Wahl ausgeschlossenen Präsidentschaftskandidaten Cesar Acuña Alianza por el Progreso elf zugerechnet. Die Alianza Popular von APRA und PPC kommt auf insgesamt fünf Abgeordnete. Das bedeutet, dass auch im Falle eines Sieges von Pedro Pablo Kuczynski Absprachen im Parlament mit der Partei Keiko Fujimoris für eine reibungslose Regierungsführung unausweichlich sind. Man könnte sogar über eine Regierungskoalition von beiden spekulieren, um eine starke und funktionsfähige Regierung zu bilden. Im Falle eines Sieges von Keiko Fujimori wird sie mit einer sehr starken Kongressfraktion und politisch starken Regierung starten.
Frente Amplio und Accion Popular bilden eine klare Opposition. Alianza Popular, Alianza por el Progreso und PPK haben sich noch nicht festgelegt.
Fazit
Unabhängig davon, wer die Stichwahl letztendlich gewinnt, wird es in den kommenden fünf Jahren angesichts der enormen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen sehr schwer werden, eine erfolgreiche Regierungspolitik umzusetzen. Die Rahmenbedingungen sind schwierig: soziale Konflikte, wachsende bürgerliche Unsicherheit, gigantische Korruption, stotterndes Wirtschaftswachstum sowie schwache politische Institutionen. Es bleibt zu hoffen, dass die parlamentarische Dominanz der Fraktion von Keiko Fujimori nicht zu einer Polarisierung der politischen Kräfte führt und die Regierungsfähigkeit sowie die nötigen politischen Reformen erschwert. Von besonderer Bedeutung wird sein, dass die neue Regierung auf Verständigung und Dialog setzt – vor allem im Hinblick auf die sozialen Konflikte um die Nutzung der Rohstoffvorkommen.