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Politischer Salon: „Zwischen Hoffnung und Illusion: Wie kann unsere Energieversorgung sicher und bezahlbar bleiben?“

17. November 2012 Erbacher Hof, Mainz

Die Energiewende ist in aller Munde. Dies war Anlass für das Bildungswerk Mainz der Konrad-Adenauer-Stiftung, einen Vormittag lang mit ausgewiesenen Experten aus dem Bereich der Energieversorgung, der Politik, aber auch der Energieabnehmer die Situation zu beleuchten und zu diskutieren. Das Fazit am Ende des Tages lautete: Die Energieversorgung kann sicher sein und bleiben, aber die Energiewende wird alle etwas kosten.

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Der Leiter des Bildungswerkes Mainz, Karl-Heinz B. van Lier, eröffnete den Politischen Salon am Samstagvormittag mit der Feststellung, dass die Energiewende eine der wohl einschneidensten Reformen der letzten Jahrzehnte sei. Dies würde aber der Komplexität wegen von vielen Bürgern, aber auch von Experten und Politikern selbst, nicht verstanden werden. Insofern äußerte er den Wunsch, mit dieser Veranstaltung eine Annäherung an die Frage wer, wo und zu welchen Kosten die Energiewende vorantreibt, zu leisten.

Dr. Hubertus Bardt vom Institut der Deutschen Wirtschaft, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt, Energie und Ressourcen, referierte die Eckpunkte der durch die Energiewende entstehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Er bemerkte, dass das ursprünglich beschlossene Energiekonzept von 2010, also der geplante „perspektivische“ Ausstieg aus der Kernenergie, der massive Ausbau erneuerbarer Energien, der Netzausbau sowie die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Stromspeichermöglichkeiten, bereits vor dem Reaktorunfall von Fukushima - geplant als langfristiger Prozess - bestand.

Den Vorteil in der gegenwärtigen Situation sieht Dr. Bardt darin, dass man die bestehenden Probleme unabhängig von der Grundsatzdiskussion über den Ausstieg aus der Atomkraft diskutieren könne, da die Rahmenbedingungen feststehen und man frei von Ideologien die Marschroute festlegen kann. Hierbei stecke, so Bardt weiter, das sogenannte „energiepolitische Zieldreieck“ aus Umweltverträglichkeit (Verringerung der CO²-Belastung), Bezahlbarkeit (Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Abwendung von negativen Verteilungsproblemen in privaten Haushalten) und Versorgungssicherheit die Bedingungen ab.

Das ursprüngliche Energiekonzept aus dem Jahr 2010 ging von einer deutlichen Verbrauchsminderung in den kommenden Jahren aus, die sich aber nicht einstellt. Auch 2030 werden nach Auffassung des Energieexperten die fossilen Energiearten noch mit circa 20 Prozent an der Versorgung beteiligt sein, während die erneuerbaren Energien etwa 46 Prozent ausmachen werden. Insofern wird der Anspruch der umweltverträglicheren Energiegewinnung in dem vorgegebenen Zeitraum nicht in vollem Umfang erfüllt werden können. Im Hinblick auf die Bezahlbarkeit wird die Energiewende ebenfalls hinter den Anforderungen zurückbleiben, so Dr. Bardt. Der seit Anfang der 90er Jahre liberalisierte Strommarkt hat bis heute nicht zu einer dauerhaften Senkung der Strompreise geführt: „Auf wettbewerblichen Märkten sinken die Preise automatisch, aber gegenwärtig ist die Konkurrenz nicht umfangreich genug“.

Das massive Anwachsen der Stromabgaben wie beispielsweise durch die EEG-Umlage oder die Ökosteuer sieht Bardt kritisch. Vor allem auf der Seite der Unternehmen ist der Anteil der Energiekosten oft nicht unerheblich. „Der Kostendruck würde sich bei 5 Cent mehr EEG-Umlage, also ca. 50 Prozent mehr Stromkosten, erheblich erhöhen. Bei energieintensiven Industrien ist die Unsicherheit bezüglich des möglichen Einflusses der Energiewende auf den Standort Deutschland groß, es drohen Insolvenzen“, so der Referent.

Sein Vorschlag lautet daher: Die Politik muss Innovation und Preissenkung statt Menge fördern, die erneuerbaren Energien müssen in einen Wettbewerb treten, der unter Umständen gesamteuropäisch organisiert werden muss.

Jörg Kerlen, zuständig für die Energiepolitik bei der RWE Power AG, fokussierte im Rahmen seines Statements vor allem die Versorgungssicherheit, die seiner Auffassung zufolge auch weiterhin durch konventionelle Energiearten wie fossile Energie und Kernkraft gewährleistet werden muss. Beispielhaft verdeutlichte er die Versorgungslücke bei der Windkraft und der Energiegewinnung aus Photovoltaik, bei denen der Anteil der gesicherten Leistung 6-10 %, bzw. teils sogar lediglich 1 % beträgt. Um in ganz Deutschland in der Spitze den Versorgungsbedarf zu sichern, seien, so Kerlen, pro Tag 82 Gigawatt nötig. Bei den erneuerbaren Energien klafft gegenwärtig eine riesige Lücke zwischen der eingespeisten Energie und dem tatsächlichen Bedarf. Da in den Nachbarländern mit hoher Wahrscheinlichkeit zum gleichen Zeitpunkt eine ähnliche Wind- oder Sonnensituation herrscht, ist, um jederzeit Strom in ausreichender Menge und entsprechender Qualität zur Verfügung zu stellen, auch an einen Energieimport während der Versorgungslücken nicht zu denken.

Kerlen zufolge wird die Versorgungslücke auch weiterhin mit konventionellen, vor allem aber flexiblen Kraftwerken zu schließen sein, die dann unter verschiedenen Auslastungen zuverlässig arbeiten. Diese müssen dann allerdings flexibel nutzbar und leicht rauf- und runterzufahren sein. Gleichzeitig sieht Kerlen für die nahe Zukunft keinen Bruch in der Nachfrage nach Photovoltaik: „Der Boom der Photovoltaik wird ungeachtet der staatlichen Förderung ungebrochen bleiben, da man hier den Strom für 15 ct./kWh selbst erzeugen kann, statt ihn für das Doppelte aus dem Netz zu beziehen“.

Sein Fazit lautet daher, dass auch 2050 noch konventionelle Kraftwerke zur Versorgungssicherheit notwendig sein werden und künftig wohl nicht mehr die kWh zu bezahlen sein wird, sondern die dann vorgehaltene Leistung.

Die Rolle und Position der Energieabnehmer verdeutlichte Dr. Clemens Christmann von der Vereinigung der Hessischen Unternehmerverbände e.V. in seinem Statement. Er warb für eine Hinwendung zum ordoliberalen Konzept der Sozialen Marktwirtschaft: „Dort, wo genügend Wettbewerb stattfindet, muss der Staat eine entsprechende Legitimation vorweisen, wenn er hier eingreifen will. Existieren aber in manchen Bereichen - wie bei der Energieversorgung - natürliche Monopole, die einen Wettbewerb nicht stattfinden lassen, so muss der Staat gestalterisch tätig werden“. Christmanns Auffassung nach ist die Energieversorgung ebenso wie der Agrarbereich ‚subventionsverseucht‘.

Er plädiert daher dafür, dass Industrie und Politik Hand in Hand die Innovationen nutzen sollten. Der Export von intelligenter Energietechnik kann für die deutsche Industrie nur gewinnträchtig sein, so Dr. Christmann weiter. Neben dieser Chance aber fehle eine gleichzeitige ‚Exit-Strategie‘ für die angestoßene Entwicklung.

Die durch die Energiewende entstehenden Kostennachteile können seitens der Unternehmen nur durch Qualitätssteigerungen kompensiert werden. „Gerade die Stromkosten sind eine der wenigen Stellschrauben, an denen im Sinne der Konkurrenzfähigkeit gedreht werden kann“, so der Referent. Insbesondere die energieintensiven Industrien hätten ca. 3-10 % der Bruttowertschöpfung an Stromkosten. In Deutschland werden mittlerweile Investitionen zurückgezogen, wegen der hohen Energiekosten, berichtet er weiter.

Bezüglich der aktuellen Diskussion um die Schieflage bei der Frage nach der Befreiung von der EEG-Umlage hielt Dr. Christmann fest, dass zunächst einmal Zweidrittel aller Unternehmen die Umlage in voller Höhe zahlen. Von 100.000 in Deutschland existierenden Industrieunternehmen waren bislang ganze 700 von der EEG-Umlage befreit. Nach der Reform, so stellte er klar, werden es immer noch lediglich 2.000 sein. Diese Entlastung bewertet er als notwendig zugunsten der Arbeitsplätze. Abschließend appellierte Dr. Christmann an die Politik: „Es geht am Ende um die Kostenverteilung der Energiewende. Staatliche Subventionierung war zu Beginn wichtig, um die neuen Technologien in den Markt zu bekommen. Nun aber unterbindet der Staat den Wettbewerb durch die EEG-Umlage. Diese Subventionierung muss aufhören!“

Welche politische Linie und welcher politischer Wille stecken hinter der Energiewende? Dr. Thomas Gebhart, MdB, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestags, trug mit seinem Statement zur Beantwortung dieser Frage bei.

Als langfristiges politisches Ziel machte der Abgeordnete eine saubere, sichere, verlässliche und bezahlbare Energieversorgung geltend. „Deutschland ist ein Industrieland und wir wollen, das Deutschland ein Industrieland bleibt“, so Dr. Gebhart weiter. Den beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie erklärte er mit dem Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz, da 80 % der Bevölkerung diese ablehnten.

In der Konzentration auf den Umbau der Energieversorgung sieht Gebhart eine gewaltige Herausforderung: „Es ist kein Spaziergang. Am Ende ist die Chance so groß wie die Gefahren“. Weiter schilderte er die angestrebten Maßnahmen seitens der Politik, um die Energiewende voranzutreiben. Erstens: Energieeffizienz und Energieeinsparung müssen verstärkt gefördert und begünstigt werden. Es werden positive Anreize zur Investition in mehr Energieeffizienz geschaffen, so sollen beispielsweise Maßnahmen im Bereich der Gebäudesanierung steuerlich begünstigt werden (Kosten pro Jahr 1,7 Mrd. Euro). Zweitens: Forschung und Entwicklung sowie Innovationen und neue Technologien sollen gefördert werden. „ Es werden unabdingbar neue Technologien gebraucht, wie zum Beispiel neue Speichermöglichkeiten. Dies ist eine große ökonomische Chance für die deutsche Wirtschaft“, so der Abgeordnete. Drittens: Die erneuerbare Energien sollen vorangebracht werden, auch wenn man an Grenzen stößt. Mit Blick auf das System der volatilen Versorgung ist der gegenwärtige Prozentsatz an erneuerbaren Energien an der Gesamtversorgung ausgleichbar, nicht aber wenn 25 % erneuerbare Energien angepeilt sind. Zudem müssen die Netze ausgebaut und neue Speichertechniken entwickelt werden. Und weiter: „Wir sind bei weitem nicht so weit, wie wir sein wollen.“

Daher teilt Dr. Gebhart die Auffassung Kerlens, dass auch weiterhin vor allem Gaskraftwerke notwendig sein werden, um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Abschließend fasste Dr. Gebhart die mittel- bis langfristige Perspektive zusammen, die die Politik bezüglich der Energiewende hat. So müsse das System des EEG weiterentwickelt werden, allerdings sieht er hier keine Möglichkeit, dies noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr zu bewerkstelligen. Gleichzeitig, so Gebhart, müssen mehr Marktaspekte involviert werden, um zu gewährleisten, dass Energie gleichwertig vergütet wird. Seiner Ansicht nach wird die Energiewende alle betreffen: „Die Energiewende kostet Geld, die Preise werden steigen. Aber wir müssen diese Steigerung in Kauf nehmen“.

Die im Anschluss an die Statements von Ralf Heidenreich, Leiter des Wirtschaftsressorts der Allgemeinen Zeitung Mainz, moderierte Gesprächs- und Diskussionsrunde zeigte, dass bezüglich der Energiewende ein enormer Gesprächsbedarf - auch unter Experten - herrscht. Provokativ formulierte Heidenreich: „Die Nachrichtenlage ist sehr undurchsichtig. Der Tenor scheint zu sein: Alles zu kompliziert, zu ungerecht, zu teuer. Sollte die Energiewende demnach aufgegeben werden?“. „Nein“, meint Dr. Bardt, „aber es müssen Anreize geschaffen werden, die Entwicklung in eine richtige Richtung zu bringen“. Dr. Christmann schlug seinerseits eine Quotenlösung vor, um künftig die Strompreise überschaubar und einheitlich zu gestalten. „Dies hätte den Vorteil, dass auch bei erneuerbaren Energien ein Wettbewerb in Gang komme, denn Wettbewerb fördert regelmäßig niedrigere Kosten“, so Christmann. Jörg Kerlen, Vertreter der RWE, ging noch einen Schritt weiter und forderte eine Diskussion über ein solches Quotenmodell gar auf europäischer Ebene, um so eine noch bedarfsgerechtere Einspeisung und Vermarktung zu gewährleisten. Der Vertreter der Politik, Dr. Gebhart, äußerte allerdings Bedenken: „Heute ist das Quotenmodell wohl nicht mehr denkbar, zehn Jahre zurück wäre die Idee vorstellbarer gewesen. Mehr Wettbewerb ist im Strommarkt mit den derzeitigen Zielsetzungen nicht ganz ohne staatlichen Eingriff zu bewerkstelligen“.

Auch der größere zeitliche und globale Kontext wurde diskutiert. Dr. Christmann stellte die Chancen der Energiewende heraus: „Bei der Verteilung der Kosten entstehen generative Effekte, die Teil eines erfolgreichen Exportmodells für Deutschland in den nächsten 20 Jahren sein können, da für die kommenden Generationen eine ganz neue Energieinfrastruktur hinterlassen werden wird“. Und der Abgeordnete Gebhart merkte an: „Wer wenn nicht Deutschland soll einen derartigen Umbau der Energieversorgung mit dieser zur Verfügung stehenden Innovations- und Ingenieurskraft bewerkstelligen?“. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die in Deutschland geführte Diskussion im globalen Maßstab irrelevant sei, da Wohlstand und Wachstum in anderen Ländern eine ganz andere Bedeutung haben. Sinken die Preise für die erneuerbaren Energien, so sieht Dr. Bardt hier die Möglichkeit der Steigerung der Attraktivität auch auf dem internationalen Markt. „Strom wird aber nicht systematisch wieder billiger werden, das EEG wird auch in den kommenden Jahren finanziert werden müssen“, so Bardt.

Karl-Heinz B. van Lier resümierte die Veranstaltung mit einem zukunftsgerichteten Blick: „Der Preis für die Energiewende ist zu zahlen und er ist hoch, aber wir müssen hier intergenerativ denken!“. Die Diskussion um Wachstum und Wohlstand in diesem Zusammenhang, so der Leiter des Bildungswerks Mainz, muss fortgesetzt werden.

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Marita Ellenbürger

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