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Wie ist die aktuelle Lage der Finanz- und Schuldenkrise in Europa? Welche Auswirkungen haben die Entwicklungen auf Sachsen-Anhalt und konkret auf die Sparguthaben der Bürger? Wie stabil ist der Euro? Diese Fragen stehen am 17. November 2016 im Mittelpunkt eines Forums des Europe Direct Informationszentrums Magdeburg in Trägerschaft der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Politisches Bildungsforum Sachsen-Anhalt, in Halle (Saale).
Der Referatsleiter Geld- und Kapitalmarkt im Ministerium der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalts, Edgar Kresin, konzentrierte sich in seinem Vortrag auf den Begriff der Stabilität und beleuchtete diesen aus verschiedenen Blickwinkeln. Seit Einführung des Euro ist die Inflation nicht stark, jedenfalls geringer als unter der Deutschen Mark. Aufgrund der Politik der EZB gehen die Kapitalmärkte davon aus, dass dieses zukünftig so bleibt. Der Wechselkurs des Euro ist ähnlich stabil wie der der DM. Wegen der vielfältigen Einflüsse auf die Wechselkurse ist eine seriöse Prognose für die Zukunft nicht möglich. Das Eurosystem ist aus seiner Sicht ebenfalls stabil. 2008 waren einige Mitgliedsstaaten relativ reicher und andere relativ ärmer. Ein Ausgleich durch Inflation fand nicht statt, so dass das Gleichgewicht durch einen relativen Wohlstandverlust hergestellt wurde. Der politische Zusammenhalt wurde durch diese Entwicklung gestärkt, die Kreditvergaben waren international ein starkes Signal für den Euro, die IWF-Programme haben gegriffen. Als politische Risiken für die Euro-Zone benannte er an erster Stelle die Wahlen des kommenden Jahres, die Euro-kritische Parteien zum Erfolg verhelfen könnten. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, ob die Regelungen und Auflagen zur Stabilisierung in verschiedenen Ländern aufgrund des Wahlausganges aufrechterhalten werden können. Weiterhin warf er die Frage nach geopolitischen Risiken mit Folgen für die Kapitalmärkte auf. Wirtschaftliche Risiken stellen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa sowie die inkonsequente Anpassung der Lohnstückkosten in den Ländern der Eurozone dar. Sorgen bereiten ihm auch der potentielle Rückgang des globalen Freihandels, allen voran durch die USU und China sowie die wirtschaftliche Situation großer Schwellenländer. Zudem wird kurz- bis mittelfristig die Krisenresistenz Europas auf den Prüfstand durch das zwischenzeitlich acht Jahre anhaltende Wachstum in den USA auf den Prüfstand gestellt werden, da ein durchschnittlicher Wachstumszyklus zwischen sechs und zehn Jahre andauert und somit ein Ende des Wachstums bereits volkswirtschaftlich zu erwarten ist.
Der Senior Economic Advisor der Europäischen Kommission in Deutschland, Dr. Thomas Kaufmann, wandte sich schwerpunktmäßig dem Krisenmanagement der EU sowie der jüngeren wirtschaftlichen Entwicklung zu. Dabei plädierte er dafür, nicht nur die negativen Effekte und Emotionen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern auch und insbesondere die positiven Effekte zu betrachten. Ohne den Euro hätte es bei der Bewältigung der diversen Krisen des letzten Jahrzehnts erheblich Probleme vermutlich bis hin zu einem Währungskrieg gegeben. Nach 2008 hat die Europäische Kommission diverse Instrumente geschaffen zur vernehmlich zur Krisenfrüherkennung geschaffen. Als Beispiel nannte er wirtschaftliche Vorgaben an die einzelnen Länder zum Abbau der Ungleichheit, die Kontrolle der nationalen Haushaltsentwürfe vor der nationalen Beschlussfassung, die Regelungen zur Obergrenze der nationalen Staatsverschuldung. Hinsichtlich der Banken verwies er auf die deutlich verbesserten Kontrollmechanismen, die Regelungen zur Kapitalausstattung der Banken, der nationalen sowie EU-Einlagensicherungssysteme der Bankenabwicklungsrichtlinie, die zunächst Eigentümer und Gläubiger in Anspruch nimmt und erst dann Rückgriff auf Steuergelder nimmt. Alles in allem hat die Politik der Kommission zur Folge, dass die Defizite stark zurück gingen, das Wachstum angekurbelt und die Arbeitslosigkeit verringert wurde. Ebenso ist seit 2014 ein Schuldenrückgang der einzelnen Länder zu beobachten. Ungeachtet des bereits Geschafften plädierte er für weitere Reformen und eine noch engere Zusammenarbeit und verwies in diesem Zusammenhang kurz auf den 5-Präsidenten-Bericht.
Der Vorstandsvorsitzende der Saalesparkasse, Dr. Jürgen Fox, wollte den Optimismus seiner Vorredner nicht teilen. Er stellte zunächst die volkswirtschaftlichen Aufgaben von Banken vor, die grundsätzlich mit Risiken verbunden sind. Hier stellte er sich die Frage, ob der vernünftige Umgang mit Risiken wie etwa in der Sparkassenorganisation gleichbedeutend mit „Zocken“ ist. Sodann wandte er sich dem Niedrigzinsumfeld zu, das ebenfalls gravierende Probleme für die Banken nach sich zieht. Die Niedrigzinspolitik führt zu einem Wegbrechen der Ertragsquellen der Banken. Das alles geht einher mit permanent steigenden Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung sowie auch Belastungen aus dem Bereich der Regulatorik. Sodann wandte er sich den Auswirkungen der europäischen Finanzpolitik für die verschiedenen Marktteilnehmer zu. Für die Saalesparkasse werden die vorstehenden Entwicklungen bspw. bedeuten, dass der Zinsüberschuss bei unverändertem Zinsniveau spätestens 2018 nur noch den Verwaltungsaufwand deckt und danach weiter sinken wird. Maßnahmen zur Kosteneinsparung wie Personalabbau und Sachkosteneinsparungen sind eingeleitet, laufen auch „erfolgreich“ und werden weiter verfolgt. Preiserhöhungen im Dienstleistungsbereich sind unvermeidlich. Sparer sind von finanziellen Verlusten betroffen. Bei noch länger anhaltender Niedrigzinsphase droht die Erosion der Spar- und Vorsorgekultur und damit verbunden ein steigendes Risiko von Sozialfällen und Altersarmut. Für Unternehmen wird es zunehmend schwierig, betriebliche Altersvorsorge aus Kapitalanlagen zu decken. Oft muss aus laufenden Einnahmen nachfinanziert werden. Die Öffentliche Hand steht bei Pensionszusagen vor ähnlichen Problemen. Gleiches gilt für Sozial- und Rentenkassen. Abschließend zog er das Fazit, dass die volkswirtschaftlich bedenkliche Zinspolitik der EZB eine sorglose Risikopolitik im Markt stützt und verheerende Wirkungen für Vermögenssubstanz von Privaten und Institutionen hat. Daraus leitete er folgende Forderungen ab: Der Leitzins muss auf Normalniveau angehoben werden. Regulatorische Erleichterungen für Kreditinstitute mit weniger komplexen Geschäftsmodellen sind dringend erforderlich als angemessener Rahmen für Stabilität, Vielfalt und flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen.
In der vom Landtagsabgeordneten Bernhard Bönisch moderierten Diskussion wurden u.a. folgende Themen erörtert: EZB macht Geldpolitik für Europa, nicht für einzelne Marktteilnehmer; 1:1 Transformation DM / Euro; theoretische Betrachtungen der Folgen bei Ausscheiden eines Landes aus der Euro-Zone; Entwicklung Deutschlands seit 2000; Aufnahme Süd-/Osteuropas zu früh?