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Heinz Setzer, Leiter des Literarischen Museums Badenweiler, stellte in seinem kurzweiligen Vortrag einen zu Unrecht "vergessenen Autor" vor, von dem heute nur noch wenige Bücher lieferbar sind.
René Schickele, 1883 in Oberehnheim im Elsass geboren, Sohn einer französischen Mutter und eines deutschen Vaters, führte ein Leben im "geistigen Spagat" zwischen Deutschland und Frankreich. Schickele entschied sich bewußt für die deutsche Sprache. Er studierte Literaturgeschichte, Naturwissenschaften und Philosophie in Straßburg, München, Paris und Berlin. Als "zorniger junger Mann" reiste er viel in der Welt herum, schwärmte für die sozialistische Revolution und kämpfte als Journalist für eine bessere, friedlichere Welt. Später, nach dem blutigen Scheitern der Revolution, besann er sich auf seine "humanistisch-christlichen Wurzeln". Mit seiner Utopie: "Eines Tages werden auch wir eine Nation sein, diesseits und jenseits des Rheins", und seiner Kritik am Kolonialismus und am preussischen Deutschland, machte er sich zum Wortführer der literarischen Opposition gegen den Wilhelmismus.
1914 wurde er Herausgeber der Zeitschrift „Die Weißen Blätter“, die er zu einer der wichtigsten Stimmen des Expressionismus machte. In dem Drama "Hans im Schnakenloch" verarbeitete er die Zerissenheit der Elsässer zwischen Deutschland und Frankreich.
Nach dem Ersten Weltkrieg zog Schickele nach Badenweiler, das endlich zu seiner Heimat wurde. Der Maler Emil Bizer brachte ihm die Schönheiten der Landschaft nahe. Schickele ließ sich mit seiner Frau in einem Landhaus nieder. In Badenweiler-Lippburg findet man heute auch seine Grabstätte.
Schickele engagierte sich leidenschaftlich für die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich.
Vom Elsass, dem "gemeinsamen Garten", sollte nach seinen Vorstellungen die geistige Erneuerung und die Versöhnung der Erzfeinde ausgehen.
1932, ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, emigirierte der politisch wache Schickele, dessen Werke nicht mehr gedruckt wurden, weil er als "Vaterlandsverräter" gebrandmarkt worden war, in das südfranzösische Sanary-sur-Mer. In diesem Fischerdorf fanden damals viele deutsche Literaten im Exil Zuflucht, wie Bertold Brecht, Heinrich und Thomas Mann, Franz Werfel oder Lion Feuchtwanger, bevor sie in die USA flüchteten.
Als bekanntestes Werk Schickeles gilt die zwischen 1925 und 1931 verfasste Romantrilogie „Das Erbe am Rhein“, in dem ihm - wie Heinz Setzer betonte - die "Deutung des elsässischen Nationalcharakters" gelingt. 1938 verfasste er sein einziges Werk in französischer Sprache: "Le retour", in dem seine Enttäuschung über die misslungene Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich und seine schmerzhafte Entscheidung für das demokratische Frankreich zum Ausdruck kommt. Schickele verstarb am 31. Januar 1940, einige Monate vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht.
Vielleicht sei René Schickele als Dichter heute in Vergessenheit geraten, weil ein großer Teil seiner Visionen wahr geworden sind, meinte Heinz Setzer zum Abschluss. Schickeles Mission habe große Europäer wie Robert Schumann und andere inspiriert und den geistigen Boden bereitet für die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags und die Gründung der Europäischen Union. Schickele hätte es sicherlich mit Stolz erfüllt, wenn er gewusst hätte, dass eines Tages ein Europäisches Parlament in Strassburg tagen würde und dass aus den Erzfeinden auf beiden Seiten des Rheins längst Freunde geworden sind.