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Roman Grafe bringt Freiburger Schülerinnen die Mauerschützenprozesse nahe
„Ihr habt die Argumente aus den Gerichtsverhandlungen wirklich im Kern
getroffen“, so fasste Roman Grafe seinen Besuch im St. Ursula-Gymnasium
Freiburg zusammen. Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung Freiburg las
der Journalist, der die Prozesse gegen die DDR-Grenzschützen intensiv verfolgte und in dem Buch „Deutsche Gerechtigkeit“ aufarbeitet, vor etwa 40 Schülerinnen der 12. und 13. Klasse und inszenierte mit diesen einen Mauerschützenprozess.
Im Rechtsstaat hat jeder Bürger das Recht in einem fairen und eindeutig geregelten Gerichtsverfahren für sein Recht zu streiten. Doch geht es um die Herstellung absoluter Gerechtigkeit, so kommt auch der Rechtsstaat schnell an seine Grenzen. Wie soll zum Beispiel über Unrecht gerichtet werden, das auf Befehl in einer Diktatur geschehen ist? Vor dieser Frage standen die Richter der Mauerschützenprozesse in den 90er Jahren. Roman Grafe bot den Gymnasiastinnen zunächst Einblicke in die Welt jener Prozesse. In seinem Buch
kommen Täter, Ankläger, Opfer, Ermittler und die Richter zu Wort. Ergänzt durch Dokumente, Fotos und Zeichnungen entsteht ein umfassender Eindruck von der Spannung, die die Suche nach Gerechtigkeit in diesen Fällen erzeugte.
Diese Spannung packte auch die Schülerinnen als sie sich in Gruppen in
Anklage, Verteidigung, Nebenklage (also die Angehörigen der Opfer) und die
Richter hineindachten. Dabei galt es, die Positionen so weit zu durchdenken, dass
sie im anschließend nachgespielten Prozess vertreten werden konnten. Das Ergebnis beeindruckte: Der Grenzsoldat berief sich auf seine Befehle. Obwohl laut schriftlicher Befehlslage das Leben der „Grenzverletzer“ zu schützen war, galt die Generalparole: „Keiner kommt durch!“ Die Nebenklage forderte Sühne für den Tod des Sohnes.
Die Anklage hinterfragte, ob nur ein tödlicher Schuss die
Flucht verhindern konnte und ob nicht nur der Befehl sondern auch persönliche Überzeugungen den Schützen motivierten. Dahinter standen Fragen, die das Zentrum der sozialistischen Diktatur berühren: Welche Möglichkeiten hätte der Soldat gehabt, sich dem Dienst an der Waffe im militaristischen Staat zu entziehen? War er als Grenzsoldat ein gedankenloser Mitläufer oder bewusster Unterstützer des Systems? Die „Richterinnen“ erkannten die Problematik, die die Richter der wirklichen Prozesse so formulierten: „Gegen die ideologische Indoktrination der Diktatur hat der Rechtsstaat keine Mittel.“ Dass den meisten Mauerschützen daher strafmildernde Umstände zugesprochen wurden, empfindet
Roman Grafe als Scheitern des Rechtsstaates bei der Aufarbeitung von DDR-Unrecht.
Beratung mit Roman Grafe: Schülerinnen des St. Ursula-Gymnasiums Freiburg müssen zu einem Urteil im Mauerschützenprozess kommen.
Von der spielerischen Aufarbeitung des Prozesses war Grafe jedoch begeistert:
„Besonders die Ernsthaftigkeit hat mich stark an die tatsächlichen Gerichtssituationen erinnert.“ Die Schülerinnen befanden den Schützen für schuldig und verurteilten ihn zu vier Jahren Haft. In der Realität erhielten trotz der mehr als 1000 Toten an der deutsch-deutschen Grenze lediglich 31 Verantwortliche (davon sieben Schützen) Gefängnisstrafen.
Sensibel aber bestimmt
Autor Roman Grafe spricht 20 Jahre nach dem Mauerfall mit Schülern des Emmendinger Goethe-Gymnasiums über die DDR
Der Buch- und Filmautor Roman Grafe besuchte auf Einladung des Bildungswerkes Freiburg der Konrad-Adenauer-Stiftung das Goethe-Gymnasium in Emmendingen. Etwa 70 Oberstufenschüler sahen seinen Film „Eingeschlossen – abgeriegelt. Die Grenze durch Deutschland 1945-1990“ und diskutierten anschließend mit dem Journalisten über die Geschichte der DDR.
„Es war ein seltsames Gefühl über jenen Zaun zu springen, der eigentlich das Ende der Welt war“, so berichtet ein DDR-Flüchtling von seiner Flucht in die Bundesrepublik. Der junge Mann stammt aus dem kleinen Dorf Probstzella im Süden Thüringens, an dessen Beispiel Roman Grafe in seinem Buch „Die Grenze durch Deutschland“ die Geschichte der deutschen Teilung nachzeichnet. Im gleichnamigen Film, den die Emmendinger Gymnasiasten sahen, zeigt Grafe
historisch genau die Verfestigung der Demarkationslinie zwischen den Besatzungszonen von 1945 zum verminten Todesstreifen, an dem Grenzsoldaten mit Schießbefehl Wache hielten. Als „befestigte Westgrenze“ und „antifaschistischer Schutzwall“ wurde die Mauer als Grenze zugleich zum ideologischen Zentrum der DDR. So wurden diktatorische Maßnahmen wie die
Zwangsaussiedlungen von rund 50.000 Menschen aus dem Grenzgebiet unter den Aktionstiteln „Ungeziefer“ (1952) und „Kornblume“ (1961) gerechtfertigt.
Roman Grafe verbindet seine Chronik der Teilung sensibel mit den Schicksalen der Einwohner Probstzellas. Er berichtet von den Folgen der gegenseitigen Bespitzelung, von der Resignation und Ohnmacht gegenüber dem Unrechtsstaat und zahlreichen miss- und gelungenen Fluchtversuchen über die Grenze am Rande des Dorfes. Am Ende steht die Erinnerung an die Opfer des Todesstreifens, die in der ersten Euphorie des Mauerfalls nahezu keinen Raum
fand oder gar bewusst verdrängt wurde. Bewegt von diesem eindrücklichem Dokument deutsch-deutscher Geschichte diskutierten die Schüler mit Roman Grafe. Hierbei vertrat der in der DDR aufgewachsene und 1989 legal ausgereiste Autor eindeutige Positionen: Die Sicht
auf die DDR sei heute oft verklärt und die Verharmlosung der Diktatur ein Teil aktueller Politik.
Dabei setze sich das gleichzeitige Wissen und Schweigen über die Todesfälle an der Mauer, das schon damals üblich gewesen sei, nahtlos fort. Dass lediglich 31 Verantwortliche für mehr als 1000 Tötungen an der Mauer zu vergleichsweise milden Haftstrafen verurteilt wurden, empfindet Grafe als tiefes Unrecht. Wie schwierig es auch heute noch ist, Orte der Erinnerung zu schaffen, erklärt er am Beispiel seines gescheiterten Versuches, den Grenzbahnhof Probstzella zum Museum zu machen: „Die Gleichgültigkeit vieler und die harten Interessen einiger verhindern eine angemessene Aufarbeitung der Geschichte.“ Auf die Erfolge der Linkspartei angesprochen kritisierte Grafe vor allem jene Medien, die „der Partei der Täter“ zu große Aufmerksamkeit schenkten und damit deren Populismus erst fruchtbaren Boden bereiteten. In dieser Entschiedenheit eröffnete Roman Grafe den südbadischen Gymnasiasten einen Blick auf die DDR nicht nur fern sondern entgegen jeder
„Ostalgie“.