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„Heimat ist ein schönes aber auch schwieriges Thema." So lautet das Resümee von Philipp Lerch, Leiter der KommunalAkademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, am Ende eines erkenntnisreichen Tages in Erfurt. Wenn wir an Heimat denken, haben wir nicht nur einen konkreten Ort im Kopf, sondern schnell auch Erinnerungen und Gefühle. Angefangen von Bildern einer bestimmten Landschaft, über Erinnerungen an Weihnachten mit der Familie bis hin zum Geschmack von Omas Apfelkuchen. Auf der anderen Seite fällt es uns schwer, den Begriff „Heimat“ zu definieren und in Worte zu fassen. Gerade vor dem Hintergrund, dass in den letzten Monaten mehr als eine Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen haben und bei uns eine neue Heimat suchen, müssen wir uns fragen: Was macht Heimat aus? Wie soll unsere Heimat in Zukunft aussehen?
Blühende Landschaften
Am Anfang des diesjährigen Kommunalkongresses in Thüringen steht eine moderierte Exkursion durch Thüringen nach dem Motto "Auf den Spuren der Heimat". Auf dem Erfurter Domplatz ist gerade Markttag als sich der Bus mit rund 80 Insassen, darunter der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Ministerpräsident Prof. Dr. Bernhard Vogel, Bundestagsabgeordnete und Erfurter Stadtverordnete Antje Tillmann (beide keine gebürtigen Thüringer, die sich aber dennoch dort heimisch fühlen), die Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Thüringen Maja Eib sowie Landtagsabgeordnete, Stadträte und Kommunalverantwortliche aus allen Bundesländern, in Bewegung setzt. Von Erfurt, mit seiner mittelalterlichen Architektur und den herausgeputzten Fassaden geht es zunächst in das Gewerbegebiet Erfurter Kreuz. Seit der Wende hat sich Thüringen zu einem attraktiven Standort für Industrieunternehmen aus der ganzen Welt entwickelt. Neben Chemieunternehmen haben sich hier Logistikunternehmen, Metallverarbeitungsbetriebe und Photovoltaik-Hersteller niedergelassen. Auch Flugzeugtriebwerke von Rolls Royce werden im Gewerbegebiet Erfurter Kreuz generalüberholt. Weiter geht die Fahrt in Richtung Gotha, vorbei an mittelalterlichen Burgen, herbstlich verfärbten Wäldern und einer Teststrecke für Hochgeschwindigkeitszüge. In Gotha lernen wir, welche Kunstschätze im Herzoglichen Museum Schloss Friedenstein zu bestaunen sind und dass Kunst und Kultur im Freistaat Thüringen schon seit Jahrhunderten eine große Rolle spielt. Letzter Stopp der Exkursion sind die Obstplantagen auf den Fahner Höhen bei Gierstädt. Gestärkt durch frisches Obst und Saft aus regionalem Anbau geht es am frühen Nachmittag schließlich zurück nach Erfurt. Der Freistaat Thüringen in der Mitte Deutschlands hat sich in den letzten 25 Jahren enorm weiterentwickelt. „Wer die blühenden Landschaften hier nicht sieht, der hat beide Augen fest verschlossen“, fasst Maja Eib, Leiterin des Politischen Bildungsforums in Thüringen, zusammen.
Was ist Heimat?
In Anlehnung an das Motto des Kommunalkongresses "Heimat bilden. Was uns prägt - Was uns eint" wurde im Laufe des Tages viel über den Begriff Heimat diskutiert. Hierzu wurden nicht nur Philosophen und Politiker, sondern u.a. auch Herbert Grönemeyer zitiert, der bereits im Jahr 1999 sang: „Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl“. Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Hans-Gert Pöttering mahnt in seiner Begrüßungsansprache im Erfurter Kaisersaal davor, Heimat als geschlossenen Raum zu betrachten, zu dem kein anderer Zugang hat. „Wer aus seiner Heimat vertrieben wird, der leidet“, so der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments in Hinblick auf die große Zahl an Flüchtlingen, die in unserem Land Zuflucht suchen. Die Kommunalpolitik leiste eine besonders wichtige Aufgabe dabei, Menschen zu einen und ihre Heimat zu prägen. „Kommunalpolitiker sind Einheitsstifter“, so Pöttering abschließend. Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens, der in Vertretung des Ministers für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt MdB nach Erfurt gekommen war, betont indes wie wichtig eine solide Finanzausstattung für die Kommunen ist, um die täglichen Herausforderungen wie etwa die zunehmende Abwanderung in die Ballungszentren, die Modernisierung der Infrastruktur sowie den Breitbandausbau zu stemmen. Heimat sei für ihn ein sehr facettenreicher Begriff, der neben Tradition, Sprache und Familie auch Familie und Freunde sowie bestimmte Lebensmittel umfasse. „Ängste entstehen dort, wo Menschen unsicher sind und die Art, wie sie leben, in Frage gestellt wird“, so Aeikens. Gerade in Zeiten von Globalisierung und zunehmend geforderter Flexibilität z.B. durch den Arbeitgeber, brauche jeder Mensch Wurzeln, sagt Mike Mohring, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Thüringen. „Je stärker ein Mensch mit seiner Heimat verwurzelt ist, umso besser kann er auf Krisen und andere Widrigkeiten reagieren“, so der Landespolitiker weiter. Einig sind sich die Politik dahingehend, dass Heimat ein sehr facettenreicher Begriff ist, der weit über den konkreten, an dem wir leben oder in dem wir geboren wurden, hinausgeht.
Schengen: Die Inkarnation des geeinten Europas
Dass ein kleiner Ort der Ausgangspunkt für große politische Errungenschaften sein kann, beweist der Ort Schengen. Der kleine Winzerort in Luxemburg ist durch die Unterzeichnung der Schengener Abkommen über den schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der unterzeichnenden Staaten Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande in die Geschichtsbücher eingegangen. Mehr als 50.000 Besucher aus der ganzen Welt besuchen den kleinen Ort, der gerade einmal 4.600 Einwohner hat, jedes Jahr. Schengens Bürgermeister Ben Homan erhält im Rahmen des Kommunalkongresses nicht nur den Preis für die „Integrative Stadt 2016“, sondern hält auch eine flammende Rede auf die Wertegemeinschaft Europa. Für Ben Homan ist Schengen eine Erfolgsstory, denn es zeigt: „Im Kleinen kann Großes entstehen“. Das Verhalten der EU während der Flüchtlingskrise sei für ihn „beschämend“ gewesen. Viel zu lange hätten wir Europäer die Probleme ignoriert und an den Außengrenzen gelassen. Homan mahnt dennoch: „Wir dürfen Schengen nicht aufs Spiel setzen, in dem wir Grenzen innerhalb Europas schließen.“
Heimatstifter im Labor
Wie schmeckt Heimat? Wie hört sich Heimat an? Im Adenauer-Lab wurden zum Abschluss des Kommunalkongresses viele verschiedene Blickwinkel betrachtet und auf diese Weise „nicht alltägliche Perspektiven eröffnet“, so Frankfurts langjährige Oberbürgermeisterin Dr. Petra Roth. Insgesamt sieben sogenannte „Heimatstifter“ dürfen in diesem neuen Veranstaltungsformat in jeweils fünf Minuten darstellen, was sie unter dem Begriff Heimat verstehen. Für Sternekoch Marcello Fabbri ist Heimat das Lieblingsgericht, das wir noch aus Kindertagen kennen. Für die dreiköpfige Kölschrock-Band Pläsier hingegen ist es der kölsche Dialekt, der den Charme ihrer Stadt ausmacht und den sie mit Heimat verbinden. Dass Heimat im Kleinen beginnt, zeigt Christine Bardin. Sie ist die Bürgermeisterin von Ummerstadt, mit 489 Einwohnern die kleinste Stadt Thüringens und zweitkleinste Stadt Deutschlands. „Wir müssen von der anonymisierten Gesellschaft wieder zurück zur Gemeinschaft“, sagt Petra Roth. Die ehemalige Oberbürgermeisterin und Leiterin des Beirates Kommunalpolitik der Konrad-Adenauer-Stiftung berichtet im Adenauer-Lab über die Herausforderungen der Kommunalpolitik in einer Millionenstadt wie Frankfurt. Die Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes Gül Kesklinler stellt dar, wie wichtig die Zugehörigkeit zu einem Sportverein ist, um sich an einem Ort heimisch zu fühlen. Dennoch müssten wir auch akzeptieren, dass Menschen, die in Deutschland eine neue Heimat finden, ihre alte Identität nicht komplett ablegen wollen, so Keskinler. Marius Fletschinger, seelsorgender Priester in der Katholischen Hochschulgemeinde Mannheim, verortet Heimat in seinem Kurzimplus nicht zuletzt im Glauben und betont einmal mehr die Bedeutung des lokalen ehrenamtlichen Engagements. Bevor die „Heimatstifter“ untereinander und mit dem Publikum ins Gespräch kamen, durfte Claus Kuhlmann, Gewinner des Videowettbewerbs „100 Sekunden Heimat“, seine Kurzfilm dem Publikum präsentieren. Für den in Berlin lebenden Filmemacher ist Heimat nicht der Geburtsort, sondern der Ort, an man eine Zukunftsperspektive und Freunde hat. Kuhlmann warnt gleichzeitig davor, dass der Heimatbegriff von den falschen Menschen vereinnahmt und z.B. von Rechtspopulisten instrumentalisiert wird. „Wir müssen den Heimatbegriff positiv besetzen“, fordert Kuhlmann.
Der jährliche Kommunalkongress wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der KommunalAkademie organisiert. Mehr Informationen zur Arbeit der KommunalAkademie finden Sie unter www.kas.de/kommunalakademie