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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Deutschland und seine Nachbarn – Gegenseitige Wahrnehmung und Perspektiven“ lud das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 25. Februar 2019 in das Haus Dacheröden in Erfurt ein.
Eingeleitet durch Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Politischen Bildungsforums Thüringen, richtete der Botschafter der Tschechischen Republik in Deutschland, S. E. Tomáš Jan Podivínský, ein Grußwort an die Gäste. Anhand von sieben Thesen betonte Botschafter Podivínský, dass der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik fundamental wichtig seien. Sie können als Vorbild für innereuropäische Beziehungen gelten, da die Staaten, obwohl sie sehr verschieden seien, dennoch auf Augenhöhe und in enger Freundschaft miteinander agieren würden. Die Beziehungen der beiden Länder ließen sich auch noch weiter intensivieren, wenn man denn wolle, etwa durch eine noch stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit erhöhten gegenseitigen Investitionen in allen Gesellschaftsbereichen. Zudem müsse es immer möglich sein, auch über schwierige Themen sprechen zu können.
Nach einer kurzen Überleitung durch einen Zusammenschnitt des Videoblogs „Böhmische Dörfer – Geschichten aus Tschechien“ vom langjährigen ARD-Korrespondenten in Prag, Jürgen Osterhage, moderierte Dr. Kai-Olaf Lang von der Forschungsgruppe EU/Europa der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) ein Gespräch zwischen Jürgen Osterhage und Jaroslav Šonka, Publizist und Politikwissenschaftler.
Innenpolitik in der Tschechischen Republik
Jürgen Osterhage begann sein erstes Statement damit, die Leistungen der Tschechen im Transformationsprozess zu würdigen, welche nur auf Eigeninitiative beruhe und dafür gesorgt hätte, dass die Tschechische Republik heute innerhalb der Europäischen Union das höchste Wirtschaftswachstum vorweisen könne. Darauf entgegnete Jaroslav Šonka, dass nicht alle Tschechen auf die EU fokussiert und offen für sie seien. Präsident Miloš Zeman sei ein ehemaliger Kommunist und würde gemeinsam mit Ministerpräsident Andrej Babiš auf die Souveränität der Tschechischen Republik pochen, um ggf. europäische Regelungen und Ziele ablehnen zu können. Dr. Kai-Olaf Lang fragte daraufhin, wie es zu der Entwicklung innerhalb des tschechischen Parteiensystems gekommen sei, welches früher sehr gefestigt gewesen war, heute jedoch zunehmend unter Druck stünde. Die heutige Zeit sei eine Zeit der „Anti-Revolution“, begründete Jürgen Osterhage die Entwicklung, in der Teile der Bevölkerung in der Herausbildung einer Marktwirtschaft zurückgelassen worden seien. So ermögliche man Protest und Populismus, weswegen sich der jetzige Ministerpräsident Andrej Babiš als „sauber“ darstellen könne, weil von außerhalb des politischen Systems komme. Jaroslav Šonka erklärte, die Entwicklung sei Folge des politischen Bildungsstandes der Tschechen. Eine Bundeszentrale für politische Bildung, wie in Deutschland, gebe es nicht. Dementsprechend sei die Entscheidungskompetenz der Menschen geringer, was dazu führe, dass es für sie schwerer sei, Babiš zu durchschauen. Grundsätzlich, so Šonka, verlange der Ministerpräsident Loyalität und sei von Menschen umgeben, die nicht widersprechen würden. Dr. Kai-Olaf Lang stellte daraufhin klar, dass Ministerpräsident Babiš zwar machtorientiert und „transaktional“ handele, jedoch keiner Ideologie unterliege.
Die Tschechische Republik und Europa
Mit den Beziehungen der Tschechischen Republik zu Europa wandte sich Dr. Kai-Olaf Lang dem zweiten Thema des Abends zu. In Europa erlebe man eine Zeit der wachsenden Unzufriedenheit und des Populismus, dennoch sei die Zustimmung zur EU immer abhängig von der Fragestellung, so Osterhage. Babiš sei Pragmatiker und daher eher proeuropäisch eingestellt. Die Migrationskrise habe vielmehr zu einem Bruch, auch in Beziehungen zu Deutschland, geführt, weil Migration innerhalb der tschechischen Bevölkerung als große Gefahr angesehen werde. Der Zusammenschluss der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) habe sich nur deshalb zu einem Machtfaktor in der EU entwickeln können, weil die Staaten sich gerade in den Fragen der Migration gegen das „Diktat“ aus Brüssel aus Solidarität in ähnlichen Positionen befinden, jedoch darüber hinaus viele Unterschiede aufwiesen. Zum Abschluss thematisierte Dr. Lang außerdem die tschechischen Beziehungen zur Volksrepublik China und welchen Faktor diese innerhalb der Bevölkerung spielen würden. Jürgen Osterhage und Jaroslav Šonka waren jedoch beide der Meinung, dass dort nur Erwartungen einiger Politiker geschürt worden seien, es aber keine Verankerungen in der Bevölkerung gebe und sich dahingehend auch keine Entwicklungen abzeichnen würden. Teil der Debatte waren auch die Beneš-Dekrete, welche sicher lange die Beziehungen zwischen beiden Staaten mit prägten, da die Deutsche Besatzung und anschließende Vertreibung der Deutschen Minderheit im 2. Weltkrieg für beide Seiten tiefe Einschnitte waren. Unabhängig von ungeklärten Rechtsstatus und nur populistischen Aufflackern des Themas, kann man dies jedoch eher historisch als tagesaktuell betrachten.
Fragerunde und Schlusswort
Zum Abschluss der Gesprächsrunde wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet. Dabei wurden die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien, die Einführung des Euros in der Tschechischen Republik und die Beneš-Dekrete angesprochen. Bevor der Abend durch einen Empfang beendet wurde, betonte Marion Walsmann, Euopaministerin a.D. in ihrem Schlusswort, wie auch zuvor Botschafter Podivínský, die Bedeutung des Dialoges zwischen Deutschland und Tschechien.