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Innere Sicherheit im Fokus
Im Dezember vor einem Jahr richtete der Tunesier Anis Amri auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ein Blutbad an. Im Nachhinein kam eine Kette von schweren Fehlern ans Licht: Amri war ein bekannter Islamist, Gefährder und verurteilter Straftäter, der eigentlich hätte abgeschoben werden sollen, aber stattdessen mit diversen Identitäten umherzog, die Behörden täuschte, sich der Polizei entzog - und am Ende zwölf Menschen tötete und Dutzende verletzte. Aus Anlass der Jährung dieses für Deutschland einschneidenden Anschlagsereignisses lud am 11. Dezember 2017 das Politische Bildungsforum Thüringen der Konrad-Adenauer-Stiftung in die Weimarhalle zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung über die Herausforderungen in der inneren Sicherheit Deutschlands. Als Redner und Podiumsgäste waren Joachim Seeger (Abteilungsleiter im Bereich Rechtsextremismus des Bundesamtes für Verfassungsschutz), Peter Granderath (Präsident des Landgerichts Gera) und Mike Mohring MdL (Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag) anwesend. Die Moderation der Veranstaltung übernahm Martina Fietz Chefkorrespondentin von Focus Online.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Daniel Braun, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Politischen Bildungsforums Thüringen, die Gäste und betonte, dass das Thema innere Sicherheit besonders jetzt relevant ist, aber eine differenzierte Betrachtung häufig fehlt. Gleichzeitig verwies er auf die besorgniserregenden Entwicklungen im Bereich der politischen und gewalttätigen Kriminalität und die Problematik der Gewalt gegen Sicherheitskräfte bei gleichzeitig gesamtgesellschaftlich gutem Polizeibild.
Innere Sicherheit unter komplizierten Rahmenbedingungen
Herr Seeger stellte aus der Sicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz dar, dass der Terrorismus der 1970er bis 1990er Jahre das Sicherheitsgefühl und die Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland maßgebend geprägt hat. Die Sicherheitslage heute sei allerdings eine andere als vor 40 Jahren. Sie sei wesentlich komplexer. Die größte Bedrohung wäre der islamistische Terrorismus. Dieser habe außer dem Wort „Terrorismus“ mit dem, was die Bundesrepublik vor 40 Jahren erlebten, wenig gemein. Weder ideologisch, noch was Tatmittel oder Opferauswahl angehe. Es gehe den Terroristen des IS oder von Al-Qaida nicht darum, Spitzenpolitiker oder Wirtschaftsführer zu töten, wie es die RAF tat. Sie wollen im wahrsten Sinne des Wortes „Terror“ Schrecken verbreiten: so viele Menschen wie möglich töten und nach Möglichkeit bei laufender Kamera und Live-Übertragung. Sie können hochprofessionelle Terrorkommandos sein oder hochradikalisierte Kinder, Jugendliche oder Heranwachsende, die einfachste Mittel als Waffen einsetzen, um Mitmenschen zu töten. Diese Menschen und ihre Hintermänner würden nicht mehr den demokratischen Rechtsstaat in Frage stellen, sondern vielmehr seine Fähigkeiten, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Die Lage sei auch deshalb komplex, weil die Menschen es nicht nur mit einer anderen Qualität, sondern auch mit einer anderen Quantität der terroristischen Herausforderung zu tun hätten. Annährend 11.000 Salafisten in Deutschland, über 1.800 Personen, die zum islamistisch-terroristischen Personenpotential gezählt werden, allein rund 650 Hinweise in diesem Jahr aus der Bevölkerung auf Gefährdungssachverhalte. Und über 30 erfolgreiche Terroranschläge in Europa seit Anfang 2015, davon sieben in Deutschland. Komplex sei die Lage für das Bundesamt auch deshalb, weil nicht nur islamistischer Terrorismus das Alltagsgeschäft prägt, sondern zeitgleich auch ein Anstieg von gewaltbereitem Rechtsextremismus, Linksextremismus, sowie die Bedrohungen durch Cyberangriffe und Spionage festgestellt werden müssten. Hinzu trete, dass nahezu alle diese Bedrohungen Bezüge ins Ausland haben. Aber auch außenpolitische Krisen und Konflikt, humanitäre Katastrophen und Migrationsströme würden die Dienste vor große Herausforderungen. Die Behörden seien nicht mehr in einem symmetrischen, bipolaren Staatensystem, sondern zunehmend in einer multipolaren Weltordnung, die von asymmetrischen Kriegen, asymmetrischem Terrorismus und asymmetrischen Attacken im Cyberraum bestimmt werde, tätig. Das Bundesamt operiere nun mit einem umfassenden Sicherheitsbegriff, in dem äußere und innere Sicherheit zusammenfallen. Wäre Herr Seeger Geschäftsmann könne er sagen: in allen Geschäftsfeldern des Verfassungsschutzes boome es. Leider sei dies keine positive Nachricht. Hinzu käme, dass der technische Fortschritt weder auf die Rechtslage noch auf die Sicherheitslage Rücksicht nehmen würde. Die Gegner der Demokratie würden alle Möglichkeiten nutzen, die die Technik bietet. Aus diesem Grund mahnte Herr Seeger an, dass die Sicherheitsbehörden richtig aufgestellt sein müssen, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Die Ausstattung und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden müssten angepasst sein an die Sicherheitslage.
Plädoyer für die richtigen Parameter einer veränderten Sicherheitslage
Innere Sicherheit als Aufgabe der Politik
Anschließend ergriff Mike Mohring das Wort und stellte aus der Sicht der CDU Deutschlands und der Thüringer Union die Leitplanken eines bürgerlichen Sicherheitsansatzes vor. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag forderte ein einheitliches Musterpolizeigesetz für ganz Deutschland. An dieses sollen die Länderpolizeigesetze dann angepasst werden. Überall wo Gefährder in Deutschland auftreten, müsse das gleiche Recht herrschen. Es dürfe keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben. Dazu gehöre es auch, die sogenannte Schleierfahndung in ganz Deutschland einzuführen. Der rot-rot-grünen Landesregierung warf Mohring vor, sich im Bundesrat durch Enthaltungen und fragwürdige Protokollerklärungen einem effektiveren Kampf gegen islamistischen Terror zu verweigern. Die personelle Ausstattung des Verfassungsschutzes sei in anderen Bundesländern stark vorangekommen. Doch in Thüringen verhalle die Forderung der SPD-Innenminister im leeren Raum, weil sie dafür keine Mehrheit im Kabinett und Landtag finden würden. Gleichzeitig forderte Mohring die Landesregierung dazu auf, unbesetzte Stellen in den Polizeiführungsstellen zügig zu besetzen und dies nicht mit Blick auf eine mögliche Zusammenlegung von Dienststellen im Zuge von Gebietsreformplänen weiter aufzuschieben. Übergriffen auf Hilfs-, Rettungs- und Polizeikräfte müssten ebenso Haftstrafen folgen, auch mit Blick auf die Randale am Rande des G20-Gipfels in Hamburg. Linksextremistischer Terrorismus sei genauso zu verurteilen wie Terror von Rechtsextremisten und Islamisten. Er habe kein Verständnis, dass Linke, Grüne und Teile des SPD den Linksextremismus verharmlosen. Seine Fraktion habe deshalb eine Verbunddatei "Linksextremismus" nach dem Vorbild bereits existierender Dateien zum Rechtsextremismus und zum Islamismus vorgeschlagen. Die Sicherheitsbehörden müssten in der Lage sein, solche Personen und Gruppen zu erfassen und zu bestrafen. Den kurzfristig größten Bedarf sehe er in der Sicherung des Polizeinachwuchses. Auch die Polizei der Länder und des Bundes würden um geeignete Bewerber konkurrieren. Handlungsbedarf sehe die Union überdies hinsichtlich der Befugnisse für die Thüringer Sicherheitsbehörden. Dazu würden technische und rechtliche Voraussetzungen für die Überwachung der verschlüsselten Kommunikation, eine ausgeweitete Video-Überwachung und elektronische Fußfesseln für Gefährder und aus der Haft entlassene Extremisten, von denen weiterhin eine Gefahr ausgehe, gehören. Der Ausgleich von Freiheit und Sicherheit sei und bleibe eine Gratwanderung. Doch klar sei zudem: Der größte Feind der Freiheit sei Unsicherheit. Deshalb müssten die Sicherheitsbehörden in der Lage sein, Täter und Gefährder dingfest zu machen und unter Kontrolle zu behalten.
Eine neue Dimension von Verfahrensstruktur und Verfahrenskultur auch an Thüringer Gerichten
Der Präsident des Landgerichtes Gera, Herr Peter Granderath schilderte die veränderten Ausmaße der Strafrechtspflege in Deutschland und Thüringen. Die Zahl der Verfahren an den vier Landgerichten in Thüringen habe danach in den vergangenen Jahren um knapp zwölf Prozent zugenommen. An der großen Jugendkammer hätten sich die Verfahren nach Angaben des Justizministeriums um ein Viertel erhöht. Der Thüringer Richterbund hätte insbesondere kürzlich darauf hingewiesen, dass viele der Strafverfahren deutlich komplexer geworden sind und länger dauern würden als früher. So gebe es oft mehrere Angeklagte mit mehreren Verteidigern, heißt es. Die Konsequenz aus der teils angespannten Situation se, dass Prozesse mit Angeklagten, die in Untersuchungshaft sitzen, vorrangig geführt werden müssten. Bei anderen Verfahren könne es teilweise Monate dauern, bis die Verhandlung beginnen würde. Während die Zahl der Staatsanwälte seit dem Jahr 2000 konstant bei etwa 180 lag, wäre sie im Jahr 2016 auf 193 erhöht worden. Zum Halbjahr 2017 lag ihre Zahl bei 196. Dies mache insgesamt deutlich, dass die Thüringer Strafrechtspflege handlungs- und leistungsfähig sei. Dringender Handlungsbedarf bestehe jedoch bei der Gewinnung des Richternachwuchses. An Thüringens Gerichten stehe danach ein Generationenwechsel an: In den nächsten zehn Jahren würde etwa jeder vierte Richter in den Ruhestand gehen. Und junger Nachwuchs sei derzeit rar. Von den derzeit 607 Richtern in Thüringen - in der Zahl sind neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichte enthalten - würden die meisten der Altersgruppe 51 bis 55 Jahre angehören, aktuell etwa 270. Ungefähr 73 Prozent der Richterschaft sei älter als fünfzig Jahre. Die Zahl der Richter unter 30 lasse sich dagegen an zwei Händen abzählen. Ebenso falle es Thüringen schon schwer, Studierende und Referendare von außerhalb zu gewinnen beziehungsweise die eigenen der Universität Jena an sich zu binden. Zusätzlich würde mittlerweile den Absolventen im Vorbereitungsdienst der Beamtenstatus genommen und diverse Zuschläge gestrichen.
In der anschließenden Diskussion wurden noch einmal das Thema der Überwachung und der Vorwurf der Eingriffe in die Freiheitsrechte angesprochen. Herr Seeger vom Bundesamt für Verfassungsschutz machte nochmals deutlich, dass ein verändertes Bedrohungspotential bestehe und sich entsprechend die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit verschieben müsse. In der Frage was die Bürger im Bereich der Inneren Sicherheit wollen führte Mohring an, dass eine sicherheitspolitische Sensibilisierung vorliegt und dementsprechend mehr Maßnahmen gefordert würden. Ebenso wurde die Problematik der Kriminalität von Flüchtlingen und Asylbewerbern thematisiert. Hier argumentieren die Teilnehmer einerseits für eine christliche Flüchtlingsethik, aber andererseits auch für einen konsequenteren Umgang mit kriminellen Flüchtlingen und sogenannten Identitätsverweigerern. Konkret sei hier die strikte Anwendung geltenden Rechts insbesondere bei Abschiebungen einzufordern.