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Am 11. Oktober lud das Bildungswerk der Konrad-Adenauer-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Schloß Ettersburg erneut zum Ettersburger Diskurs ein. Zu Beginn begrüßte die Leiterin des Bildungswerk Erfurt Maja Eib die zahlreichen Gäste und Referenten. Sie skizzierte kurz die aktuelle Situation des Parteiensystems in der Bundesrepublik Deutschland und verdeutlichte die veränderten gesellschaftlichen Umstände, die insbesondere die Volksparteien neu herausforderten. Dabei zitierte sie zahlreiche Wissenschaftler aus gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen sowie qualitative Umfragen, die nach den Wünschen der Wähler fragten. Eib kam zu dem Schluss, dass sich das Parteiensystem verändert und sich die Parteien durchaus auch neuen Koalitionsmöglichkeiten öffnen werden. Mit diesem Statement übergab sie das Wort an den Schirmherren dieser Veranstaltungsreihe Mike Mohring MdL und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag.
Mohring war der Moderator der Diskussionsrunde unter Beteiligung von Prof. Dr. Tilman Mayer vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn finden und dem Leiter des Debattenressorts für das Nachrichtenmagazin FOCUS Michael Klonovsky.
Mohring leitete die Diskussionsrunde damit ein, dass das Jahr 2012 zum Überraschungswahljahr wurde. Denn neben der geplanten Landtagswahl in Schlewig-Holstein, mussten plötzlich auch neue Länderparlamente im Saarland und in Nordrhein-Westfalen gewählt werden, was die Arbeit der Parteien durcheinander brachte. Diese Wahlen zeichneten zum Teil überraschende Ergebnisse, wie der Einzug der Piratenpartei in alle Länderparlamente sowie verschwindend geringe Ergebnisse für die FDP. Dieser Umstand veranlasste Klonovsky zu der Aussage, dass das Parteiensystem erodiert. Dies geschehe jedoch nur einseitig, da dass deutsche Parteiensystem seiner Meinung nach nur einen linken Flügel besitzt mit die Linke, Bündnis `90/Die Grünen, neuerdings Piratenpartei und SPD. Die CDU sieht er dabei in der Mitte des Meinungsspektrums positioniert. Dadurch entsteht laut Klonovsky ein immer größer werdendes Vakuum zwischen der CDU und dem rechten Rand, wo sich die NPD befindet. Er schloss eine generelle Parteienkritik daran an, da sich alle Parteien in den großen Themen einig seien (bspw. Euro, Atomausstieg etc.) und es kaum noch „echte“ Unterscheidungspunkte gebe. Professor Mayer hingegen legte bei der Betrachtung der Wahlergebnisse den Fokus auf die Mobilisierungsschwäche der SPD. Für sie werden die starken Wahlergebnisse der Grünen, bspw. in Baden-Württemberg, zum Problem. Auf der anderen Seite fehlen weitere Machtoptionen, da Koalitionen mit der Linken weiterhin skeptisch gesehen werden und deren Ergebnisse im Westen zum Teil den Einzug ins Parlament erschweren. Klonovsky entgegnete dem, wenn sich die Linke wie bisher im Bundestag behaupten kann, dann wird sie zwangsläufig zur Koalitionsoption für die SPD werden.
Klonovsky machte während seiner Ausführungen immer wieder deutlich, dass er Nichtwähler ist und dem gesamten Parteiensystem kritisch gegenübersteht. Mayer wies deshalb darauf hin, dass derjenige, der nicht wählen geht, andere die Entscheidungen treffen lässt, die folglich auch akzeptiert werden müssten. Daher sollten sich die Parteien nicht auf die Nichtwähler konzentrieren, da sie sich außerhalb des politischen Meinungsspektrums befinden. Klonovsky hielt dem entgegen, dass man deswegen zum Nichtwähler wird, weil Parteiprogramme und vor allem Wahlzettel nur Wunschzettel seien. Er bemängelte, dass die realpolitischen Entscheidungen fernab vom Bürgerinteresse seien. Dadurch sei auch alles was konservativ war allmählich von der Bildfläche politischer Entscheidungen verschwunden. Mayer bestätigte in Teilen diese Annahme und bescheinigte dem Konservativismus in Deutschland einen schweren Stand. Jedoch sollte die CDU/CSU darauf achten auch konservative Interessen zu bedienen, da sie seit jeher über einen konservativen Flügel verfügte. Sobald dieser fehlen würde, bestünde die Gefahr, dass sich eine Lücke im rechten Spektrum des Parteiensystems auftuen könnte.
In der Folge wurde der Blick auf die Piratenpartei gerichtet. Klonovsky konstatierte ein nur spärlich bestücktes Programm und sah die Dauerhaftigkeit dieser neuen Partei mehr als skeptisch. Jedoch warf er eine andere Perspektive auf, als es in Wissenschaft und Publizistik getan wird, die die Piraten stets als Netzpartei identifizieren. Er bezeichnete die Piraten als Partei des französischen Neostrukturalismus, der auf Maurice Godelier zurückgeht. Mayer führte an, dass das Umfragehoch der Piraten mit der gestiegenen Medienberichterstattung zu tun habe. Falls die Piratenpartei den Einzug in den Bundestag schaffen würde, dann sei eine Etablierung im Parteiensystem ein Selbstläufer, so Mayer. Doch noch sind sie es nicht und es wird ein schwieriger und langer Weg bis dahin. Denn bisher schafft sich die Partei ihre eigenen Probleme, durch innerparteiliche Streitigkeiten (mit sogenannten shitstorms) und mangelhafte Themenvielfalt. Ihre Kernthemen Transparenz und Mitbestimmung seien zu wenig, um sich gesamtgesellschaftlich zu etablieren. Daher sieht Mayer den Höhepunkt ihrer Entwicklung bereits überschritten. Klonovsky sieht die Piraten in seiner Allparteienkritik lediglich als digitalen Fortläufer der Grünen.
Anschließend richtete Mohring den Blick auf die FDP und stellte die provokante Frage in den Raum, ob es die FDP denn überhaupt brauche? Mayer betonte, dass die FDP für das bürgerliche Lager wichtig sei. Umso überraschender seien die niedrigen Werte bei den Landtagswahlen und bei Wahlumfragen. Ein entscheidender Moment für die weitere Entwicklung auch auf der Ebene der Führungsetage der Partei wird daher die Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar 2013 sein.
Schließlich kam das Gespräch noch auf Europa. Während Klonovsky das europäische Gebilde mittlerweile als komplexes Gebilde betrachtet, verwies Mayer darauf, dass ein wichtiger Aspekt der repräsentativen Demokratie Vertrauen ist. Daher solle man den gewählten Volksvertretern und Entscheidungsträgern das nötige Vertrauen in solchen Krisenzeiten zukommen lassen. Den europäischen Integrationsprozess hingegen sah Mayer etwas kritischer. Insbesondere den fehlenden Diskurs über die Finalität der Europäischen Union warf er den Unionsparteien vor.
Zum Schluss widmete man sich schließlich den Unionsparteien im Vorfeld der Bundestasgwahl 2013. So plädierte Klonovsky dafür, dass sich die Union wieder auf ihre Ureigenen Themen besinnen solle, um sich dadurch von den anderen Parteien abzugrenzen. Mayer merkte an, dass Helmut Kohl im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Merkel ab und zu das konservative Klientel bediente, wodurch dieses Wählermilieu nicht verprellt wurde. Daher müsse die Union die Wähler dort abholen, wo sie stehen und auch konservative Themen diskutieren. Darüber hinaus sei es wichtig eine gute Wahlkampagne zu entwickeln, um die entscheidenden Themen in Abgrenzung zu den anderen Parteien herausstellen zu können.