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Als Referent dieser Veranstaltung des Bildungswerks Erfurt der Konrad-Adenauer-Stiftung weilte mit Thomas Hoffmann der Referent für Internationales der Fachhochschule Nordhausen am Hoffmann-von-Fallersleben-Gymnasium in Weimar. Hoffmann ist mit Frankreich eng vertraut, denn er wirkte mehr als zehn Jahre als Lehrer bzw. Dozent an mehreren Bildungseinrichtungen im westlichen Nachbarland, vorwiegend in Nizza.
Zu Beginn seines Referats stellte Hoffmann drei Schlagworte zum französischen Schulsystem in den Mittelpunkt: Ganztagsschule, Riesenschulen mit mehr als eintausend Schülern, Paukschule, in der Mitschreiben als wichtigste Arbeitsform gilt. Überries betonte er, dass es in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland ein zentrales Bildungsministerium – das größte Ministerium überhaupt – gebe. Zurückzuführen ist diese Struktur einerseits auf den zentralistischen Staatsaufbau, andererseits auf die Bedeutung, die Paris seiner „Education Nationale“ schenkt. Zwar seien einzelne Regionalisierungstendenzen nachzuweisen, beispielsweise Akademien als Aufsichtsgremien in den Bezirken, aber die Struktur des Einheitsstaates dominiert. Zwei Werte sind in den Schulen „unter der Tricolore“ von besonders großer Wichtigkeit – zum einen die Chancengleichheit für alle Kinder, zum anderen das nationale Ziel, die Menschen im Nachbarland „zu Franzosen zu machen“, wie es Hoffmann pointiert formulierte.
Die Bedeutung der Bildungspolitik in Frankreich kommt ferner in der Beobachtung zum Ausdruck, dass der Bildungsminister die wichtigste Person im Kabinett ist und sich ständiger Kritik gegenüber sieht. Auch herrsche eine gegensätzliche Streik- bzw. Demonstrationskultur als in der Bundesrepublik: Spontan versammeln sich junge Franzosen auf den Straßen und äußern ihren Unmut gegen Beschlüsse aus der Hauptstadt. Auch sei die gesamte Tages- und sogar die Jahresplanung der Franzosen nach der Schule ausgerichtet, denn es herrschen landesweit feste Termine für Ferien, und selbst für Menschen, die keine Kinder im schulpflichtigen Alter haben, ist es unüblich, außerhalb der Monate Juli/August den Urlaub zu verbringen. Traditionell sind der Mittwoch- und der Samstag-Nachmittag schulfrei, so dass zu diesen Zeiten die Kinder und Jugendlichen auf den Straßen, in den Kaufhäusern oder bei ihren Eltern am Arbeitsplatz zu finden seien, wie es der Referent in seiner Vortragsart des trockenen Humors darstellte, während manche Dörfer und Städte zu Schulzeit regelrecht kinderlos wirkten.
Als charakteristisch für das Schulsystem in Frankreich beschrieb Thomas Hoffmann als weiteren Punkt die hohe Fluktuation bei den Lehrern: Nach den Schuljahren wechseln viele Lehrkräfte die Bildungseinrichtung. Anders als in Deutschland lehren die Pädagogen stets nur ein Fach. Zudem nehmen die Lehrer nicht an der eigenen Schule die – zentral gestellten – Prüfungen ab. Für die französischen Kinder selbst dienen Schulen als Lebensmittelpunkte. Schließlich halten sie sich hier bis weit in den Nachmittag hinein auf. Die Schulen sind meist überdimensional groß, doch arbeiten hier nicht nur Lehrer, sondern zahlreiche weitere Berufsschichten: Schulpädagogen (Berater), „Aufsichtspersonal“ für Freistunden, Freizeitbetreuer für Sport oder Schulradio, Internats-Mitarbeiter, Restaurantbetreiber, Gärtner usw.
Die (staatlich-pädagogische) Erziehung der Kinder beginnt im Alter von zwei bis fünf Jahren in der freiwillige Vorschule (école maternelle), wo die Vermittlung ersten Wissens ebenso angestrebt wird wie die soziale Integration. Ab dem sechsten Lebensjahr gehen die Kinder in die fünfjährige Grundschule (école primaire), wo sie bis zum elften Lebensjahr Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Auch Fremdsprachenunterricht beginn häufig bereits in der Grundschule. Die meisten Grundschulen sind in Wohnortnähe zu finden, oftmals sind gar traditionelle Dorfschulen noch vorhanden, in denen der Lehrer als Universalperson (Bürgermeister, Pfarrer usw.) wirkt.
Die Sekundarstufe (enseignement secondaire) besteht aus zwei aufeinander folgenden Stufen: Das vierjährige collège, nach dem mit 14 Jahren in einer Abschlussprüfung (brevet des collèges), die Qualifikation für das lycée erfolgt. Das lycée entspricht dem deutschen Gymnasium und umfasst drei Jahre. Die Einteilung erfolgt in drei Klassen: seconde, première, terminale. Bereits im letzten Collège-Jahr wählt der Schüler die Form des lycée: Allgemeinbildendes oder technisches Gymnasium (lycée d'enseignement généraliste ou technologique) zur Vorbereitung auf ein Hochschulstudium oder Berufliches Gymnasium (lycée professionnel) zum Erlernen eines Berufs. Am Ende des Gymnasiums steht das Abitur (baccalauréat oder Bac), mit dem die Schüler für das Studium berechtigt sind.
Die anderen Veranstaltungen der Reihe "40 Jahre Richtung Zukunft. Die deutsch-französische Gemeinschaft feiert Geburtstag":
Vortrag von Dr. Martin Borowsky zur deutsch-französischen Geschichte