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„Die Frauen müssen aufpassen, ihre Positionen zu halten und vor allem auch auszubauen“ - Interview mit Ursula Männle

Die HSS-Vorsitzende über das Erbe von 1968, Frauen-Politik, Hochschulpolitik und die neue Rolle des RCDS

Im Interview spricht Ursula Männle, Vorsitzende der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, ehemalige Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie Staatsministerin für Bundesangelegenheiten, über das Erbe von 1968, warum Frauen heute ihre Stellung in der Gesellschaft behaupten und stärken müssen, wie sich Hochschulpolitik verändert hat und die neue Rolle des RCDS.

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War ´68 der Zeitgeist wirklich links oder war es eher eine lautstarke Minderheit, die man da gehört hat?

Männle: Es war sicherlich eine lautstarke Minderheit – gut organisiert und sehr gut inszeniert. Was problematisch war, war diese schweigende Mehrheit. Wenn ich daran denke, wie wenige Studenten sich an den hochschulinternen Wahlen beteiligt haben, war das Ergebnis zwar nicht repräsentativ, aber es war schlagkräftig. Diese scheinbar linke Mehrheit hat natürlich auch das Medieninteresse bedient. Aber es war mit Sicherheit eine Minderheit, auch unter den Studenten.

Damals war Politik vor allem Männersache. Sie als damalige Landesvorsitzende des RCDS Bayern und Gründerin des RCDS in Regensburg waren da eine Ausnahme. Heute sieht es etwas ausgeglichener aus, es fehlen aber immer noch Frauen, vor allem in den konservativen Parteien. Ist konservative Politik und Frauen ein Widerspruch?

Männle: Es kommt darauf an, was man unter konservativer Politik versteht. Man darf nicht akzeptieren, dass konservative Politik so verstanden wird, dass die traditionelle Frauenrolle mit ihrem Reduzieren der Frau auf Familie und Kinder bewahrt werden soll. In der Tat hat es sehr, sehr lange gedauert, bis man die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die man ja 1949 in der Verfassung verankert hat, tatsächlich in alle Lebensbereiche ausgedehnt hat, auch in den politischen Bereich. 1957 kam das erste Gleichberechtigungsgesetz, wo man nachjustiert hat und geschaut hat, wo es Gesetze gibt, die Frauen benachteiligen. Das hat alles wahnsinnig lange gedauert. Weil es einfach bequem war, in den alten geschlechtsspezifischen Bildern zu leben.

Wir haben heute in dieser Hinsicht sehr viel erreicht. Ich befürchte aber, dass viele junge Frauen heute sagen: ‚Was habt ihr denn? Ist doch alles in Ordnung, wir haben doch alle Berufs- und Bildungschancen. Wo ist denn Benachteiligung tatsächlich noch mit den Händen zu greifen? Hört doch endlich auf zu jammern.‘ Die Frauen merken aber oft nicht – so stelle ich es zumindest fest – wenn ganz entschieden gegen die Beteiligung der Frau agiert wird. Wichtig ist hier auch immer: Nimmt man sie in führende Positionen oder sind sie nach wie vor eher als schmückendes Beiwerk gedacht? In dem Glauben, man hätte schon alles erreicht, darf man nicht vernachlässigen, am Ball zu bleiben. Die Frauen müssen aufpassen, ihre Positionen zu halten und vor allem auch auszubauen. Mit nur 30, 40 Prozent Frauenanteil darf man sich nicht zufrieden geben, auch nicht in der CSU.

Waren die Studenten damals politischer als heute und wenn ja, inwiefern? War Hochschulpolitik damals angesagter?

Männle: Hochschulpolitik und Politik allgemein sind heute nicht mehr so angesagt. Damals waren es natürlich Ereignisse wie das Erstarken der NPD, der Vietnamkrieg, die Ost-West-Auseinandersetzung, die Besetzung von Prag mit Panzern, die die Studenten schon sehr aufgerüttelt haben. Die sie auch gefordert haben und angestoßen haben, sich Gedanken zu machen. Die jungen Leute gingen dann auch in die Parteien rein und wollten diese verändern. Vielleicht waren sie weniger aktiv im hochschulpolitischen Bereich. Aber trotzdem – als ich selber an der Hochschule war, habe ich erlebt, dass wenn als man als Professor in den Hörsaal kam und seine Vorlesung halten wollte, als erstes Diskussionen in Gang gesetzt worden sind. An aktuellen Fragen bestand ein großes Interesse, und auch daran, einen Bezug zwischen der Theorie im Studium und der Praxis herzustellen.

Heute hat sich natürlich auch die Studienorganisation verändert. Durch das Bachelor-Master-System hat eine Verschulung des Studiums stattgefunden, die eine Auseinandersetzung mit darüberhinausgehenden Fragen des Studienfachs schon aus Zeitgründen erschwert. Man hat schon genug damit zu tun, seine Credit Points zu sammeln. Momentan habe ich allerdings den Eindruck, dass so viel in der Welt in Unruhe ist, dass das politische Interesse der Jugend wieder mehr aufflammt. Aber sobald alles halbwegs wieder ‚normal‘ läuft, denken die Leute eher wieder ans Persönliche, was ich natürlich auch verstehen kann.

Wie sehen Sie den RCDS heute? Was begrüßen Sie, was vermissen Sie?

Männle: Der RCDS versteht sich heute mehr als Dienstleister für die Studenten, er versteht sich viel weniger politisch, so mein Eindruck. Heute versucht man Mitglieder eher über gesellschaftliche Aktivitäten zu gewinnen, Zugang bekommt über eigentlich Unpolitisches. Man bleibt in der Hochschule, bleibt untereinander, man macht die Dienstleistung. Das ist auch gut so, das ist in Ordnung. Was ich schade finde, ist, dass man den politischen Einfluss, den man eigentlich haben könnte, nicht so stark geltend macht. Ein bisschen mehr Biss, mehr Widerspruch, das würde ich mir wünschen. Auch mehr die Absicht, seine Interessen einzubringen. Natürlich ist heute vieles schon festgefügt und fixiert. Man hatte sicherlich in den 60er Jahren mehr Gestaltungsmöglichkeiten als heute, weswegen das auch kein Vorwurf sein soll. Aber dennoch – manches muss nicht bleiben wie es ist. Es kann immer noch einiges verändert werden.

Das Interview mit Prof. Ursula Männle führte Julia Ruhs, Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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