Üksikpealkiri
Aktuell streiten Washington und Peking über die Handelsbeziehungen, die derzeit laufenden amerikanisch-südkoreanischen Großmanöver und die Durchsetzung der Nordkorea-Sanktionen. Kim kann also eigentlich ganz zufrieden sein.
Nur 40 Kilometer Luftlinie sind es von den Vororten der südkoreanischen Hauptstadt bis zur Demilitarisierten Zone, die die beiden Koreas trennt. Der Schrecken, der durch die Berichterstattung in europäischen Medien zum Ausdruck gebracht wurde, ist in Südkorea so nicht zu spüren. Die Menschen im Großraum Seoul mit seinen rund 23 Millionen Einwohnern haben gelernt, mit der Dauerkrise umzugehen. Man hat sich an die Drohungen und Provokationen aus Richtung Norden schlichtweg gewöhnt. Selbst Reisen nach Guam, einem beliebten Ferienziel für Südkoreaner, finden trotz der Drohungen mit Raketenbeschuss so wie immer statt.
Dennoch, erstmals ist in Südkorea so etwas wie Besorgnis zu spüren. Ursache dafür ist jedoch weniger die Bedrohung aus Richtung Norden als vielmehr die Ohnmacht der eigenen Regierung. Denn Seoul hat derzeit nur wenige Optionen. Die Politik wirkt verunsichert, fast ein wenig hilflos. „Korea passing“ ist zum geflügelten Wort geworden. Entscheidungen über das Schicksal der koreanischen Halbinsel würden in Pjöngjang, Washington und Peking getroffen – nicht jedoch in Seoul. Dort wird gar befürchtet, dass es einer Nuklearmacht Nordkorea gelingen könnte, einen Keil zwischen Südkorea und die USA zu treiben.
Diese Besorgnis ist in den vergangenen Tagen nochmals größer geworden. Just hat es auf einer UN-Konferenz zu Rüstungskontrollfragen in Genf heftigen Streit zwischen den Vertretern der USA und Nordkoreas gegeben, der beispielhaft für die Komplexität der Beziehungen beider auch zu Südkorea ist. Im Zentrum steht die Aussage des US-Diplomaten Robert Wood, dass die USA bereit seien, die gesamte ihnen zur Verfügung stehende Militärmacht gegen die nordkoreanische Bedrohung jederzeit einzusetzen. Das wiederum wird in Seouler Regierungskreisen so interpretiert, dass die US-Administration wohl entschlossen ist, ausschließlich den eigenen Interessen folgend zu handeln – und damit im Zweifel auch ohne Konsultation und Zustimmung der südkoreanischen Partner losschlagen würde.
Wenn Südkorea Frieden möchte, so Woods nordkoreanischer Counterpart Ju Yong-chol in seiner Genfer Replik, müsse Seoul die Kooperation mit Washington einstellen. Im Übrigen sei Südkorea nicht qualifiziert, mit dem Norden über die Nuklearfrage zu sprechen. Das sei ausschließlich Sache von Nordkoreanern und Amerikanern. Südkorea könne zudem nicht gleichzeitig Sanktionen beschließen und Dialog führen wollen.
Während der 17-jährigen Herrschaft Kim Jong-ils hat es insgesamt 16 Raketenstarts gegeben. Allein in diesem Jahr wurden bereits 18 Tests gezählt. Der Start der Mittelstreckenrakete, die jetzt Japan überflog, erfolgte nicht wie sonst aus einer der Provinzen, sondern erstmals vom Sunan-Flughafen, nur wenige Kilometer außerhalb von Pjöngjang gelegen. Nach südkoreanischer Einschätzung wollte das Regime um Kim Jong Un damit demonstrieren, dass man in der Lage ist, Raketen dieses Typs von jedem Ort im Land zu starten. Das deute einerseits auf ein erhebliches Vertrauen in die eigene Raketentechnik und gleichzeitig auch auf Selbstbewusstsein hinsichtlich der momentanen politischen Spielräume hin. Außerdem habe das Regime der Bevölkerung den Raketenstart in Sichtweite der Hauptstadt als Zeichen eigener Stärke präsentieren wollen.
Sanktionen und Dialog, harte Faust und ausgestreckte Hand, sind das Mantra des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in. Es ist der Griff nach zwei Keksen – gleichzeitig. So sehen es zumindest die Seouler Karikaturisten. Doch die koreanische Realität sieht anders aus. Denn die Trump-Regierung und die Moon-Administration haben schon lange das Problem, dass sie nicht wissen, wie sie Nordkoreas Nuklearprogramm beenden können: Sanktionen, politischer Druck oder doch auf die nächste Eskalationsstufe setzen. Schon häufiger war der Konflikt angespannt. Doch bisher hat sich die Lage immer wieder beruhigt. Das könnte sich auch in der aktuellen Krise wiederholen. Denn allen Schwierigkeiten zum Trotz wären am Ende sogar direkte amerikanisch-nordkoreanische Gespräche auf höchster Ebene denkbar. Trump selbst hat das nie ausgeschlossen. Nur Südkorea wäre wieder nicht dabei.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Fuldaer Zeitung, in der dieser Beitrag zuerst erschienen ist.