Riikide raportid
Bereits am 15. Juli hatte Kutschma einen Erlass „Über den Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats vom 6. Juli ‚Über die weitere Entwicklung der Beziehungen zur NATO unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Sitzung der Kommission Ukraine-NATO auf der höchsten Ebene vom 29. Juni 2004’“ unterzeichnet, in dem das außenpolitische Ziel einer Mitgliedschaft der Ukraine in NATO und EU nicht mehr vorkommt. Diese Nachricht brachte Bewegung in den dahin dümpelnden Wahlkampf und sorgte auch im Ausland für Schlagzeilen: Besorgnis in Warschau, Freude in Moskau und Ratlosigkeit in Brüssel. Driftet die Ukraine tatsächlich in den russischen Einflussbereich ab oder haben pragmatische wahltaktische Erwägungen Kutschma zu diesem Schritt bewogen? Oder handelt es sich wieder einmal um den berühmten ‚Sturm im Wasserglas’ im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen ?
Das Ziel der Integration in NATO und EU bleibt unverändert.
Am 15. Juni dieses Jahres hatte der Präsident die Militärdoktrin unterzeichnet und damit die Entscheidung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats vom 23. Mai 2002, von Kutschma am 8. Juli 2002 unterschrieben, die NATO – Mitgliedschaft anzustreben, noch einmal bekräftigt. Vierzehn Tage später, am 29. Juni 2004, wurde die Doktrin auf einer Sitzung der Ukraine-NATO Kommission in Istanbul vorgelegt. Sie war auch Grundlage beim EU-Ukraine Gipfel in Den Haag am 7. und 8. Juli. In der neuen Version vom 15. Juli ist nun allerdings der folgende und entscheidende Satz nicht mehr enthalten: „Ausgehend von der Tatsache, dass NATO und EU Garanten für Sicherheit und Stabilität in Europa sind, bereitet sich die Ukraine auf eine volle Mitgliedschaft in jenen Organisationen vor“. Jetzt heißt es nur noch, dass die Bedingungen für die Sicherheit der Ukraine die „Konsolidierung des Vertrauens zwischen den Staaten, eine konsequente Reduzierung der Drohung mit militärischer Gewaltanwendung sowie die Durchführung einer Politik der euro-atlantischen Integration“ sind. Weiter heißt es, dass „unter den Bedingungen der gegenwärtigen militärisch-politischen Situation die Interessen der nationalen Sicherheit der Ukraine eng verknüpft sind mit einer substantiellen Vertiefung der Beziehungen zu NATO und EU als Garanten für Sicherheit und Stabilität in Europa.“ Das Ziel der Integration ist unverändert geblieben; das Ziel der Mitgliedschaft in beiden Organisationen wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Nach Informationen der Zeitung ‚Den’ wurde selbst das Außenministerium von der Kehrtwende des Präsidenten überrascht und man stellt sich dort besorgt die Frage, wie der Außenminister die neue Politik im Westen erklären soll. Der stellvertretende Außenminister Oleg Shamshur glättete in einer Pressekonferenz am 26. Juli die Wogen und betonte, dass sich an der europäischen Integrationspolitik nichts geändert habe: „Wir sehen keinen Anlass für die Behauptung, die Ukraine habe ihren europäischen und euro-atlantischen Kurs geändert, denn das Ziel europäische Integration hat sich nicht geändert, ändert sich nicht und wird sich meiner Meinung nach auch nicht ändern.“ Er wurde in dieser Meinung von Verteidigungsminister Martschuk unterstützt, der vor voreiligen Schlüssen warnte und auf den hohen Grad der Zusammenarbeit mit der NATO verwies und davon ausgeht, dass sich die Beziehungen zwischen der NATO und der Ukraine weiterentwickeln werden: „ Die euro-atlantische Integration, Kooperation mit der NATO, Adaption der NATO Kriterien, Ukraine-NATO Aktionsplan, Kooperation innerhalb des ‚Partnership for Peace’-Programms, neue Initiativen und aktive Zusammenarbeit im Mittelmeerraum, alles bleibt beim Alten.“ Außerdem, so beruhigen beide, seien die mittel- und langfristigen strategischen Ziele, nämlich die Mitgliedschaft in EU und NATO, weiterhin in anderen wichtigen Dokumenten enthalten, wie z.B. dem Gesetz „Über die Prinzipien der nationalen Sicherheit der Ukraine.“
Die Brücken zwischen der Ukraine und der EU und NATO sind also nicht abgebrochen, nur die Pfeiler wieder einmal einer Belastungsprobe ausgesetzt, aber das ist in den komplizierten Beziehungen des Westens zur Ukraine nichts Neues, und an die regelmäßig von Kutschma je nach innen- oder außenpolitischer Opportunität aus dem Giftschrank geholten „Mehr-Vektorenpolitik“ hat sich der Westen schon gewöhnt. Außerdem kann das Integrationsziel vom kommenden neuen Präsidenten per Dekret wieder in die Doktrin aufgenommen werden.
Kutschmas neue Politik: kein Anlass zur Sorge?
Dementsprechend gelassen wirkte die NATO. NATO-Sprecher Robert Psel betonte, dass die Allianz „mit der Qualität und dem Niveau der Zusammenarbeit mit der Ukraine sehr zufrieden sei und keine Veränderung in der ukrainischen Politik erkennen könne.“ Auch der Sprecher der Europäischen Kommission Reijo Kemppinen betrieb Schadensbegrenzung und stellte fest, dass die EU Interesse an engeren Beziehungen sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland habe, machte aber klar, „dass eine Mitgliedschaft weder des einen noch des anderen Landes bisher formell diskutiert worden sei.“
Das russische Außenministerium begrüßte erwartungsgemäß die Herausstreichung des strategischen Ziels einer NATO- und EU- Mitgliedschaft aus der Militärdoktrin. „Die Ausgewogenheit der neuen Doktrin,“ so ein Sprecher des Ministeriums, „liege im Interesse beider Länder und eröffne die Chance für eine intensivere militärpolitische Zusammenarbeit.“ Die russische Presse jubelte und sprach von einem Scheitern der westorientierten Politik der Ukraine.
Polens Präsident Kwasniewski übte am 30. Juli in einem Interview heftige Kritik an einigen Ländern der EU, denen er vorwarf, der Ukraine in ihrer schwierigen Situation nicht genug entgegen gekommen zu sein. Vor allem bei den Premierministern von Frankreich und Großbritannien sowie dem deutschen Kanzler konstatierte er während des NATO-Gipfels von Istanbul einen „Mangel an Verständnis und Entschlossenheit“ oder, so seine Vermutung, „sie sind der Überzeugung, dass die Ukraine im russischen Einflussbereich liegt.“
Polens Außenminister Cimoszewicz warnte dagegen davor, von einem Scheitern der ukrainischen Außenpolitik gegenüber dem Westen zu sprechen und die Situation zu dramatisieren. Man solle zunächst analysieren, ob der Schritt des ukrainischen Präsidenten taktischer oder strategischer Natur sei. Sollte die Ukraine aber tatsächlich einen Kurswechsel in Richtung Moskau vollzogen haben, wäre dies allerdings eine schlechte Nachricht, vor allem für die Ukraine selbst.
Auch die polnischen Unternehmer sind optimistisch, dass selbst ein Kurswechsel in Kiew der positiven Entwicklung der polnisch-ukrainischen Handelsbeziehungen keinen Abbruch tun würde. Die Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern seien mittlerweile so gefestigt, so Wojciech Solarski, Vizepräsident von Polifarb Cieszyn Wroclaw, „dass politische Deklarationen keine Auswirkungen haben werden.“ Mittlerweile sind knapp 850 polnische Unternehmen in der Ukraine engagiert und damit erheblich mehr als in Russland (390). Voraussichtlich werden in diesem Jahr etwa 55 Millionen Dollar in der Ukraine investiert, fast vier Mal mehr als im Vorjahr.
Polnische Kommentatoren und Analysten bedauern übereinstimmend die ihrer Meinung nach unerwartete Kehrtwendung der ukrainischen Außenpolitik. Marcin Bosacki gibt in einem Kommentar in der ‚Gazeta Wyborcza’ der EU und der Regierung in Berlin eine Mitschuld an dem Dilemma, die im Gegensatz zur polnischen Regierung der Meinung sind, nur Putin könne jenseits des Bugs für Ordnung sorgen. Der Westen habe seine Hände in Unschuld gewaschen, während Putin nie aufgegeben hat, um die Ukraine zu werben. Die EU, so sein Vorwurf an Brüssel, habe die Ukraine durch eine „Mauer der Gleichgültigkeit“ und ein hartes Visa-Regime in russische Hände getrieben. Und der Journalist Piotr Koscinski von der Zeitung ‚Rzeczpospolita’ bedauert, dass alle Versuche der polnischen Regierung, ihre EU-Partner zu einer Ukraine-freundlicheren Politik zu bewegen, nicht erfolgreich waren, mit dem Ergebnis, dass „ein großes europäisches Land der EU und NATO sein Misstrauen ausgesprochen hat.“
Ein großes Aufgebot an Politikern, darunter der frühere Premierminister Mazowiecki und die früheren Außenminister Bartoszewski und Olechowski richteten einen flammenden Appell an die polnische Staatsführung, das Streben der Ukraine nach Aufnahme in die EU aktiv zu unterstützen. Die Unterzeichner halten es für einen verhängnisvollen Fehler, der Ukraine jede Hoffnung auf Mitgliedschaft zu nehmen, weil sie dadurch jeglicher Motivation beraubt wird, den Demokratisierungs- und Liberalisierungsprozess in ihrem Land zu verstärken und europäische Standards in Wirtschaft und Politik anzustreben. Sie fordern dagegen, der Ukraine ein deutliches Zeichen zu geben, dass „ihre Mitgliedschaft nicht nur möglich, sondern sogar wünschenswert ist.“
Eine Meinung, die in Litauen geteilt wird. Litauen will die polnische Initiative unterstützen und sich gemeinsam mit Polen in Brüssel dafür einsetzen, dass, so der außenpolitische Berater von Präsident Adamkus Bagdonas, der Ukraine „ein Signal hinsichtlich der Mitgliedschaft in den Organisationen gegeben wird.“
Der polnische Europaabgeordnete Dariusz Rosati wandte sich Anfang der Woche bereits an seine Kollegen im Europäischen Parlament mit der Bitte um Unterstützung einer Resolution an den Auswärtigen Ausschuss des Parlaments, in der die Kommission aufgefordert wird, den Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine eine höhere Priorität einzuräumen und der Ukraine eine Perspektive für die Mitgliedschaft aufzuzeigen. Die Kritik von Kutschma, so Rosati, „habe die Ineffektivität der EU-Politik gegenüber der Ukraine und Weißrußland offengelegt.“ Die EU orientiert ihre Politik seiner Meinung nach immer noch an Maßstäben, die vor der Erweiterung galten und berücksichtigt zu wenig die wachsende Bedeutung der östlichen Nachbarn.
Auch das ‚Wall Street Journal’ hält die „Bitte bloß nicht beitreten“-Politik der EU für gescheitert und empfiehlt der Gemeinschaft, der Ukraine einen echten Anreiz zu geben wie zum Beispiel die Mitgliedschaft, denn „die EU hat nur wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen.“
Für den ehemaligen ukrainischen Außenminister und vehementen Verfechter des europäischen und euro-atlantischen Integrationsgedanken Boris Tarasjuk beweist Kutschmas Entscheidung aufs Neue die Wankelmütigkeit der ukrainischen Außenpolitik. Er kritisiert, dass der Präsident aus persönlicher Verärgerung über die westliche Kritik an seiner Politik während des NATO-Gipfels in Istanbul eine politische Forderung aufgibt, für die Kutschma offiziell seit 10 Jahren wirbt. Tarasjuks Schlussfolgerung lautet: „Kutschma stellt seine persönlichen Empfindungen über die Interessen der Nation.“ So war es seiner Meinung nach auch kein Zufall, dass der Text der veränderten Militärdoktrin gerade rechtzeitig zum Treffen mit Putin auf der Krim veröffentlicht wurde, elf Tage nach der Unterzeichnung durch Kutschma.
Der ehemalige stellvertretende Außenminister Anton Buteiko wirft Kutschma vor, nie ernsthaft an einer Mitgliedschaft in EU und NATO interessiert gewesen zu sein. Er sei ein Mensch, der vom sowjetischen militärisch-industriellen Komplex und dem kommunistischen System geformt wurde und seine Vergangenheit bis heute nicht abstreifen und sich zu einem überzeugten Europäer wandeln konnte.
Eine Journalistin der Zeitschrift ‚Korrespondent’ meinte zu Kutschmas Schritt lapidar, er habe einfach die Nerven verloren, nachdem weder der NATO-Gipfel noch der EU-Ukraine Gipfel nach seinen Vorstellungen verlaufen sei. Keines seiner hochgesteckten außenpolitischen Ziele habe er in den 10 Jahren seiner Präsidentschaft erreichen können, weder eine assoziierte Mitgliedschaft in der EU bis 2011 noch einen NATO-Beitritt bis 2008. Auch die Hoffnungen einer WTO-Mitgliedschaft noch in diesem Jahr werden sich nicht erfüllen. Der Dialog zwischen EU/NATO und der Ukraine habe in den vergangenen Jahren „an ein Gespräch zwischen einem Tauben und einem Blinden“ erinnert. Nach Meinung der Journalistin erhofft sich der Westen einen kompletten Wechsel in der Exekutive, denn, so der Politikwissenschaftler Taras Kusio, „Die Außenpolitik der Ukraine ist schon lange nicht pro-russisch oder pro-westlich, sondern pro-Kutschma.“
Ähnlich argumentiert die ‚Ukrainska Prawda’. „Eine große Menge Papier und noch mehr Worte sind vergeudet worden – aber der Wert ist gleich Null,“ schreibt der Autor resigniert. Kutschmas Unterschrift unter die veränderte Militärdoktrin sei das Ende einer nur halbherzig betriebenen Europapolitik.
Keinen Anlass für Überreaktionen und Überinterpretationen sieht der Kiewer Politikwissenschaftler Oleksandr Sushko. Seiner Meinung nach müssen alle gegenwärtigen Entscheidungen Kutschmas vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen am 31. Oktober gesehen werden. Von einer außenpolitischen Kursänderung könne keine Rede sein. Es wurde nach seiner Interpretation nur eine zeitlich befristete Prioritätenänderung vorgenommen, die jederzeit wieder aufgehoben werden kann. Als ein viel ernsteres Problem betrachtet er die Entscheidung Kutschmas, die Odessa-Brody Pipeline an ein britisch-russisches Unternehmen zu verpachten, das russisches Öl aus Sibirien nach Odessa pumpen und auf Schiffen durchs Mittelmeer nach Europa transportieren wird. Vor allem die Europäer hatten gehofft, die Pipeline in die umgekehrte Richtung zur Beförderung von Öl aus den Fördergebieten am Kaspischen Meer von Odessa über Brody in Richtung Europa nutzen zu können, um ihre Abhängigkeit vom russischen Öl zu verringern. Auch die polnische Regierung freute sich schon über eine zusätzliche Einnahmequelle, da die Absicht bestand, eine weitere Leitung von Brody durch Polen bis an die Ostsee zu verlegen.
Nachdem sich der erste Pulverdampf verzogen hatte, meldete sich eigentliche Urheber der Aufregung aus seinem Urlaub von der Krim zu Wort. Er wies den Vorwurf zurück, dass die Veränderung der Militärdoktrin Resultat einer persönlichen Enttäuschung über die Ergebnisse des NATO-Gipfels war. Vielmehr handele es sich um die Anpassung an eine veränderte internationale Lage. Seiner Meinung nach befindet sich die NATO wegen des Irakkriegs in einer Krise. Die europäisch-amerikanischen Beziehungen wurden durch die Konfrontation zwischen dem alten und dem neuen Europa beschädigt und die EU ist nach der Erweiterung mit sich selbst beschäftigt. Der Realismus, der sich seiner Meinung nach in der neuen Strategie widerspiegelt, ist nicht gleichbedeutend mit einer Zurückweisung des Westens: „Die Zeit ist gekommen, vom Himmel auf die sündige Erde hinunter zu steigen.“ Auf die Frage, was diese Aussage konkret bedeutet, antwortet Kutschma: „Es bedeutet, dass die volle Mitgliedschaft in EU und NATO immer noch einen wichtigen Bestandteil unserer Strategie darstellt.“
Kutschmas Kehrtwende – ein Affront gegen die EU?
„Die Ukraine klopfte an eine Tür, die ihr niemand öffnen wollte. Schon mehr als 14 Jahre bemüht sich die Ukraine um Integration in die EU-Strukturen, aber auch nach den letzten Gipfeln in Istanbul und Den Haag wartet sie vergeblich auf klare Signale und Zeitrahmen für eine Mitgliedschaft in den Organisationen.“ So oder ähnlich lauten die Begründungen, mit denen Offizielle wie der stellvertretende Außenminister und andere Kutschma nahe stehende Politiker die Entscheidung des Präsidenten rechtfertigen.
In der Tat fürchtet die Ukraine um ihren Platz am Tisch der europäischen Staaten. Schon seit 1997 fordert die Ukraine eine konkrete Beitritts- oder zumindest Assoziierungsperspektive, die, wie die Entwicklungsbeispiele der am 1. Mai dieses Jahres beigetretenen ost- und zentraleuropäischen Länder deutlich bewiesen haben, ein Stimulus für tief greifende Reformen hätte sein können. Der EU fehlt es aber seit der Unabhängigkeit der Ukraine an Enthusiasmus und strategischen Visionen hinsichtlich der zukünftigen Rolle dieses Landes im zusammenwachsenden Europa. Im Juni 1994 wurde das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine geschlossen, das vollständig allerdings erst im März 1998 in Kraft trat. Die weitergehende Zielsetzung einer Mitgliedschaft scheiterte sowohl auf dem EU-Gipfel in Helsinki 1999, wie auch ein Jahr später in Paris. Eine besondere Enttäuschung für die Ukraine war das Ergebnis des Europäischen Rates in Luxemburg vom Dezember 1997. Der Rat lud sechs Länder ein, mit den Beitrittsverhandlungen zu beginnen und benannte fünf weitere, die sich Hoffnungen auf einen baldigen Beginn von Verhandlungen machen konnten. Die Ukraine gehörte nicht dazu. 1999 ging die EU vorsichtig auf die Ukraine zu, indem sie immerhin „die europäischen Aspirationen der Ukraine anerkannte und ihre pro-europäische Wahl begrüßte.“ In der Ukraine begann sich die Wahrnehmung durchzusetzen, dass das Interesse der EU an einer strategischen Partnerschaft nicht besonders stark ausgeprägt war. Für weitere Verärgerung sorgte das „Wider Europe“-Konzept der EU von 2002, das die Ukraine auf eine Stufe stellte mit Ländern wie Marokko und Weißrussland. Enttäuschend verliefen die Verhandlungen mit der EU auch in Bezug auf die Gewährung des Status einer Marktwirtschaft, die sich seit Jahren ergebnislos dahinschleppen. Die EU (er)findet immer wieder neue Gründe, der Ukraine diesen Status zu verweigern, der aber eine Voraussetzung für den Beitritt zur WTO darstellt. Russland dagegen erhielt diesen Status bereits vor mehreren Jahren, obwohl es nicht alle Kriterien erfüllte.
Die EU begründet ihre Hinhaltetaktik mit dem berechtigten Hinweis auf erhebliche Defizite bei der Entwicklung von Demokratie, Bürgergesellschaft, Rechtsstaat und Pressefreiheit in der Ukraine. Die Ukraine gehört in der Tat nicht zu denjenigen europäischen Ländern, die die für einen Beitritt notwendige politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Reife vorweisen können. Der Westen fordert bereits seit Jahren von Kutschma tiefgreifende innenpolitische Reformen, zu denen dieser aber nicht bereit war, weil sie die Fortführung des „Systems Kutschma“ unmöglich gemacht hätten. Darüber hinaus war die Unterzeichnung des Vertrages zur Bildung eines Einheitlichen Wirtschaftsraums mit Russland, Weißrußland und Kasachstan im Dezember vergangenen Jahres kaum dazu geeignet, als vertrauensbildende Maßnahme seitens der Kutschma-Regierung in die Annalen der komplizierten und von gegenseitigen Missverständnissen geprägten Beziehungen einzugehen.
Für die EU ist der Verzicht der Ukraine auf eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft sicherlich weder eine große Überraschung noch eine traurige Nachricht. Zum einen hatte Kutschma in den vergangenen Wochen mehrfach betont, dass die EU-Mitgliedschaft zwar strategisches Ziel der Ukraine bliebe, sein Land dazu aber weder die politischen noch wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllte. Zum anderen hatte bereits am 26. April dieses Jahres der erste stellvertretende Premierminister Azarov eine Kursänderung angedeutet. Unter der Überschrift „Die Regierung ändert ihre EU-Integrationsprioritäten“ zitierte die Ukrainska Prawda aus einem Artikel zum Thema „Europäische Perspektiven“ Azarov wie folgt: “Seit langer Zeit hat sich die Ukraine intensiv um einen Fahrplan für eine EU-Mitgliedschaft bemüht, während sich die Union genau so lange um eine Lösung drückte. Deshalb haben wir unsere Prioritäten geändert: der unveränderte europäische Integrationskurs der Ukraine ist ganz und gar nicht gleichzusetzen mit einem Beitritt zur EU.“
Eine neue Strategie muss her.
Die Tatsache, dass Kutschma einer EU-Mitgliedschaft im Augenblick keine Priorität beimißt, sollte die EU nicht zu dem Fehlschluss verleiten, das Thema EU-Mitgliedschaft der Ukraine wäre von der Tagesordnung verschwunden und die EU hätte einen Mitgliedsaspiranten und damit ein großes Problem weniger. Ganz im Gegenteil. Es besteht kein Anlass auf diese Nachricht mit Krimsekt anzustoßen und auf das Wohl von Kutschma das Glas zu erheben. Im Falle eines nicht auszuschließenden Wahlsiegs von Juschtschenko bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen wird die Ukraine schneller wieder an die Tür in Brüssel klopfen als den Bürokraten dort lieb sein kann. Obwohl Juschtschenko in seinem Wahlprogramm die EU mit keiner Silbe erwähnt, wird seine Wählerschaft, die sich überwiegend im europaorientierten Westen befindet, von ihm erwarten, sehr schnell in Brüssel vorstellig zu werden. Er wird auf sein Begehren nach einer Mitgliedsperspektive rasche Antworten verlangen und sich nicht wie Kutschma jahrelang mit vagen Hinhalteparolen abspeisen lassen. Die EU wäre daher gut beraten, sich schon jetzt Gedanken über eine neue Strategie zu machen, die die Ukraine schneller enger in die europäischen Institutionen einbindet und die Beziehungen auf eine über Aktionsplan und Partnerschafts- und Kooperationsabkommen hinausgehende Ebene hebt. Ein neuer Kommissionspräsident und ein (hoffentlich Ukraine-freundlicher gesinnter) neuer Erweiterungskommissar sowie der von Polen und den baltischen Staaten ausgehende Handlungsdruck geben der EU die Gelegenheit, die Fehler der vergangenen zehn Jahre zu korrigieren. Am Anfang wären vielleicht sogar kosmetische Veränderungen ausreichend, indem man der Ukraine in einem ersten Schritt statt der „Nachbarschaft“ zum Beispiel eine „privilegierte Partnerschaft“ anbietet. Zusätzlicher Druck auf die EU könnte sich dadurch aufbauen, dass die EU der Türkei tatsächlich Beitrittsverhandlungen anbietet und die Ukraine unter Juschtschenko in Sachen Vollmitgliedschaft aufs Gaspedal drückt. Für diesen Fall kann man schon jetzt die Prognose wagen, dass sowohl die osteuropäischen Nachbarn der Ukraine, Polen als Speerspitze der Bewegung, aber auch die USA, die EU zu einer möglichst baldigen Aufnahme der Ukraine drängen werden, ähnlich wie es Amerika seit geraumer Zeit im Fall der Türkei allem Anschein nach nicht so erfolglos versucht. An einer reformorientierten Ukraine wird für die EU jedenfalls kein Weg vorbei führen, es sei denn, der oben zitierte polnische Staatspräsident hat Recht mit seinem Verdacht, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Ukraine bereits als Teil der russischen Einflußsphäre abgeschrieben haben. Ob die Ukraine tatsächlich in den russischen Orbit abgleitet, wird nicht zuletzt vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen abhängen.
Die innenpolitische Diskussion und die heftigen ausländischen Reaktionen zeigen, dass Kutschma mit seinem Federstrich einen höchst sensiblen Bereich berührt hat. Der Grad der aufgekommenen Aufregung steht jedoch in keinem Verhältnis zur Bedeutung seiner Handlung. Die Veränderung der Militärdoktrin dürfte bei EU und NATO Emotionen weder in die eine noch die andere Richtung ausgelöst haben. Man kennt Kutschma schließlich seit zehn Jahren. Es hat sich im Prinzip nichts geändert. Eine echte Kehrtwendung hat noch nicht stattgefunden. Erst der Ausgang der Präsidentschaftswahlen wird Aufschluss geben über den zukünftigen Kurs der Ukraine. Bis dahin wird es noch viele Anlässe für Spekulationen und Aufregungen geben, die aber im wesentlichen wahltaktisch begründet sein werden und auf den heimischen Markt zielen. Die Reaktionen in den östlichen EU-Ländern machen aber auch deutlich, dass, sollte die Ukraine nach den Wahlen mit Nachdruck das Ziel Vollmitgliedschaft in EU und NATO verfolgen, noch so mancher Stress aus dieser Ecke des Kontinents auf Brüssel zukommen wird.
Kutschmas letzte Hoffnung: Hilfe aus Russland
Die Tatsache, dass die Veröffentlichung der modifizierten Militärdoktrin fast zeitgleich mit der Ankunft von Putin auf der Krim erfolgte, ließ sogleich den Verdacht aufkommen, die neue Doktrin wäre Kutschmas freundliches Willkommensgeschenk an seinen russischen Amtskollegen. Kein Zweifel, Kutschma braucht die Hilfe des großen Bruders, denn der Präsidentschaftskandidat Janukowitsch, den Kutschma unterstützt und der ihm einen ungestörten Lebensabend, frei von Angst vor Strafverfolgung garantieren soll, schwächelt im Wahlkampfauftakt und hechelt schon seit Wochen hinter dem mit sechs bis zehn Prozentpunkten unter normalen Umständen fast uneinholbar in Führung liegenden Oppositionskandidaten her. Janukowitschs Chancen, Juschtschenko im Westen der Ukraine Stimmen abzujagen, wird trotz des voraussichtlichen Einsatzes sogenannter administrativer Ressourcen und der zu erwartenden Ergebnisfälschungen als gering angesehen. Im Osten sieht es für den amtierenden Premierminister erheblich besser aus, aber auch dort scheint Juschtschenko einen leichten Stimmenzuwachs verzeichnen zu können. Bleibt das Zentrum der Ukraine: nach Meinung von Experten werden die Wahlen dort entschieden. Kutschmas Erklärung zur Militärdoktrin, die von Putin begrüßt wurde, richtet sich also an die Wählerstimmen im bevölkerungsreichen Osten und Teilen des Zentrums, also Gebieten, deren größtenteils russischsprachige Bevölkerung im Gegensatz zum Westen mit überwältigender Mehrheit gegen die NATO eingestellt ist und eher in Richtung Einheitlicher Wirtschaftsraum als EU tendiert.
So standen im Mittelpunkt der Gespräche zwischen Kutschma und Putin der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und der Ukraine und die Weiterentwicklung des Projekts Einheitlicher Wirtschaftsraum. Beide Präsidenten wiesen auf die dynamische Entwicklung im Handel zwischen den beiden Ländern hin, der sich in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um fast vierzig Prozent auf knapp sechs Milliarden Dollar erhöht hat. Die Ukraine ist damit zum drittgrößten Handelspartner Russlands geworden. Von der Verwirklichung des Einheitlichen Wirtschaftsraums versprechen sich die Präsidenten eine Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen und eine effizientere und nachhaltige Nutzung des gewaltigen Wirtschaftspotentials der vier teilnehmenden Länder, denen der bekannte Transformations-Ökonom Anders Aslund als die „neuen Tiger“ an der EU-Ostgrenze eine glänzende Zukunft vorhersagte. Daher soll dieses Projekt mit Nachdruck vorangetrieben werden und „erste bedeutsame bilaterale Dokumente“ – man spricht von mehr als sechzig – bereits im September, also kurz vor den Wahlen, von der Ukraine und Russland unterzeichnet werden. Die Opposition stellt sich besorgt die Frage nach dem Inhalt dieser Dokumente und deren völkerrechtliche Relevanz. Werden etwa noch vor den Wahlen Pflöcke eingeschlagen, die sich später nach einem Wahlsieg von Juschtschenko nur schwer wieder beseitigen lassen? Für Irritationen sorgte auch Putins Bemerkung, dass die Fahrpläne zum WTO-Beitritt von Russland und der Ukraine auf einander abgestimmt werden sollen.
Das Treffen auf der Krim zeigte deutlich: hier treffen sich zwei Präsidenten, die auf einander angewiesen sind, denn beiden steht das Wasser bis zum Hals. Putin weiß, ohne die Ukraine ist der Einheitliche Wirtschaftsraum eine Fata Morgana. Ohne die Ukraine werden seine imperialen Träume in der Schublade verstauben. Nachdem sich die GUS, der bunte post-sowjetische Bauchladen, trotz vollmundiger Ankündigungen über den Status eines zahnlosen Tigers nicht hinaus entwickeln konnte und immer am Rande der Auflösung steht und auch GUUAM nur ein trauriges Schattendasein führt, wäre der „Verlust“ der Ukraine auch eine herbe persönliche Niederlage, deren innenpolitischer Schaden für Putin sich noch gar nicht ermessen läßt. Putins Anspruch als Architekt und Einiger eines neuen russischen Reiches würde zweifellos empfindlich beschädigt.
Viele russische Politikexperten vertreten die Auffassung, dass die Präsidentschaftswahl am 31. Oktober mehr ist als eine innere Angelegenheit der Ukraine. Sergei Markov, Direktor des Moskauer Instituts für Politische Studien, drückt die Gedanken der meisten Analysten aus: „Die Ukraine ist nur eine Schachfigur im geopolitischen Spiel des Westens gegen Russland.“ Mit dem Westen meint er an erster Stelle die USA und die vielen von ihr finanzierten NGOs in der Ukraine, die seiner Meinung nach „unter der Kontrolle der ‚Brzezinski Gruppe’ stehen“. Auch der sonst so beherrschte Putin polterte auf einer Pressekonferenz am 26. Juli gegen westliche Organisationen in der Ukraine los, die er als „Agenten bezeichnete, die innerhalb unserer Länder und von außen ihr Möglichstes tun, um die russisch-ukrainische Integration zu kompromittieren.“ Die englischsprachige Wochenzeitung Kyiv Post giftete in einem noch schärferen Ton zurück und schrieb, dass „imperialistische Gefühle ebenso fest im russischen Wesen verankert seien wie Geschmack an Wodka.“
Kutschma wiederum benötigt Putin als Wahlhelfer für Janukowitsch, der dringend auf die Stimmen im Osten und Zentrum angewiesen ist; Regionen, in denen sich der russische Präsident einer hohen Popularität erfreut, die sich auf Janukowitsch übertragen soll. Nachdem Russland zunächst die Entwicklung in der Ukraine abgewartet hatte, scheint sich Putin nun doch zu einer Rettungsaktion für Janukowitsch entschlossen zu haben. Ein überraschender Kurzbesuch des Chefs seiner Präsidialverwaltung Dmitrij Medwedew in Kiew und längere Aufenthalte bekannter russischer Wahlkampfexperten lassen vermuten, dass Putin alles auf eine Karte setzt, obwohl er selbst sich nicht zum Wahlkampf in der Ukraine äußert. Dafür finden andere deutliche Worte, wie zum Beispiel Viktor Che rnomyrdin. Der einflußreiche russische Botschafter und Putins Sprachrohr in der Ukraine, sprach sich öffentlich für Janukowitsch aus, weil dieser ein Garant für die Fortsetzung der guten bilateralen Beziehungen sei. Auch Gleb Pavlovsky, ein Vertrauter Putins, setzt seine Hoffnungen auf Janukowitsch, denn für ihn ist Juschtschenko „ein Mann der Westukraine, der das Land eher teilt als eint“ und damit eine Gefahr für die Stabilität darstellt.
Putin und Kutschma vereint aus unterschiedlichen Gründen ein Ziel: einen Wahlsieg Juschtschenkos mit allen Mitteln zu verhindern. Dafür ist Kutschma auch bereit, einen Preis zu zahlen. Eine Vorauszahlung hat er bereits geleistet, indem er die Odessa-Brody Pipeline an ein britisch-russisches Unternehmen verpachtete, das Ziel Mitgliedschaft der Ukraine in NATO und EU zumindest vorläufig aus der Militärdoktrin strich, eine Reduzierung des ukrainischen Truppenkontingents im Irak ankündigte (was Präsident Bush nicht erfreuen wird) und Russland Konzessionen hinsichtlich der gemeinsamen Verwaltung der Straße von Kertsch machte. Darüber hinaus warten noch einige leckere Filetstücke der ukrainischen Wirtschaft, wie zum Beispiel UKRTELEKOM, auf russische Käufer. Russische Geschäftsleute hatten sich in letzter Zeit bereits mit Erfolg auf eine ausgiebige Einkaufstour durch die Ukraine begeben, was die Internetzeitung ‚Zerkalo Nedeli’ kürzlich zu der provokanten Überschrift veranlasste: „Geschäftsaufgabe. Räumungsverkauf“. Nur bei der Privatisierung des größten Stahlwerks der Ukraine ‚Kryvorizhstal’ ist der russischen Bieter Severstal leer ausgegangen, obwohl er erheblich mehr geboten hatte: das Unternehmen ging weit unter Wert an die ukrainischen Oligarchen Achmetov und Pintschuk. Der mehrfache Milliardär Achmetov kommt wie Janukowitsch aus Donezk und gilt als dessen enger Vertrauter und Hauptfinanzier seines Wahlkampfs. Pintschuk stammt aus der benachbarten Oligarchenhochburg Dnipropetrowsk und ist der Schwiegersohn des Präsidenten Kutschma.
Angesichts der russischen Begehrlichkeit reiben sich die ukrainischen Geschäftsleute fassungslos die Augen und fragen sich besorgt, was für sie am Ende noch übrigbleiben wird. Ein großer Teil der Geschäftswelt betrachtet die Konkurrenz aus dem Nachbarland und die starke wirtschaftliche Abhängigkeit schon jetzt mit gemischten Gefühlen und sieht mit großem Unbehagen den Einheitlichen Wirtschaftsraum auf sich zukommen. Immer mehr Unternehmen werden vom Magnetismus des Euro-Blocks angezogen und realisieren, dass Geschäfte auf dem riesigen europäischen Markt lukrativer sind als auf dem Gebiet der alternativen „Ost-EU“ von Putins Gnaden. Geschäftsleute wie Pintschuk erkennen die Zeichen der Zeit und richten ihren Blick trotz der engen familiären Bande zu Kutschma in Richtung USA und EU. Sollten noch mehr einflussreiche Unternehmer seinem Beispiel folgen, besteht die berechtigte Chance, dass sich die Ukraine selbst bei einem Wahlsieg von Janukowitsch nicht von Russland vereinnahmen lassen wird. Solange die Unternehmer Geld verdienen, von den Steuerbehörden in Ruhe gelassen werden und sich nicht vor Verstaatlichungen, Reprivatisierungen und Vermögensumverteilungen zu fürchten brauchen, können sie sowohl mit einem Präsidenten Janukowitsch wie Juschtschenko leben. Pintschuk, der seinen Rückzug aus der Politik nach Ablauf der Legislaturperiode im März 2006 angekündigt hat, setzt auch hinsichtlich seines Verhältnisses zum Oppositionsführer Juschtschenko eher auf Neutralität als auf Konfrontation: seine Fernsehsender berichten im Gegensatz zum staatlichen und den vom Chef der Präsidialverwaltung Medwedschuk kontrollierten Sendern ab und zu über Juschtschenko und dann meistens sogar noch objektiv. Er hat wie andere Unternehmer auch zwar nur mit Verzögerung aber immerhin erkannt, dass nur eine demokratische und rechtsstaatliche Ukraine auf die Dauer eine Chance hat, als gleichberechtigter Partner in der Weltgemeinschaft anerkannt zu werden.
Ukraine, quo vadis? Im November sind wir klüger.
Die Ukraine befindet sich in einer mißlichen Lage. Sie ist zwischen zwei Mühlsteinen eingeklemmt und droht zermahlen zu werden: auf der einen Seite das mächtige Russland, das mit aller Kraft versucht, die Ukraine in seinen Orbit und damit in seine totale Abhängigkeit zu bringen und auf der anderen Seite nicht etwa Europa, wie man auf dem ersten Blick vermuten würde, sondern die USA, die schon vor Jahren die geo-strategische Bedeutung der Ukraine als Sprungbrett in den Kaukasus und als Nachbar Russlands erkannt haben und versuchen, ihren Einfluss in der Ukraine auf vielfältige Weise zu zementieren. Europa dagegen fixiert seinen Blick auf das große Russland und nimmt die Ukraine als größtes europäische Flächenland nur marginal zur Kenntnis, obwohl die EU und die Ukraine eine lange gemeinsame Grenze verbindet, die sich in einigen Jahren mit dem EU-Beitritt Rumäniens noch verlängern wird.
Die Ukraine bereitet sich auf die wichtigsten Wahlen seit ihrer Unabhängigkeit vor. Vordergründig geht es um die Wahl eines neuen Präsidenten. Es geht aber um mehr. Die Alternative lautet: entweder Fortsetzung der Macht der Clans und Oligarchen unter dem Schirm eines autoritären Russlands oder Entwicklung hin zu einer demokratischen Bürgergesellschaft in einem freien Europa. Der Wahlausgang ist nicht prognostizierbar. Durch administrative Ressourcen und Ergebnismanipulationen kann aus einem vermeintlichen Verlierer sehr schnell ein strahlender Sieger werden, wie die Bürgermeisterwahlen in Mukatschewo vor einigen Monaten eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Schon allein die Vermutung, dass möglicherweise Wahlkampfexperten aus Russland den „Kandidaten der Macht“ unterstützen, läßt nichts Gutes erahnen in Bezug auf Fairness und Transparenz der Wahlen. Hinzu kommt, dass Kutschma mit seinem freiwilligen Verzicht auf die Mitgliedschaft in NATO und EU die Hemmschwelle für Manipulationen abgesenkt hat, denn die Drohungen der Organisationen, der Ukraine im Falle von gravierenden Unregelmäßigkeiten bei der Wahl keine Mitgliedsperspektiven anzubieten, ist schon jetzt durch den Selbstverzicht verpufft und wirkungslos. Und das Arsenal der Möglichkeiten auf die Regierung einzuwirken, ohne die Bevölkerung zu treffen, ist sehr begrenzt. Sollten die Wahlen nach den Vorstellungen Putins verlaufen, könnte die EU bald eine sehr lange Grenze mit Russland haben.
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