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„Die Österreicher haben bei der Wahl eine Richtungsentscheidung getroffen für Veränderungen in unserem Land,“ so Kurz. Nachdem der Bundespräsident das Programm und die Ministerliste bewilligte, wurde der erst 31-jährige bisherige Außenminister Kurz am Montag, den 18. Dezember 2017, als 29. österreichischer Bundeskanzler angelobt.
Demonstrativ präsentierten die beiden Parteichefs das Regierungsprogramm sowohl vor einer österreichischen als auch vor einer EU-Flagge. Eine vermeintliche europaskeptische Haltung der neuen Regierung, wovor viele Beobachter Sorge hatten, wurde somit unmittelbar symbolisch verneint. Österreich werde weiter „als aktiver und zuverlässiger Partner an der Weiterentwicklung der EU mitwirken,“ heißt es im Regierungsprogramm. Im Mittelpunkt der österreichischen Europapolitik soll das Prinzip der Subsidarität stehen, wonach die EU nur in den Bereichen tätig werden kann, in denen sie effizienter handeln kann als die Mitgliedsstaaten.
Eine grundsätzliche pro-europäische Ausrichtung der Regierung zeichnet sich auch in der Besetzung der Kabinettsposten ab. EU-Themen werden vom Außenministerium ins Kanzleramt verlegt, wo Kurz seinen engen Vertrauten Gernot Blümel als Kanzleramtsminister für diese Themen einsetzte. Eine solche Kompetenzverlagerung gab es auch bei früheren Regierungen. Außenministerin wird die parteiunabhängige Karin Kneissl, die von der FPÖ nominiert wurde. Kneissl, die einen familiären ÖVP-Hintergrund hat, ist vor allem als Nahost-Expertin bekannt.
Die Verhandlungen für die türkis-blaue Koalition begannen am 25. Oktober 2017, nur zehn Tage nach der Nationalratswahl, bei der die ÖVP mit 31,52 Prozent der Stimmen vor der sozialdemokratischen SPÖ (26,86 Prozent) und der rechtspopulistischen FPÖ (26,04 Prozent) landete.
Sebastian Kurz, der erst im Mai den ÖVP-Parteivorsitz übernahm und anschließend die Koalition mit der SPÖ beendete, war der große persönliche Gewinner der Wahl. In nur kurzer Zeit schaffte es der ÖVP-Spitzenkandidat, die damalige inner-parteiliche Zerklüftung in der ÖVP zu überwinden und gleichzeitig die Gunst der Wähler zu gewinnen. Er nutzte dabei vor allem eine innovative Kommunikationsstrategie, die seiner Kampagne Züge einer gesellschaftlichen Bewegung gaben. Durch die wiederholte Benutzung von Begriffen wie Reform und Veränderung vermittelte er den österreichischen Bürgern eine Absetzung gegen die österreichische Tradition langjähriger großer Koalitionen und den fest etablierten Proporz. Er verkörpert damit einen inhaltlichen und stilistischen Neuanfang.
Im Wahlkampf spielten vor allem die Themen Migration und Asyl eine besondere Rolle, Themen die gerade Kurz zu seinen Hauptanliegen im Wahlkampf machte. Welche Resonanz er damit bei den Wählern erzeugte, zeigen Umfragen vom Wahltag, wonach 42 Prozent der Wähler die ÖVP vorwiegend aufgrund des Spitzenkandidaten Kurz gewählt hatten.
Aufgrund dieser inhaltlichen Nähe zwischen der von Kurz geführten ÖVP und der seit jeher migrationskritischen FPÖ war ein Zustandekommen der Koalition bereits vor der Wahl erwartet worden. Neben der Migrationspolitik bestand eine grundsätzliche Einigkeit bei der finanziellen Entlastung der Bürger, bei der Deregulierung, der inneren Sicherheit und der Bildungspolitik.
In der Steuerpolitik will die neue Regierung die Abgabenquote auf 40 Prozent senken (aktuell 43,2 Prozent) und die Erhebung der Steuern vereinfachen und zentralisieren. Auch die Umsatzsteuer auf Übernachtungen soll von 13 Prozent auf 10 Prozent gesenkt werden, um den Tourismus zu fördern.
Die beiden Parteien setzten sich zum Ziel, Österreichs Verwaltungssystem zu entbürokratisieren und zu deregulieren. So sollen die Arbeitszeiten flexibilisiert werden. Neue Gesetze sollen in Zukunft einem „Bürokratie-Check“ unterzogen werden.
Im Bereich Sicherheit planen die Parteien 2000 zusätzliche Stellen bei der Polizei sowie die Möglichkeit einer Datenspeicherung bei Verdachtsfällen. Eine „massenwirksame Überwachung“ soll es nicht geben, wie es im Regierungsprogramm heißt.
In der Bildung legen die zukünftigen Regierungsparteien Wert auf ausreichende Deutschkenntnisse vor Schuleintritt. Bei Bedarf soll es dazu auch verpflichtende Sprachförderung geben. Beendet werden soll die Schullaufbahn erst, wenn ausreichend Kompetenzen in den Kernbereichen Lesen, Schreiben und Rechnen festgestellt wurden. Nur so könne das Aufstiegsversprechen durch Bildung gewährleistet werden, so Kurz bei der Vorstellung des Programms. Außerdem wollen die Parteien Schulnoten in der Grundschule wieder verpflichtend machen.
Unterschiedliche Ansichten bei den bei-den Parteien gab es vor allem bei der Europapolitik und beim Thema Rauchverbot. Bei Europa setzte sich wie beschrieben die ÖVP durch und verankerte eine klar pro-europäische Linie im Regierungsprogramm. Dagegen konnte die FPÖ erreichen, dass es kein generelles Rauchverbot im Gastronomiebereich geben wird. Ein solches hatte die ausgehende Regierung für Mai 2018 beschlossen.
Insgesamt wird die ÖVP acht Minister stellen, darunter die wichtigen Finanzminister (Hartwig Löger) und Wirtschaftsministerin (Margarete Schramböck). Die FPÖ bringt sechs Minister in die Regierung ein, darunter die Außenministerin (Karin Kneissl), den Innenminister (Herbert Kickl) und den Verteidigungsminister (Norbert Hofer). Auf Seiten der ÖVP fällt auf, wie sehr Kurz bei der Besetzung der Ministersposten auf persönliche Vertraute setzt. Kurz hatte sich als Parteivorsitzender das Recht gesichert, die Ministerposten alleinverantwortlich zu besetzen, musste letztlich allerdings doch Kompromisse mit den mächtigen ÖVP-Landesverbänden suchen.
Nach der Angelobung durch den Bundespräsidenten van der Bellen will sich die neue Regierung am Dienstag erstmals dem Parlament stellen. Bereits am nächsten Tag soll der erste internationale Auftritt des neuen Bundeskanzlers Kurz folgen: Er wird nach Brüssel reisen.
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