100 Tage Claudia Sheinbaum
Nach 100 Tagen im Amt zog die erste Präsidentin Mexikos, Claudia Sheinbaum Pardo, eine erste, ausgesprochen positive Bilanz. Natürlich wusste sie aber genauso gut wie alle Beteiligten im In- und Ausland, dass ihre Amtszeit als mexikanische Staatschefin erst mit dem zweiten Amtseid von Donald Trump am 20. Januar so richtig „losging“.
Nichtsdestotrotz ließ sich die Señora Presidenta acht Tage zuvor auf dem Zócalo, dem zentralen Platz in Mexiko-Stadt, ausgiebig feiern. Rund 300.000 Zuschauer wurden wie zu besten PRI-Zeiten aus allen Landesteilen in Mexiko-Stadt zusammengetrommelt. Die MORENA-Gouverneure waren in der Bringschuld, eine überzeugende Präsenz des „Volkes“ mittels umfangreicher Bustransfers zu gewährleisten, genau wie die ebenso verpflichteten Gewerkschaftsorganisationen.1 Es sollte eine angemessene Atmosphäre der Zustimmung geschaffen und vermittelt werden. Allerdings muss der Präsidentin an dieser Stelle zugestanden werden, dass sich ihre Zustimmungswerte nach gut drei Monaten im Amt zwischen 77-80% bewegen, was unter anderem auch an den sich verbal hochschaukelnden Auseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten und insbesondere an Trumps Drohungen liegen mag (s.u.).
In ihrer Rede beschwor Sheinbaum immer wieder das Volk als Legitimation und Ziel aller Politik, die Größe und Souveränität des Landes und, dass man sich niemandem unterordnen werde. Sie verstieg sich sogar zu der Aussage, dass Mexiko nun das demokratischste Land der Welt sei (sic!), was, so Sheinbaum, ganz wesentlich auch der (höchst umstrittenen) Justizreform geschuldet sei, die sie von ihrem Vorgänger und politischen Übervater AMLO (Andrés Manuel López Obrador) erbte. Im Juni wird diese Reform in einem ersten Schritt zunächst Direktwahlen von mehr als 800 Bundes- und Landesrichterposten zur Folge haben. Zu erwarten ist eine drastische Schwächung der Judikativen, der Unabhängigkeit der Justiz und der Arbeitsfähigkeit von Richtern bzw. Gerichten im gesamten Land. Das Wahlverfahren wird unvermeidlich zu einer stärkeren Politisierung und Korrumpierung der Justiz führen, dem ohnehin zunehmenden Einfluss der organisierten Kriminalität werden Tür und Tor geöffnet.
Auch die pharaonischen Projekte AMLOs (Hauptstadtflughafen AIFA, Ölraffinerie Dos Bocas, staatliche Fluggesellschaft Mexicana mit nunmehr noch ganzen zwei Flugzeugen etc.) wurden von der Präsidentin gefeiert und eine Fortsetzung garantiert. Zudem kündigte sie weitere Sozialprogramme an, was angesichts der steigenden Staatsverschuldung und der besorgniserregenden Perspektiven des öffentlichen Haushalts ein fragwürdiges Spiel ist. Die Wiederverstaatlichungen von PEMEX (Öl) und CFE (Strom) sind ebenfalls Milliardengräber, die die fiskalische Gesamtsituation verschärfen.
Demgegenüber ist die rechtlich verbindliche Erhöhung des Mindestlohns (mindestens in Höhe der jährlichen Inflation) nicht nur populär, sondern in Anbetracht der Armutsraten sozialpolitisch sinnvoll und notwendig. Allerdings werden von der Maßnahme logischerweise nur formal Beschäftige profitieren, der hohe Anteil der Menschen, die im informellen Sektor tätig sind, geht leer aus. Neben der Justizreform und der Abschaffung fast aller autonomen staatlichen Kontrollinstanzen2 sowie der finanziellen Gängelung und de facto Gleichschaltung des ehemals relevanten und angesehenen Wahlinstituts INE stehen nun weitere Verfassungsänderungen vor allem beim Wahlrecht an, die die Dominanz von MORENA zementieren und mittelfristig absichern sollen.
Außenpolitisch kann man konstatieren, dass Sheinbaum zumindest Interesse und persönliche Präsenz an den Tag legt, was man bei ihrem Vorgänger sechs Jahre lang schmerzlich vermisste. In Anbetracht dessen war ihre Teilnahme am G20-Gipfel in Rio de Janeiro im November bereits positiv zu werten. Damit ist der neben Brasilien und Argentinien zentrale Player in Lateinamerika zwar nicht unmittelbar zurück auf der globalen Bühne, aber auf dem richtigen Weg, das internationale Parkett wieder stärker zu frequentieren. Mexiko sollte sich seiner Größe, geostrategischen Bedeutung und wirtschaftlichen Stärke entsprechend an der Lösung regionaler und globaler Herausforderungen unbedingt aktiver beteiligen – auch aus Eigeninteresse.
Plan México – ambitioniert oder schlicht illusorisch?
Ebenfalls im Januar stellte die mexikanische Regierung eine neue wirtschaftliche Agenda unter dem Namen Plan México vor.3 Es handelt sich hierbei um einen überaus ambitionierten industriellen Entwicklungsplan, der Mexiko bis zum Jahr 2030 zur zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt machen soll (aktuell Platz 12). Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos versuchten Vertreter der Regierung bereits potenzielle Investoren von dem Plan zu begeistern. Unter anderem will man mehr als 28% des BIPs für öffentliche und private Investitionen aufwenden, 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen, die nationale Eigenproduktion in Schlüsselindustrien wie Automobil, Luftfahrt und Pharma auf 15% steigern und Armut wie Ungleichheit drastisch reduzieren.
Auch wenn das eigene Vorhaben von der Administration ausgiebig als „Vision“ gefeiert wurde und sich Unternehmer- und Arbeitnehmerverbände positiv äußerten, ist bei genauerer Analyse zumindest Vorsicht, wenn nicht gar eine gehörige Portion Skepsis, angebracht. Die Absicht der Stärkung der industriellen Kapazitäten Mexikos unter besonderer Berücksichtigung der klein- und mittelständischen Industrie ist sicher ebenso lobenswert wie die deklarierte Absicht (mittels Importsubstitutionen) die Abhängigkeit von chinesischen Produkten zu reduzieren. Dies ist auch als Hinweis an die USA intendiert, um nordamerikanische Einigkeit zu signalisieren und ausländische Direktinvestitionen im Kontext des sich abflachenden Nearshoring-Trends wieder zu steigern. Allerdings sind die im Plan México formulierten Dimensionen doch sehr optimistisch, vor allem angesichts der strukturellen Probleme bzw. der allzu offensichtlichen Defizite:
- Unzureichende Energieversorgung, speziell mit erneuerbaren Energien, nachdem die Energiewende unter AMLO quasi abgebrochen wurde;
- Verstärkte rechtliche Unsicherheit im Zuge der jüngsten Justizreformen;
- Bestehende physische Unsicherheit durch die ausufernde Gewalt im Land und die zunehmende Macht der organisierten Kriminalität, der Drogenkartelle etc.;
- „Bedrohungsszenario Trump“, das fast täglich die Existenz des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA/T-MEC (ehemals NAFTA) in Frage stellt, Importzölle auf mexikanische und kanadische Produkte androht und ein Klima der Unsicherheit schafft.
Dass die mexikanische Regierung auf dezentrale Entwicklungspole setzt, Instrumente zur Finanzierung von öffentlichen Investitionen ausbauen und das Konzept der Ausbildung stärken will, ist sicher lehrbuchmäßig, stimmt aber mit der aktuellen Realität schlicht nicht überein. Wie dies alles in knapp fünf Jahren gelingen soll, ist schleierhaft, zumal keine Konzepte vorliegen, wie das Vorhaben von staatlicher Seite finanziert werden soll. Der aktuelle Haushalt steht schon jetzt durch massive Sozialprogramme und subventionslastige Großprojekte schwer unter Druck und lässt kaum Spielraum für derart ambitionierte Pläne.
Auch ist nicht plausibel nachzuvollziehen, wie die Privatindustrie im In- und Ausland, die derzeit sämtliche Neuinvestitionen aufgrund der oben aufgeführten Unsicherheiten zurückhält, zu einem derartigen industriellen und finanziellen Engagement motiviert werden soll. Eine gehörige Prise Realismus wäre womöglich sinnvoll gewesen, um die eigene Glaubwürdigkeit und den Vertrauensvorschuss der neuen Regierung zu bewahren und nicht in Kürze – sollte der amerikanische Präsident seine Drohungen nur ansatzweise umsetzen – zurückrudern zu müssen.
Globalabkommen EU-Mexiko – Nun also doch? Oder doch nicht?
Völlig überraschend vermeldete die EU-Kommission am 16. Januar mittels Pressemitteilung4 den Durchbruch und Abschluss (sic!) der Verhandlungen zwischen Mexiko und der Europäischen Union über das modernisierte Globalabkommen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Handelskommissar Maroš Šefčovič, die Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik Kaja Kallas sowie Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen ließen sich allesamt mit fast überschwänglichen Worten zitieren und bedankten sich namentlich beim mexikanischen Wirtschaftsminister Marcelo Ebrard und beim Außenminister Jose Ramón de la Fuente für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, der nur noch auf beiden Seiten ratifiziert werden müsse.
Schon 2018 standen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss, der scheidende mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto wollte allerdings seinem Nachfolger AMLO die finale Entscheidung überlassen und so verlief die Erneuerung des Abkommens von 2000 im Sand. Jeder Versuch seitdem das komplexe Thema erfolgreich zu beenden ist gescheitert, gegenseitige Schuldzuweisungen wurden zur Norm. Das überaus ambitionierte Abkommen mit weitreichenden Verpflichtungen in Bereichen wie Handel, Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Multilateralismus sollte die Position der EU als Handels- und Kooperationspartner Mexikos absichern und erweitern. Das dezidierte Desinteresse AMLOs an internationalen Fragen und die erkennbaren Widerstände und Widersprüche, insbesondere in Fragen nachhaltiger Energien, innerer Sicherheit und zuletzt der verabschiedeten Justizreform schienen einen Abschluss in immer weitere Ferne zu rücken.
Umso erstaunlicher und überraschender kam dieser vermeintliche Durchbruch nur wenige Tage vor der Amtseinführung Trumps in den USA und ohne jede „Vorwarnung“ oder Leak in Brüssel und Mexiko-Stadt. Warum vermeintlich?
Die durchaus plausible Annahme, dass man auf beiden Seiten vor besagter Amtsübernahme ein Signal in Richtung Washington senden wollte, wurde nämlich wenige Tage später von Claudia Sheinbaum höchstselbst wieder eingefangen. Es mutete schon verwunderlich an, dass die „Erfolgsmeldung“ ausschließlich von den Brüsseler Institutionen und Entscheidungsträgern kommuniziert wurde, während die mexikanische Seite das Ergebnis nicht einmal erwähnte. In ihrer allmorgendlichen Pressekonferenz am 21. Januar überbrachte dann die Präsidentin die überraschende Klarstellung, dass man sehr erfreut über die Fortschritte in den Verhandlungen mit der EU sei, dass diese aber noch nicht abgeschlossen seien und, dass man vermelden könne, das Kapitel „Energie“ nun komplett aus der Vereinbarung gestrichen zu haben.
Unterschiedlicher könnten die Darstellungen beider Seiten mit einem Abstand von fünf Tagen nicht sein. Offizielle Stellungnahmen aus Brüssel zu dieser Klarstellung aus Mexiko sucht man bisher vergebens, auch medial wurde dieser offenkundige Widerspruch nicht aufgegriffen. Wurde man in Brüssel möglicherweise genauso überrascht, wie die meisten politischen Beobachter in Mexiko? Wer nun wen hat auflaufen lassen oder im Glauben eines Verhandlungserfolges gelassen hat, ist völlig unklar. Die Beziehungen zwischen Europa und Mexiko werden nach dem vermeintlichen Durchbruch durch eine derartige Diskrepanz in der Wahrnehmung und der offiziellen Kommunikation allerdings sicher nicht gestärkt. Es scheint fast als wolle Claudia Sheinbaum in ihrem Kabinett und in Brüssel alle handelnden Akteure daran erinnern, dass in Mexiko die Präsidentin das letzte Wort hat.
Donald Trump wieder im Amt – Konsequenzen für Mexiko?
Seit dem 20. Januar ist die komplette mediale und politische Aufmerksamkeit sowieso gen Norden gerichtet. Bereits im Vorfeld seiner Amtsübernahme hatte Donald Trump in dem ihm eigenen Stil lautstark und rustikal seine Vorstellungen über das künftige Verhältnis zwischen den USA und Mexiko angekündigt und ist dabei nicht vor handfesten Drohungen zurückgeschreckt. Es geht vorrangig um drei Themen, die in Teilen interdependent sind: Migration, Handel und organisierte Kriminalität/Drogen.
Seine Drohungen richten sich unisono sowohl gegen Kanada wie auch gegen Mexiko, was in dieser Schärfe vor allem für die Kanadier ein Novum im nordamerikanischen Dreiecksverhältnis bedeutet. Die dortige Regierung mit Noch-Premierminister Justin Trudeau, sekundiert von einigen Provinzgouverneuren, war schnell auf Differenzierung bedacht und verschärfte ihrerseits den Ton gegenüber Mexiko bis hin zur Möglichkeit einer Aufkündigung des Freihandelsabkommens zwischen den drei Ländern, um die Freihandelsbeziehung mit den USA zu retten. Die gemeinsame Bedrohung durch Trump führt insofern keineswegs zu einem Schulterschluss zwischen Kanada und Mexiko, sondern eher zu zusätzlichen Spannungen.
Was es mit den Drohungen im Vorfeld auf sich hatte, verdeutlichte Trump in den ersten Tagen als neuer/alter Präsident eindrucksvoll: Nicht nur erließ er eine Flut von executive orders, er signalisierte auch das eindeutige Festhalten an den genannten politischen Prioritäten mit konkreten Maßnahmen, die in ihrer gesamten Dimension und Tragweite nur zu erahnen sind.
Beim Thema Migration setzte Trump einerseits an den eigenen Einwanderungsgesetzen an und hob das bisherige sog. CBP One-Verfahren auf, auf dessen Basis Asylanträge nach Überschreiten der US-Grenzen gestellt wurden. Andererseits ließ er das alte Verfahren Stay in Mexico bzw. Quédate en México wieder aufleben, nach welchem Asylanträge vor dem Grenzübertritt gestellt werden müssen. Die angekündigten Abschiebungen illegaler Einwanderer aus den USA begannen unmittelbar, allerdings bisher nicht in der befürchteten Größenordnung, da damit wohl auch die US-amerikanischen Behörden überfordert wären.
Die Verlagerung weiterer Truppen an die Südgrenze hat zunächst symbolischen Charakter, während die Schließung der Einwanderungsprozedere aktuell die komplexere Herausforderung darstellt. Viele Migranten aus Zentralamerika, der Karibik, Venezuela und sogar Afrika sind Richtung Norden unterwegs und müssen nun erst einmal in Mexiko bleiben bzw. an der Grenze aufgehalten werden, bei derzeit eisigen Temperaturen und unzureichenden Aufnahmekapazitäten.
Hinzu kommen erste Rückführungen, wobei die mexikanische Regierung zwar spontan alle möglichen Unterstützungen finanzieller und logistischer Natur zugesagt hatte, um eine Rückführung in die jeweiligen Heimatorte zu gewährleisten. Dies gilt aber ausdrücklich nur für mexikanische Staatsbürger.5 Was mit den übrigen Migranten passieren wird, ist ein Rätsel. Erste Transporte mit US-Militärmaschinen nach Guatemala sind symbolisch sicher „beeindruckend“, werden quantitativ aber kaum ausreichen Trumps Ideen umzusetzen. Internationale Spannungen traten bereits am ersten Wochenende seiner Präsidentschaft mit Kolumbien und Brasilien auf.6 Die Probleme an der Grenze werden ohne Zweifel zunehmen, da auch im Kontext der dort agierenden Drogenkartelle eine weitere Eskalation der Gewalt zu erwarten ist.
In der Handelspolitik sind die angekündigten Importzölle von 25% auf kanadische und mexikanische Waren ab dem 01. Februar für den Moment noch eine Drohung; ob und wie sich diese materialisieren könnten, wird man in Kürze sehen. Dass die Drohung inhaltlich mit dem Eindämmen der Migration verknüpft wird, zeigt, dass „nur“ Verhandlungsdruck aufgebaut werden soll. Allerdings steht die Gültigkeit des T-MEC als solches auf dem Spiel, welches ggf. nicht erst wie vorgesehen im Jahr 2026 zur Revision ansteht, sondern auch komplett neu verhandelt werden könnte. Ob eines der wichtigsten Freihandelsabkommen der Weltwirtschaft dann weiter umfänglich Bestand haben oder ggf. nach Sektoren und Sparten differenziert wird, ist völlig offen.
Diese Unsicherheit bereitet nicht nur der mexikanischen Regierung, sondern auch der in Mexiko tätigen in- und ausländischen Firmen große Sorgen. Die Automobilindustrie aus Deutschland, Korea und Japan mit substanziellen Produktionsstandorten im Zentrum Mexikos müsste dann sicherlich ihre Strategien und Kostenstrukturen von Grund auf neu berechnen. Es darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die US-amerikanische Automobilindustrie – allen voran Tesla – ebenfalls beachtliche Investments im Land hat. So oder so könnte der viel zitierte Nearshoring-Effekt, der in Mexiko noch nicht wirklich Wirkung entfaltet hat, unter diesen Bedingungen schon bald wieder verpuffen.
Was das Thema Sicherheit angeht, ist die Klassifizierung der Drogenkartelle als ausländische Terrororganisationen mehr als nur Definitionssache. Sie stellt die rechtliche Grundlage für operative Maßnahmen US-amerikanischer Streitkräfte auf mexikanischem Boden dar, was selbstredend von der anderen Seite mit dem allergrößten Argwohn aufgenommen wird. Auf Nachfrage von Journalisten schloss Trump die Entsendung militärischer Einheiten nach Mexiko nicht aus, wobei auch in diesem Fall diese gezielte Andeutung Kalkül und Aufforderung zum Handeln sein dürfte. Vor diesem Hintergrund haben angekündigte Vorhaben wie die Umbenennung des Golfs von Mexiko in Golf von Amerika oder die Schließung der spanischsprachigen Webseite des Weißen Hauses eher nebensächlichen Charakter.
Ausblick
Auf Seiten der mexikanischen Regierung ist man einerseits in Richtung Trump um verbale Deeskalation bemüht und versucht sich als ebenbürtigen, seriösen Partner zu positionieren. Andererseits ist die tägliche Betonung staatlicher Souveränität und das Beharren auf territorialer Integrität ein interner Appell an den ausgeprägten mexikanischen Nationalstolz. Damit schafft Claudia Sheinbaum einen verbindenden Schulterschluss nahezu aller politischen Kräfte und auch mit der Privatwirtschaft Mexikos. Wenn es um die Nation geht, hat Opposition keine Chance.
Allerdings macht in diesem Kontext die wenig positive Botschaft aus Washington oder die fehlende hochrangige Präsenz mexikanischer Kabinettsmitglieder (etwa Wirtschaft, Außen, Sicherheit) rund um die Amtseinführung Trumps Mexiko eher zu einem betroffenen Beobachter als zu einem eigenständigen und gleichgewichtigen Verhandlungspartner. Das Argument, dass Mexiko im Jahr 2024 zum wichtigsten Handelspartner der USA aufstieg (vor Kanada und China) und somit ein gewisser Grad der Interdependenz besteht, mag zutreffen.7 Genauso ließe sich argumentieren, dass die Amerikaner enorm von mexikanischer Einwanderung profitieren und bei der Sicherheitsthematik Washington eine Verantwortung habe wegen der Nachfrage nach Drogen in den USA und der aus den USA stammenden Schusswaffen. Allerdings bestimmt derzeit eindeutig Donald Trump die Themen, den Diskurs, die Dynamik und den Takt in Nordamerika und da sind gute Argumente nicht immer ausreichend.
1 Sheinbaum stützt ihre Macht parlamentarisch auf das linkspopulistische Regierungsbündnis von MORENA (Bewegung der nationalen Erneuerung), PT (Partei der Arbeit) und PVEM (Grüne Ökologische Partei Mexikos).
2 Details: Cuáles organismos autónomos desaparecen y qué va a pasar con sus funciones | Verificado
3 Siehe: https://dev-plan-mexico.infotec.mx/
4 Europäische Kommission: Globalabkommen EU-Mexiko
5 Unter dem Motto México te abraza (Mexiko umarmt dich, was unweigerlich erinnert an die gescheiterte Sicherheitsstrategie AMLOs abrazos, no balazos) wird der Bustransport in Heimatregionen, die Aufnahme in staatliche Hilfsprogramme und Sozialversicherung sowie eine Guthabenkarte mit $2000 MXN (etwa 90 Euro) gewährt.
6 Der kolumbianische Präsident Petro verweigerte zunächst zwei US-Abschiebeflügen die Landung in Kolumbien mit Verweis auf die unmenschliche Behandlung der an Bord befindlichen Personen. Trump reagierte sofort mit der Drohung von Zöllen auf kolumbianische Waren und die komplette Aussetzung der Visaerteilung für kolumbianische Staatsbürger. Daraufhin lenkte Petro unmittelbar ein, die Flugzeuge konnten landen.
7 Im Zeitraum Jan-Nov 2024 betrug das Handelsvolumen der USA mit Mexiko 776 Mrd. USD, mit Kanada 699,6 Mrd. USD und mit China 532,4 Mrd. USD. Insgesamt 15,6% der Importe in den USA kommen aus Mexiko (Daten aus El Financiero 22.1.2025 „Ordena Trump revisar la politica comercial“).
Teemad
Koostaja:
Auslandsbüro Mexiko
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