In der Veranstaltungsreihe „Europabilder“ werden Botschafter europäischer Länder gebeten, anhand von Fotos, die einen Aspekt der europäischen Geschichte oder Gegenwart zeigen, ihre Gedanken und Ansichten zur EU zu erläutern.
„Europa muss sämtliche Identitätsschichten eingliedern“
Hurezeanu wählte als erstes Bild ein Foto der britischen Premierministerin Theresa May, die mit ihrem roten Blazer aus den in schwarze Anzüge gekleideten Politikern heraussticht und sich – im Gegensatz zu den Männern – zu der Kamera hindreht. Daneben stand ein Foto, auf dem ein Soldat in Uniform sich umdreht und in die Kamera lächelt, während alle anderen Soldaten in der Formation den Blick geradeaus richten. Sowohl May als auch der Soldat treten damit aus der Masse und werden als Individuen wahrgenommen. Sie bestärken so ihre Identität. Der Botschafter überträgt dieses Bild auf die Mitgliedsländer der Europäischen Union: „Wird über Europa gesprochen, werden oft die unterschiedlichen Identitäten der EU-Länder missachtet“, kritisierte der Rumäne. Die fokussierten Personen auf den Bildern seien „einzigartig in einem homogenen Ensemble“ und stünden symbolhaft dafür, dass die EU den unterschiedlichen Identitäten noch mehr Beachtung zollen müsse.
„Politik der kollidierenden Emotionen“
Die Politik der kollidierenden Emotionen “dominiere alle Gesellschaften“, so Hurezeanu. Dabei bezieht er sich auf den Autor Uffa Jensen, der dieses Phänomen als „Zornpolitik“ bezeichnet. Anhand des Fotos eines eskalierenden Konfliktes bei einer Demonstration in Bukarest erklärte der Masterabsolvent für internationale Beziehungen und Strategien, dass die Bevölkerung sich ernst genommen fühlen möchte. Daran anknüpfend verwies er auf den Philosophen Peter Sloterdijk, dem zufolge Zivilcourage und Beherztheit von Menschen „politisch zaghaften Bevölkerungen die Freuden der Demokratie näherbringt.“
Hurezeanu sieht Zivilcourage und Beherztheit auch bei den Bürgern seines Heimatlandes und nennt als Beispiel das erst kürzlich gescheiterte Referendum über die Aufnahme des Verbots der gleichgeschlechtlichen Ehe in die rumänische Verfassung. Das Referendum war von einer konservativen Volksinitiative initiiert worden, die forderte, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden dürfe. In einer Reihe von Mitgliedsstaaten der EU ist die Heirat gleichgeschlechtlicher Paare möglich. Für Hurezeanu ist deshalb das gescheiterte Referendum ein deutliches Zeichen der „pro-europäischen Haltung der Mehrheit in Rumänien“.
„Ein Europa der Zentripetal-, nicht der Zentrifugalkräfte“
Der Botschafter beklagte, dass zu oft die Schwächen der EU öffentliche Beachtung fänden, während über ihre Vorzüge und Stärken kaum berichtet werde. Es sei sehr wichtig, diese Tendenz umzukehren und zukunftsorientiert zu denken. „Nur durch das Verständnis der einzelnen Identitäten und […] auf Basis neuer gemeinsamer Werte“ sei es möglich, „ein Europa der Zentripetal-, nicht der Zentrifugalkräfte“ zu schaffen.
Gute deutsch-rumänische Beziehungen
Im anschließenden Gespräch mit dem Journalisten Malte Zeeck diskutierten die Panelisten mit dem Publikum Probleme und aktuelle Themen Rumäniens. Der Botschafter beantwortete auch schwierige Fragen, etwa nach der Bekämpfung der Korruption und der Rolle der „alten Seilschaften“. Der Diplomat, der seit 2016 im Amt ist, lobte die guten bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien. Jedoch sei Rumänien „unter dem Radar der deutschen Öffentlichkeit“. Insbesondere im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit sieht er noch „Luft nach oben“ und wünscht sich einen noch intensiveren Austausch.
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