Varade publitseerija

Ürituste kokkuvõtted

60 Jahre Pragmatismus?

kohta Rita Schorpp

Sicherheitspolitik in den deutsch-israelischen Beziehungen

Vortrag von Marcus Mohr M.A., Politologe und Historiker; Buchtipp: Marcus Mohr: Waffen für Israel. Westdeutsche Rüstungshilfe vor dem Sechstagekrieg, Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Bd. 9, Verlag Dr. Köster, Berlin, 2003.

Varade publitseerija

„60 Jahre Pragmatismus, Sicherheitspolitik in den deutsch-israelischen Beziehungen“ – das ist zunächst eine schwierige Begrifflichkeit. Im Vorfeld meines Vortrags gab es durchaus Diskussionen, ob man das Thema so formulieren kann. „Sicherheitspolitik“ ist sehr weit gegriffen. Ich werde heute Abend hauptsächlich auf militärische Sicherheitspolitik eingehen. Zum einen vereinfacht mir dies den Vortrag etwas, und zum anderen ist Israels Verständnis von Sicherheit bis heute noch ganz stark ein militärisches. Daher lege ich meinen Schwerpunkt genau auf diese militärische Sicherheit, also auf Rüstungs- und Verteidigungspolitik.

Die Bedeutung von „Sicherheit“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich ihres Besuches und ihrer Geburtstagsgratulation für Israel in ihrer Rede vor der Knesset betont. Ich zitiere: „Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet.“ Welche praktische Bedeutung dieses Bekenntnis hat, möchte ich heute mit konkreten Beispielen aufzeigen.

Zunächst aber stellt sich die Frage, was ist Sicherheit? Es gibt eine sehr einfache, kurze Definition: Sicherheit ist die Abwesenheit von Gefahr. Darunter kann jedoch jeder einzelne Mensch oder auch verschiedene Gesellschaften etwas völlig Unterschiedliches verstehen. Besonders für die individuelle Wahrnehmung ist es etwas sehr unterschiedliches: Zwischen unserer persönlichen Einschätzung in Deutschland und derjenigen eines Israeli, der zum Beispiel in Sderot lebt, besteht ein großer Gegensatz.

Und daher bestehen so unterschiedliche Auffassungen von Sicherheit in der deutschen und der israelischen Gesellschaft. Ein gesellschaftliches Verständnis von Sicherheit kann nicht vollständig und eindeutig definiert werden bzw. nicht ein gesamtes Bild wiedergeben, weil zu dem kollektiven Verständnis von Sicherheit immer noch die individuelle Auffassung hinzukommt.

Ebenfalls gibt es eine grundsätzliche Unterscheidung des Begriffes Sicherheit in innere und äußere Sicherheit. „Innere Sicherheit“ haben wir schon sehr oft gehört, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 und ihren Folgen für Deutschland, etwa in der Diskussion um die Antiterrorgesetzgebung. Aber der Begriff war in den 1960er Jahren in Westdeutschland anlässlich der Debatte um die Notstandsgesetze genauso aktuell.

Innere Sicherheit wird hauptsächlich durch das Rechtswesen und durch die Polizei eines Staates oder einer Gesellschaft gewährleistet, äußere Sicherheit, grob gefasst, zum einen durch die Diplomatie und zum anderen durch das Militär. In der Diskussion um den Begriff Sicherheit gibt es aktuell schon fast eine kleine Inflation von Begriffen. „Erweiterte Sicherheit“ oder „vernetzte Sicherheit“ sind nur zwei der Schlagworte, die versuchen, diesen Komplex zu fassen. Fasst man grundsätzlich äußere und innere Sicherheit zu einem Begriff zusammen, so wird häufig von „erweiterter Sicherheit“ gesprochen.

Heute geht es mir jedoch zunächst nur um den Begriff „militärische Sicherheit“. Für Israel ist dies ein zentrales Verständnis. Eine israelische Freundin von mir meinte, in Israel gebe es sozusagen den Begriff des „Sicherheitismus“. Sicherheit ist so zentral, dass aus dem hebräischen Wort für „Sicherheit“ – „Betachon“ der Begriff „Betchonism“ geprägt worden ist, weil das israelische Denken oder zumindest das der meisten Entscheidungsträger so geprägt sei.

(Grafik siehe pdf-Dokument)

Das entscheidende Problem von militärischer Sicherheit ist das so genannte „Sicherheitsdilemma“. In der politikwissenschaftlichen Theorie ist das Sicherheitsdilemma entwickelt worden, um zu veranschaulichen, wie militärische Sicherheit anscheinend funktioniert, wie Sicherheitsbedürfnisse gegeneinander wirken und wie Rüstungsspiralen letztendlich entstehen.

Es fängt damit an, dass in einem Modell zwei Staaten vorhanden sind, A und B. Die Rüstung des einen Staates A wird von dem anderen Staat B als Bedrohung gesehen. Daraufhin rüstet B, der sich von A durch dessen vorhandene Rüstung bedroht fühlt, nach. A reagiert entsprechend und rüstet seinerseits nach. Das kann theoretisch unendlich fortgesetzt werden. Wir alle haben während des Kalten Krieges erlebt, wie das große Prinzip der gegenseitigen Abschreckung und der Rüstungsspirale funktioniert. Sollte der erste Aufrüstungsschritt dann im Schatten der Vergangenheit verloren gegangen sein, so können selbst defensive Absichten als Aggression gesehen werden, und das Phänomen nährt sich selbst. In einem solchen Teufelskreis kann selbst die friedlichste verkündete Absicht zur defensiven „Nachrüstung“ als aggressive „Aufrüstung“ verstanden werden, ob gewollt oder nicht.

Prinzipiell, so möchte ich zunächst einmal behaupten, gibt es nur zwei Möglichkeiten, diese Rüstungsspirale und dieses Sicherheitsdilemma zu durchbrechen:

Zum einen durch Vertrauen in das Gegenüber, mit dem dieses Sicherheitsbedürfnis befriedigt wird. Zum anderen – sehr dramatisch – durch Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen, von denen wir manchmal vergeblich hoffen, dass sie nie stattfinden würden. Der Kalte Krieg und seine Rüstungsspirale sind möglicherweise durch den Vertrauensschritt, den Michail Gorbatschow getan hat, beendet worden. Andererseits könnte man auch argumentieren, dass die Sowjetunion vom Westen tot gerüstet worden sei.

Ich habe drei Beispiele ausgewählt, um nun diese praktische Umsetzung von militärischer Sicherheitspolitik zu zeigen. Da ich einen Bogen spannen möchte über die 60 Jahre Israel, beginne ich mit einem Beispiel aus dem Unabhängigkeitskrieg. Man kann noch nicht von sicherheitspolitischen Beziehungen in dem Sinne sprechen, denn 1948/49 gab es noch keine Bundeswehr und ohnehin bestanden noch keine etablierten bilateralen Beziehungen. Das erste Beispiel ist daher ein indirektes. Nach der Staatsgründung oder im Prozess der Staatgründung brauchte Israel Waffen, denn der entstehende jüdische Staat musste sich verteidigen. Dazu gingen die Einkäufer sozusagen in aller Herren Länder. Meistens wurden sie in Europa fündig, wo ja vor kurzem erst der 2. Weltkrieg beendet worden und noch sehr viel Rüstungsmaterial vorhanden war.

Das hier ist ein tschechischer Karabiner, aber er ist 1:1 einem deutschen Gewehr nachgebaut, dem Standard-Infanteriegewehr, das die deutsche Wehrmacht während des 2. Weltkrieges benutzt hat. Die Tschechen haben das in ihrer Armee am Ende des Krieges übernommen, weil es noch sehr viele Lager davon in der Tschechoslowakei gab. Sie haben das Gewehr dann nachgebaut. Aus dem deutschen Karabiner 98k wurde das tschechische Gewehr P18. Das auf dem Photo gezeigte ist sogar noch ein ursprünglich deutsches Gewehr, die Gewehre sind in Israel gewissermaßen „umgetauft“ worden. Später wurde das Kaliber verändert. Rechts sehen Sie den Hinweis, dass das Gewehr das neue Nato-Kaliber verwendet. Dafür konnte Israel später die meiste Munition beschaffen.

Aber das kleinere und pikantere Detail war auf den meisten Gewehren in der Zeit nicht mehr zu sehen. Aber hier ist es noch einigermaßen zu erkennen, es ist links unten die Markierung des Heereswaffenamtes, dass dieses Gewehr geprüft worden war. Man kann zumindest noch den Reichsadler des Deutschen Reiches erkennen und gleich daneben eine Prüfziffer der israelischen Armee inklusive des Davidsterns. Die meisten Gewehre sind aber so unkenntlich gemacht worden, dass die Soldaten, die sie in den Händen hielten, keine direkte Spur mehr zur Wehrmacht erkennen konnten.

Ein anderes Beispiel aus der gleichen Zeit ist sogar noch etwas abenteuerlicher: Diese Messerschmitt Bf109 wurde ebenfalls in der Tschechoslowakei nachgebaut. Da hieß das Flugzeug dann Avia S 199. 25 von diesen Flugzeugen wurden auseinandergeschraubt und in ehemaligen amerikanischen Transportmaschinen verstaut, um über Jugoslawien Richtung Israel geflogen und dort schließlich wieder zusammengebaut zu werden. Die tschechoslowakische Luftwaffe hat auch eine Reihe von israelischen Piloten dafür ausgebildet, u. a. Ezer Weizmann. Er wurde in den 1960er Jahren Chef der israelischen Luftwaffe und noch später Staatspräsident. Er flog als Pilot in diesem Flugzeug. Diese Flugzeuge wurden jedoch nur im Sommer 1948 eingesetzt, weil ihre Flugeigenschaften doch zu wünschen übrig ließen. Sie wurden durch britische und amerikanische Modelle ersetzt, durch die berühmte Spitfire und die amerikanische Mustang. Aber wie gesagt, dies war das erste Jagdflugzeug der jungen und kleinen israelischen Luftwaffe.

Ich komme zurück zum Kontext der Sicherheitspolitik, zum Kontext der sicherheitspolitischen und überhaupt der deutsch-israelischen Beziehungen. An erster Stelle stehen immer wieder der Hintergrund der nationalsozialistischen deutschen Vergangenheit und die Erinnerung an die Shoah. Dafür ganz prominent war der Prozess gegen Adolf Eichmann in Israel 1961. Auf diese Art und Weise tauchte die deutsche Vergangenheit immer wieder auf, gerade in den 1950er und 60er Jahren etwa in der Debatte um die Verjährung des Straftatbestandes Mord in der Bundesrepublik, während der Ausschwitzprozesse in Frankfurt oder eben 1961 während des Eichmann-Prozesses in Jerusalem.

Hier sehen Sie eine sehr schlechte Zeitungsaufnahme einer ägyptischen Mittelstreckenrakete, die 1962 während einer Militärparade in Kairo gezeigt wurde. Sie war mit Hilfe deutscher Ingenieure und Techniker gebaut worden, die ehemals am deutschen V2-Programm beteiligt gewesen waren. Israel protestierte bei der deutschen Bundesregierung. Aber die sah sich nicht in der Lage, etwas unternehmen zu können. Es handele sich zwar um deutsche Staatsbürger, aber die Bundesregierung könne ihnen nicht befehlen, nicht in der ägyptischen Rüstungsindustrie zu arbeiten. Im Nachhinein vermutet man heute, dass die Raketen ohnehin nur aus Pappmachée gebaut waren. Das ganze Rüstungsprojekt scheint ein Propagandamittel für die Ägypter unter Nasser gewesen zu sein, also nicht ganz so bedrohlich. Aber das war damals in der Öffentlichkeit nicht bekannt.

So taucht die Vergangenheit immer wieder auf und bestimmt das Verhältnis gerade auch im Bereich Sicherheitspolitik zwischen Deutschland und Israel.

Ein weiterer Faktor im Kontext war die besondere Gründungssituation der Bundesrepublik. Es war ja nicht nur die historische Verantwortung Deutschlands und der Deutschen für das Schicksal des jungen jüdischen Staates. Die Bundesrepublik hatte auch ein sehr realpolitisches Interesse, über die „Wiedergutmachung“ – ein schwieriger Begriff – und das Wiedergutmachungsabkommen mit Israel von 1952, das so genannte „Luxemburger Abkommen“, international wieder anerkannt zu werden, sozusagen den Platz in der 1933 verlassenen Völkergemeinschaft wiederzuerlangen. Das war ein Hauptanliegen von Bundeskanzler Adenauer.

Obwohl es also noch bis 1965 keine diplomatischen Beziehungen gab, entwickelten sich die Kontakte informell dennoch. Die ersten Kontaktaufnahmen erfolgten anlässlich der Verhandlungen zum Luxemburger Abkommen. Ein sehr prominentes Beispiel aber ist das historische Treffen von David Ben Gurion und Konrad Adenauer in New York 1960.

Aber es gab auch eine ganz andere Ebene, die gar nicht so auffällig war. Es trafen sich nämlich auch andere, jüngere Entscheidungsträger. In diesem Fall handelte es sich um die beiden „Heißsporne“, wenn ich sie so nennen darf, Shimon Peres und Franz Josef Strauß. Strauß war seit 1956 Bundesverteidigungsminister und Peres war als Stellvertreter Ben Gurions praktisch Verteidigungsminister Israels. Formell war Ben Gurion Verteidigungsminister, aber die täglichen Amtsgeschäfte musste er als Ministerpräsident seinem Stellvertreter überlassen. In dieser Funktion nahm Peres Kontakt zu Strauß auf und etablierte die Zusammenarbeit.

Das Geheimabkommen zwischen den beiden wurde Anfang der 1960er Jahre geschlossen, ohne dass es dafür schriftliche Fixierungen gab. Vielmehr war es ein Verhältnis, das auf Vertrauen basierte. Es begann mit dem Besuch von Peres bei Strauß im Winter 1957/58 in dessen Privathaus in Rott am Inn. Peres flog nach Paris und fuhr dann quasi privat mit einem Auto der Botschaft und mit zwei Kollegen durch das winterliche Frankreich und Deutschland nach Bayern, um Strauß zu besuchen.

Die beiden verstanden sich sehr gut. Im Frühjahr erstattete Strauß dann Konrad Adenauer Bericht. Erst nachdem Adenauer ein generelles grünes Licht gegeben hatte, wurde zum Beispiel das Auswärtige Amt von den Vorgängen informiert. Das hat Strauß auch über die Jahre hinweg so gehalten und hat den damaligen Außenminister Heinrich von Brentano durch dieses Vorgehen düpiert. Er hat aber auch seinen großen Konkurrenten von der CDU, Gerhard Schröder, vor den Kopf gestoßen. Als Schröder 1961 das Auswärtige Amt übernahm, lagen beide hinter den Kulissen im ständigen Streit darüber, ob Israel von der Bundesrepublik Deutschland Waffen bekommen sollte. Strauß befürwortete dies, Schröder lehnte es ab, weil er die wirtschaftlichen Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht gefährden wollte. An die Öffentlichkeit gelangte davon zunächst nichts.

Die informelle Ebene der Beziehungen bestand auch aus Privatbesuchen, nachdem Strauß nicht mehr Verteidigungsminister war. 1963 besuchte er als einfacher Bundestagsabgeordneter Israel, traf dort Moshe Dayan, und wurde als Ehrengast behandelt.

Das ganze Geschehen war in den Kontext des Kalten Krieges eingebettet. Deutsche und Israelis haben dies auch immer wieder in Zeitungskommentaren oder in Karikaturen dargestellt. Hier sehen Sie auf der linken Seite eine Karikatur aus den 1960er Jahren aus dem Spiegel. Sie nennt den ägyptischen Präsidenten Nasser „Gamal Abdel Iwan“. Die israelische Karikatur auf der rechten Seite stammt von dem Karikaturisten Dosh, die völlig unabhängig offensichtlich genau das gleiche sieht: dass sich hinter Nasser nur sowjetische Interessen in der Mittelmeerregion und im Nahen Osten verbergen.

Gleichzeitig wird es noch komplexer. Der bereits erwähnte Außenminister Schröder mochte die deutsch-arabischen, genauer: die westdeutsch-arabischen Beziehungen nicht gefährden, denn es gab schließlich zwei deutsche Staaten. Anlässlich der großen Krise in den deutsch-israelisch-arabischen Beziehungen 1964/1965 hat die Frankfurter Rundschau diesen „Gang nach Canossa“ karikiert, wo Bundeskanzler Erhard vor Ägyptens Präsident Nasser wie vor dem Papst zu Kreuze kriecht anlässlich des plötzlichen Bekanntwerdens der Waffenlieferungen an Israel.

Die Einladung Walter Ulbrichts nach Kairo war der Hebel, den Ägyptens Präsident Nasser angesetzt hatte, als die Waffenlieferungen bekannt wurden. Nasser hatte durchaus versucht, die Bundesrepublik zu zwingen, Israel eben nicht anzuerkennen, anson sten, so drohte er, würde er die DDR anerkennen. Ein Staatsbesuch Ulbrichts in Ägypten hätte das gesamte System der westdeutschen Beziehungen zur Sowjetunion, zum Ostblock und den westdeutschen Alleinvertretungsanspruch über den Haufen werfen können, so glaubte Schröder. Nicht nur kommunistische Staaten, sondern zum ersten Mal drohte ein großer neutraler Staat, Ägypten, mit der möglichen Anerkennung der DDR.

Die Einbettung des Nahostkonfliktes in den Kalten Krieg ist sehr wichtig. Beide Seiten vermuteten starke Einflussnahme der Sowjetunion. Im Nachhinein kann man sich fragen, ob der Nahostkonflikt vom Kalten Krieg beeinflusst war oder ob er nicht auch per se entstanden wäre. Und schließlich haben wir das Dreieck der deutsch-arabisch-israelischen Beziehungen. Es ist genau genommen sogar ein Viereck der deutsch-deutsch-arabisch-israelischen Beziehungen, also ein gordischer Knoten.

Und in dem Moment kommt dann noch die Geheimpolitik oder die Geheimdiplomatie zwischen beiden Staaten hinzu und geht durchaus ein Risiko ein.

Aus israelischer Perspektive musste man sehr pragmatisch handeln. Das hatte man schon 1948/49 so gehandhabt, als Waffen, egal wo sie herkamen, beschafft werden mussten. Auch in den 1950er und 60er Jahren suchte die Politik Israels nach Verbündeten, nach militärischen Verbündeten und letztlich nach Ausrüstung für die langsam wachsende Armee. Das hat der Karikaturist Dosh wieder sehr schön dargestellt für die 1960er Jahre: Israels Außenminister Abba Eban klingelt bei den „befreundeten Mächten“. Sein Regierungschef Levi Eschkol schickt ihn und ermahnt ihn: „Und immer einen schönen Diener machen.“

Was die Außenpolitik erarbeitet, was Außenminister Abba Eban an finanzieller und der Geheimdiplomat Shimon Peres an militärischer Unterstützung erreichen kann, sollte ab 1964 dieser Mann umsetzen, Yitzhak Rabin, von 1964 bis 1968 Generalstabschef der israelischen Streitkräfte. Er und seine Vorgänger hatten nach 1956 begonnen, die israelische Armee weiter auszubauen und umzustrukturieren nach den Erfahrungen aus dem Suez- bzw. Sinaifeldzug. Aus diesen Notwendigkeiten, aus diesem Kontext heraus ist letztlich das Geheimabkommen von Peres und Strauß entstanden.

Deshalb komme ich jetzt hier wieder zum nächsten praktischen Beispiel. Dieser Typ Panzer, mit dem die ägyptische Armee ab Mitte der 50er Jahre ausgerüstet war, ist sicherlich auch einigen Berlinern bekannt. Es ist der sowjetische Typ T-34/85, der z.B. 1953 während der Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR eingesetzt wurde. Er war bereits während des 2. Weltkrieges entwickelt und produziert worden und wurde von der Sowjetunion 1955 über einen indirekten Waffenhandel an Ägypten weitergegeben, auch wieder über die Tschechoslowakei, die ihre Lieferpolitik unter dem Druck Moskaus völlig gewandelt hatte.

1947/48 hatte der Waffenhandel zwischen Israel und der Tschechoslowakei noch eine Reaktion der UN ausgelöst: Per Resolution sollten die Lieferungen von Rüstungsgütern in den Nahen Osten, also in den Konfliktraum Palästina, verboten werden. Genau dieses Lieferverbot wollte die Sowjetunion unterlaufen, indem sie die Tschechoslowakei vorschickte, um die Waffen zu liefern. Ab den 1960er Jahren wurden die Lieferungen auch direkt vorgenommen.

Den Israelis war es gelungen, bei den Briten einen Panzer zu erwerben, auch ein Modell, das ursprünglich aus dem 2. Weltkrieg kam, allerdings bereits modernisiert. Die Briten waren erst dann in die Bresche gesprungen, als die Israelis bereits in den USA angefragt hatten, wobei sich die USA aber noch aus dem Nahen Osten heraus halten wollten.

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Dieser Panzer, der Centurion, war dem T-34 überlegen, womit die Israelis wieder einen Vorsprung hatten. Aber Ägypten sollte nach 1956 von der Sowjetunion wieder mit einem neueren Panzer ausgerüstet werden, dem T-55. Auch er ist vielleicht aus den Nachrichtenbildern bekannt, denn er wurde zum Beispiel 1956 von der Sowjetunion während der Niederschlagung des Volksaufstandes in Ungarn benutzt.

Dieser Panzer war ein sogenannter mittelschwerer Panzer. An dieser Stelle muss ich Ihnen einige Zahlen nennen. Das „mittelschwere“ kann man schon am Gewicht der jeweiligen Typen sehen. Sie sehen links die beiden Grundtypen an Panzern, die Ägypten zur Verfügung standen, den T-34 und den neu hinzugekommenen T-55. Und auf israelischer Seite noch ein altes Weltkriegsmuster, der Sherman, der sich kaum noch modernisieren ließ, wie die Israelis es bis in die 60er Jahre hinein mehrfach getan hatten. Das französische Modell AMX-13 ist ein leichter Panzer mit einem Gewicht von nur 13 Tonnen. Der Centurion dagegen wog 57 Tonnen und war der schwerste Panzer in der Region, aber aufgrund seines Gewichts auch der langsamste. Damit war der T-55 der modernste und der ausgewogenste von allen.

(Grafik siehe pdf-Dokument)

Also waren die Israelis auf der Suche nach einem mittelschweren Panzer, der diesen T-55 wiederum kontern konnte. Sie fanden den amerikanischen M-48, den auch die Bundeswehr hatte. Die aufwachsende Bundeswehr war von den USA mit älteren Modellen des M-48 ausgerüstet worden. Zugleich wollten Westdeutschland und Frankreich ein gemeinsames Rüstungsprojekt starten, mit dem die Bundesrepublik einen neuen Panzer zur Ausstattung der Bundeswehr bekommen würde. Also war absehbar, dass der M-48 irgendwann wieder aus den Arsenalen der Bundesrepublik ausgesondert werden würde und das war natürlich dann eine Gelegenheit für die israelischen Rüstungsbeschaffer.

Nur ist natürlich ein Panzer ein auffälliges Gerät. Im Ergebnis der Gespräche von Peres und Strauß waren schon Hubschrauber geliefert worden, und einige Transportflugzeuge. Fallschirme und Panzerabwehrraketen wurden geliefert, die alle sehr klein und relativ unauffällig waren. Aber gerade im Falle der Panzer würde es auffallen, so dachte man sich, vor allen Dingen auf westdeutscher Seite. Also wurde ein sehr komplizierter Weg gefunden, um diese Panzer bis nach Israel zu schaffen: Sie kamen ursprünglich aus den USA in die Bundesrepublik zum Ausbau der Bundeswehr. In Westdeutschland wurden sie dann für die Lieferung nach Israel auseinandergebaut. Die Kanone, die ohnehin durch eine neue ersetzt werden sollte, wurde ausgebaut. Die Panzer ohne Kanonen wurden nach Italien geliefert, dort mit neuen Kanonen und Motoren versehen und von dort aus verschifft. Es sollte, falls jemand genau hinschauen würde, so aussehen, als wenn diese Panzer aus italienischen Beständen kämen.

Das glaubte nur am Ende niemand. Im Oktober 1964 flogen die Lieferungen auf. Bis heute weiß niemand genau, wer das Geheimnis preisgegeben hat. Sicherlich hatten einige ein Interesse daran. Vielleicht war es sogar das Auswärtige Amt, das sehr frustriert war mit der Politik des Bundesverteidigungsministeriums. Oder es waren die Ägypter, die angesichts des offensichtlichen deutsch-israelischen Waffenhandels zuschlagen wollten, um Druck auf die Bundesrepublik auszuüben.

Auf jeden Fall war vorher schon Druck ausgeübt worden, nämlich von den USA, von Präsident Lyndon B. Johnson auf Kanzler Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard. Erhard war anlässlich seines Antrittsbesuches in den USA 1964 von Johnson gedrängt worden, Israel eben diese Panzer auch wirklich zu liefern. Als die Geschichte aufgeflogen war, standen die USA zumindest dafür ein, dass sie ihren Verbündeten dazu gedrängt hatten und waren dann bereit, die Panzer auch tatsächlich selbst an Israel zu liefern, und zwar die neusten Modelle. Dafür stellte dann die westdeutsche Seite eine für die Bundeswehr vorgesehene Lieferung zur Verfügung und bezahlte anschließend die israelische Rechnung.

Und in der restlichen Rüstungsspirale sah das dann wie folgt aus: Wenn man sich das Verhältnis zwischen Israel und Ägypten ansieht, was die Zahl der Kampfpanzer betrifft, so zeigt sich, dass Israel 1964 ungefähr über 400 Panzer verfügte, Ägypten über mehr als das doppelte. Dabei sind die syrischen, jordanischen etc. Panzer auf der arabischen Seite insgesamt noch gar nicht mitgezählt. Israel gelang es Mitte der 60er Jahre dank der westdeutschen Panzerlieferungen noch einmal nachzurüsten, vor allen Dingen gegen den ägyptischen T-55.

Eine besondere Anekdote an der Sache ist, dass die Israelis das neueste Modell erhielten, den M-48A3. Da der amerikanische Präsident Johnson eigentlich eine ausgewogene Politik betreiben wollte und zumindest diejenigen arabischen Verbündeten, die noch auf der westlichen Seite standen, beliefern wollte, bekam Jordanien den gleichen Panzer, allerdings ein Modell mit geringerer Reichweite, den M-48A2.

Schätzungsweise 270 Millionen DM umfasste dann der Gesamtwert der westdeutschen Waffenhilfe für Israel in den Jahren 1959 bis 1964. Der Israeli Nadav Safran berechnete 1969, wie groß der westdeutsche Anteil am Verteidigungsetat Israels in etwa war. Die Spitze wurde 1962 erreicht mit einem Anteil von ca. 16,2%. Dies bedeutet, dass zu der Zeit Westdeutschland – und nicht, wie viele noch vermuten, Frankreich – der wichtigste Waffenlieferant Israels war.

16,2% sind natürlich im Vergleich zu den 100% eines Verteidigungsetats nicht so viel, aber man muss natürlich bedenken, dass ein Verteidigungsetat auch Personalkosten, laufende Kosten, etc. enthält, die abgezogen werden müssen, bevor Mittel für Neubeschaffung, für Rüstungsbeschaffung veranschlagt werden können.

Jetzt machen wir einen Zeitsprung, gewissermaßen in die Jetzt-Zeit hinein, denn es gibt noch ein letztes Beispiel. Aber bevor wir zum letzten praktischen Beispiel kommen, das unter ganz anderen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen zu sehen ist, muss ich den Wandel im sicherheitspolitischen Kontext feststellen.

Heute sind einige der Faktoren, die die sicherheitspolitischen Beziehungen zwischen Westdeutschland, heute Gesamtdeutschland und Israel beeinflussen, entfallen. Die besondere Gründungssituation der Bundesrepublik existiert nicht mehr. Seit dem 2+4-Vertrag gibt es ein geeintes, vollständig souveränes Deutschland. Die Einladung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Feierlichkeiten der Westalliierten anlässlich der Invasion in der Normandie 1944 im Jahre 2004 war ein Zeichen, dass Deutschland erreicht hatte, was Konrad Adenauer begonnen hat: die Rehabilitation.

Genauso endete 1965 ironischerweise im Zuge der „Panzeraffäre“ die informelle Ebene der bilateralen Beziehungen. Nein, sie endete nicht unbedingt, aber es gibt zusätzlich offizielle diplomatische Beziehungen. Die informelle bilaterale Ebene hat sich nach der großen Krise von 1965 wieder neu gefasst. Aber das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Israel ist inzwischen insofern ein normales, als es diplomatische Beziehungen gibt, wie zwischen den meisten anderen Staaten.

Und schließlich ist der Kalte Krieg beendet worden. Somit steht der Nahostkonflikt für sich alleine. Wir können darüber diskutieren, wie man im Kalten Krieg die eigenständigen Konfliktgründe übersehen hat.

Verändert von diesen Faktoren hat sich sicherlich das deutsch-arabisch-israelische Verhältnis. Aber solange zum Beispiel das Palästinenser-Problem nicht gelöst ist, muss aus deutscher Perspektive sicher immer eine Politik beide Seiten berücksichtigen, die arabische wie die israelische.

Genauso muss man heute darüber diskutieren, inwiefern die USA noch genauso viel Druck auf westdeutsche Politik, auf deutsche Politik ausüben können wie zu Johnsons Zeiten. Ich glaube, ein George W. Bush konnte offensichtlich einem Gerhard Schröder oder kann einer Angela Merkel nicht mehr vorschreiben, etwas Bestimmtes zu tun.

Die sicherheitspolitische Situation Israels hat sich durchaus auch teilweise gewandelt. Sicherlich besteht immer noch eine reguläre, konventionelle militärische Bedrohung. Aber es gibt Friedensverträge mit Jordanien und Ägypten. Dafür stehen andere Bedrohungen, andere Kriegsbilder im Vordergrund.

Aber wie schon eingangs erwähnt, unverändert bleibt immer noch die Vergangenheit, die Shoah. Bundeskanzlerin Merkel sieht zu Recht eine bleibende Verpflichtung für Deutschland. Aber im Laufe dieser 60 Jahre und auch im Laufe dieser 60 Jahre Sicherheitspolitik in den bilateralen Beziehungen hat sich zusätzlich eine besondere Beziehung ganz neu entwickelt.

Und gerade Angela Merkels Besuch hat den Ausschlag gegeben, diese Beziehung auf dem Bereich der Sicherheitspolitik noch weiter zu vertiefen. Die Verteidigungsminister haben Ausbildungsabkommen geschlossen, einen Austausch von Offizierschülern, von auszubildenden Soldaten etc. Es gibt zwar schon seit 1983 einen einseitigen Besuch von israelischen Soldaten in Deutschland, aber die Beziehung vertieft sich weiter. Genaue Informationen sind dabei relativ schwer zu bekommen.

Öffentlich geworden ist der israelische Kauf deutscher U-Boote. Da stellt sich erneut die Frage wie bei dem oben erwähnten Sicherheitsdilemma. War der israelische Kauf Auslöser, oder wurde Israel 1991 im Zuge des Golfkrieges von Helmut Kohl Unterstützung für seine Verteidigung zugesichert, wozu auch gehörte, dass Deutschland für Israel neue U-Boote bauen will. Die iranische Marine jedenfalls hat ab 1996 neue U-Boote von Russland erworben. Es stellt sich die Frage, wer da zuerst war. Israel kauft heute U-Boote nach, vielleicht entsteht da ein Wettrüsten, vielleicht beginnt sogar ein nukleares Wettrüsten zwischen Israel und dem Iran.

Diese U-Boote, die die iranische Marine zur Verfügung hat, werden vermutlich nicht mit Atomwaffen bestückt werden können. Im Unterschied allerdings zu den U-Booten, der Dolphin-Klasse, eine deutsche Entwicklung, die Deutschland an Israel verkauft bzw. nur zu Teilen verkauft. Drei U-Boote wurden von Helmut Kohl zugesagt, zwei davon wurden Israel kostenfrei geliefert. Damit hat also die Bundesregierung die eigene Rüstungsindustrie subventioniert. Das dritte Boot dieser Klasse wurde von der Bundesrepublik zur Hälfte bezahlt.

Ein Vergleich von den beiden Booten zeigte relativ ähnliche Eigenschaften, weil es beides dieselelektrisch angetriebene konventionelle U-Boote ohne nuklearen Antrieb sind. Was allerdings die israelischen Boote zu „Atom-U-Booten“ machen könnte, wären die vier im Durchmesser vergrößerten Torpedorohre. Es ist nie bestätigt worden, dass die drei Boote Israels diese vergrößerten Torpedorohre tatsächlich haben. Aber durch diese unbestätigten Rohre könnten Marschflugkörper abgeschossen werden, an deren Entwicklung Israel vermutlich zur Zeit arbeitet. Die Aussagen zu ihren Reichweiten sind unterschiedlich, aber auf jeden Fall könnten diese Marschflugkörper nuklear bestückt werden. Damit könnte Israel im Kleinen eine so genannte „gesicherte Zweitschlagskapazität“ gegenüber der iranischen Raketenbedrohung entwickeln.

Das soll heißen, solange Israels Atombomben, die es offiziell ja gar nicht hat, in Luftwaffenstützpunkten deponiert sind, sind sie grundsätzlich verletzbar, wenn man weiß, wo sie gelagert werden. Aber sobald Atomwaffen auf einem U-Boot gelagert werden bzw. in getauchten U-Booten unterwegs sind, lässt sich der genaue Standort nicht feststellen. Daher ist es ein sehr wichtiger Vorteil, wenn man in einem nuklearen Umfeld über diese U-Boot-gestützten Nuklearwaffen verfügt. Das war schon damals ein bedeutender technischer Vorsprung, als die Supermächte USA und Sowjetunion ihn in 1960er Jahren erreicht haben. Israel ist offensichtlich bereit – sobald der Iran seine eigene Atombombe haben sollte – diese U-Boote sehr schnell gewissermaßen als „atomaren Joker“ hervorzuzaubern.

Das waren nur drei Beispiele. Zum Schluss habe ich die Komplexität dieser deutsch-israelischen sicherheitspolitischen Beziehungen hier noch einmal zusammengefasst in einer Übersicht. Der Lauf der ersten 30 Jahre war auf israelischer Seite beherrscht von den immer wieder ausbrechenden Kriegen, wie zuerst dem Unabhängigkeitskrieg, dem Sinaifeldzug, dem 6-Tage-Krieg. Auf westdeutscher Seite stand der Krieg fast vor der Haustür, ist aber nie ausgebrochen. Unter dem Eindruck des Kalten Krieges wurde die westdeutsche Bundeswehr aufgebaut.

Deutschland bzw. Westdeutschland konnte viel zu Israels militärischer Sicherheit beitragen. Ich hatte eingangs erwähnt, das Jagdflugzeug Avia S 199 und genauso den Karabiner P18 aus dem tschechischen Waffenhandel, mit dem Deutschland direkt nichts zu tun hatte. Dammbrechend war dann das Peres-Strauß-Abkommen, wodurch über mehrere Jahre hinweg klammheimlich Rüstungsmaterial nach Israel verschifft wurde. Selbst das Bekanntwerden dieses Geheimnisses konnte die Lieferungen nicht grundsätzlich unterbrechen: Mit deutschen Blaupausen wurden in einer französischen Werft in Cherbourg Schnellboote gebaut, also gewissermaßen deutsche Schnellboote, die auf deutsche Rechnung in Frankreich für Israel gebaut wurden. Frankreich hat 1967 ein Waffenembargo gegen Israel verhängt, aber der israelische militärische Geheimdienst hat 1969 diese Boote fast fertig aus der französischen Werft entführt, oder eher: entführen dürfen, denn es gab auf jeden Fall französische Stellen, die damit einverstanden waren, ansonsten wäre es nicht so einfach gegangen.

Aber das war alles nicht einseitig. Sehr bekannt in der Bundeswehr ist die Maschinenpistole „Uzi“, eine israelische Entwicklung der 1950er Jahre. Damit begann die Kontaktaufnahme zwischen Peres und Strauß. Nach dem Sinaifeldzug 1956 besuchte der deutsche Journalist Rolf Vogel mit anderen Journalisten die Schlachtfelder des Sinai. Dabei wurden ihm ein paar Modelle der Uzi zum Vorzeigen beim westdeutschen Verteidigungsministerium gegeben. Daraufhin hat sich die Bundeswehr tatsächlich auch für den Erwerb dieser Maschinenpistole entschieden. Weiteres wurde dann ebenfalls an die Bundeswehr geliefert, z.B. Granatwerfermunition, also sehr viel Kleingerät, was alles nicht so auffällig war wie Panzer.

Und für die Bundeswehr war ein anderer Aspekt neben diesen eigentlichen Waffengeschäften auch sehr wichtig. Es bestand bald eine rüstungstechnische Kooperation zwischen beiden Seiten, wobei die Israelis immer wieder Material liefern konnten, weil sie eben in den verschiedenen Kriegen sowjetisches Material hatten erbeuten können.

Ein zweiter Abschnitt von 30 Jahren, um die Übersicht bis heute zu führen, wurde unterbrochen vom Ende des Kalten Krieges, der deutschen Wiedervereinigung, den ersten Einsätzen der Bundeswehr im Ausland bzw. – auch wenn es offiziell nicht so heißt – den ersten Kriegseinsätzen der Bundeswehr, zum Beispiel im Kosovo-Krieg oder im andauernden Afghanistaneinsatz. Die Kooperation wurde trotz oberflächlicher Verstimmungen auf der diplomatischen wie der öffentlichen Seite nicht unterbrochen, zum Beispiel anlässlich der Diskussionen, ob Westdeutschland in den 1980er Jahren Leopard-2-Panzer nach Saudi-Arabien liefern sollte.

Genauso gab es 1999 eine Affäre, als zum ersten Mal westdeutsches „Beutegerät“, Gerät aus der Übernahme der NVA durch die Bundeswehr, im Hamburger Freihafen von der nicht vorab informierten Wasserschutzpolizei entdeckt wurde. Dem Zoll gegenüber und offiziell war die Lieferung als „landwirtschaftliches Gerät“ gekennzeichnet. Das waren allerdings sehr große Kisten, und der Spiegel nannte das Ganze „Panzeraffäre“. Das ist allerdings genau genommen Unsinn, denn es sind keine Panzer geliefert worden, sondern zwei Muster von Flugabwehrpanzern, die allerdings keine Kampfpanzer sind. Der hier erwähnte ZSU-23 hätte selbst gegen einen uralten T-34/85 in direkter Auseinandersetzung keine Chance, weil er so leicht gepanzert ist. Aber das wurde zur Auswertung nach Israel geliefert, in Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr, BND, israelischem Verteidigungsministerium und Mossad.

In den 1970er, 80er und 90er Jahren wurde aber weiterhin von deutscher Seite auch Know How geliefert. Zum Beispiel wurden – ähnlich wie die Schnellboote – auch deutsche U-Boote gebaut, allerdings in einer britischen Werft nach deutschen Plänen, und nach Israel geliefert. Und es gibt verschiedene Möglichkeiten dafür, wie Israel letztlich an die Rheinmetall-120mm-Kanone, die auch der Leopard-2 hat, gekommen ist. Jedenfalls hat die Israelische Rüstungsindustrie die Lizenz dafür erworben und rüstet bis heute ihre neuesten Kampfpanzer mit dieser Kanone aus. Ein Zusammenhang mit der Leopard-2- Affäre kann natürlich durchaus bestehen.

Während des Golfkrieges wurden Israel nicht nur die U-Boote versprochen, sondern es gab auch sehr praktische Hilfe. Angesichts des Beschusses durch irakische Mittelstreckenraketen, die ja durchaus mit Massenvernichtungsmitteln hätten bewaffnet sein können, wurden Israel von der Bundeswehr sofort mehrere ABC-Spürpanzer zur Verfügung gestellt, die Israel bis heute hat. Genauso hat die Bundeswehr auch ursprünglich amerikanische Flugabwehrraketen nach Israel geliefert, um dort die Luftverteidigung zu stützen.

Die drei Dolphin-Boote wurden bereits erwähnt. 2005 wurde ein neuer Vertrag abgeschlossen und zwei weitere Boote eines vergleichbaren Typs, eigentlich eines verbesserten Dolphin-Typs, nach Israel verkauft.

Von israelischer Seite wird die Kooperation ebenso fortgeführt. Ein über 12 Jahre laufendes gemeinsames Rüstungsprojekt, das vom BND und Mossad angestoßen worden war, ist das so genannte „Cerberus-Projekt“. „Cerberus“ war der Codename für ein Störgerät für den Tornado, überlebenswichtig für den Einsatz, der die feindliche Flugabwehr, Radar und Flugabwehrraketen stören und außer Gefecht setzen sollte. Prägend für Israel war die Erfahrung aus dem Yom-Kippur-Krieg 1973, wo die israelische Luftwaffe starke Verluste hatte erleiden müssen gegen die ägyptische Luftverteidigung aus sowjetischer Produktion. Das Projekt lief über etliche Jahre. Israel konnte es 1982 im Libanonfeldzug einsetzen, wo letztlich die syrische Luftwaffe hilflos war gegen die israelischen Angriffe. Eine Fortführung des Projektes konnte dann wiederum die Bundeswehr einsetzen, etwa mit ihren Tornados im Kosovokrieg.

Und obwohl es nicht bestätigt ist, steht durchaus zu vermuten, dass nach Kriegen wie dem Yom-Kippur-Krieg oder dem Libanonfeldzug 1982 auch die Bundeswehr weiterhin Material zur technischen Auswertung bekommen hat.

Damit möchte ich schließen. Die Geschichte der deutsch-israelischen sicherheitspolitischen Beziehungen geht weiter. Ich danke Ihnen und bitte Sie nun um Ihre Fragen. Dann können wir im Gespräch alles klären, was unklar geblieben ist, und die Diskussion fortführen.

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