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Eine Vision wird Wirklichkeit

kohta Constanze Brinckmann

Welches Ziel verfolgt das Reich der Mitte mit der Seidenstraßen-Initiative?

Es ist ein Infrastrukturprojekt der Superlative: Mehr als 900 Milliarden Dollar will China in den nächsten Jahren in den Ausbau der alten Handelsroute von Asien nach Westeuropa investieren. Die „neue Seidenstraße“ soll die Handelsräume Eurasiens und Afrikas vernetzen und bisher unerschlossene Regionen durch den Bau von Straßen, Schienen und Häfen an den Weltmarkt anbinden. In einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung mit der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) diskutierten Dr. Heinz Neubauer und Michael Winzer, Leiter des KAS-Büros in Peking, über Chancen und Risiken des Megaprojektes.

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Auch wenn der Begriff „Seidenstraße“ erst Ende des 19. Jahrhunderts vom deutschen Geographen Ferdinand Freiherr von Richthofen geprägt wurde, Hinweise auf eine Handelsroute zwischen China und Europa reichen zurück bis in die Han-Dynastie (200 Jahre v. Chr. bis 220 Jahre n. Chr.). Seide, Porzellan und Gewürze kamen auf diesem Weg nach Europa, aber auch die Nudel fand erst dank des venezianischen Händlers Marco Polo den Weg nach Italien. 2013 stellte Chinas Präsident Xi Jinping seinen Plan zur Wiederbelebung der alten Handelsstraße vor. Nun sind wir in Deutschland nicht gerade erfolgsverwöhnt was das Thema Infrastrukturgroßprojekte angeht (Stuttgart 21 oder der Flughafen BER sind nur einige Beispiele). Wie realistisch ist es also, dass das Mammutprojekt mit dem Namen „One belt, one road“ in naher Zukunft Wirklichkeit wird? Für Michael Winzer, seit 2016 Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking, ist die Seidenstraße-Initiative nur die logische Konsequenz aus einer wirtschaftlichen und politischen Entwicklung, die sich bereits seit mehreren Jahrzehnten in China vollzogen hat. Die Entwicklung Chinas zur Supermacht ist für die Chinesen kein Aufschwung, sondern ein „Zurückfinden zur alten Stärke“, sagt Winzer in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Er erlebe in China derzeit eine Aufbruchsstimmung und die „Belt and Road“-Initiative dient dabei nur als Projektionsfläche für Chinas Stärke. Eine „Erfolgsgeschichte“ soll das Infrastrukturprojekt werden, das mehr als 60 Länder umfasst. Dass das Projekt gelingen wird, davon ist Michael Winzer überzeugt. Das Denken in langfristigen Perspektiven, die enge Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft und neue Selbstbewusstsein Chinas sprechen dafür, dass die neue Seidenstraße schneller Realität wird als wir glauben.

Vision in vollem Gange

Keine fünf Jahre sind vergangen seit Chinas Präsident Xi Jinping erstmals seine Strategie für eine „Neue Seidenstraße“ zwischen Asien und Europa vorgestellt hat. Seitdem hat „One belt, One road“ in China Priorität und wird dabei von höchster politischer Ebene gefördert. Zahlreiche Forschungszentren wurden in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft und selbst Museen befassen sich in ihren Ausstellungen mit dem Thema Seidenstraße, berichtet Michael Winzer. Die neue Seidenstraße ist längst keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern „ein Projekt, das bereits in vollem Gange ist“, so Winzer weiter. Erste Teilstücke des Megaprojekts sind bereits fertig. 13.000 Kilometer führt die längste Zugstrecke von der chinesischen Ostküste bis ins spanische Madrid. Allein 25 Züge landen jede Woche in Duisburg, Europas größtem Binnenhafen, und werden von dort in ganz Europa verteilt. Statt 30 bis 40 Tage mit dem Containerschiff sind chinesische Waren und Rohstoffe über die neue Zugverbindung schon nach 12 Tagen in Deutschland. Elektronische Waren wie Computer, Handys und Tablets gelangen so schneller nach Deutschland während Obst und Gemüse sowie Teile aus der Automobilindustrie mehr als doppelt so schnell nach China transportiert werden können.

Win-Win für alle?

Die „Belt and road“-Initiative ist ein Infrastrukturprojekt der Superlative. Entlang der geplanten Handelskorridore werden nicht nur Eisenbahntrassen und Bahnhöfe errichtet, sondern auch Straßen, Flughäfen, Tiefseehäfen, Pipelines und Kraftwerke. Das schafft auf kurze Sicht Arbeitsplätze in den mehr als 60 Ländern entlang der Route und ermöglicht auf längere Sicht eine bessere Vernetzung der Handelsräume in Asien, Europa und Afrika. Wenn Rohstoffe und Waren schneller von A nach B gelangen und ganze Regionen durch den Ausbau der Handelsweg neu erschlossen werden, kann es bei diesem Projekt doch eigentlich nur Gewinner geben, oder? Dr. Heinz Neubauer von der Gesellschaft für Sicherheitspolitik spricht von „zarten Hindernissen“, die viele Unternehmen in Europa noch zögern lassen, sich an dem Billionen-Dollar-Projekt zu beteiligen. Zu groß ist die Angst, dass es China gar nicht primär um wirtschaftliche Interessen geht, sondern vielmehr um die Chance auf politische Einflussnahme in den Ländern entlang der neuen Seidenstraße. Wer in den Genuss der neuen Infrastruktur kommen möchte, muss zunächst mal zahlen. Länder wie Pakistan, Montenegro oder Dschibouti haben sich für das Projekt bereits enorm verschuldet und geraten zunehmend in finanzielle Abhängigkeit von China. Michael Winzer schlägt dennoch vor, nicht allein auf die Risiken, sondern mehr die enormen wirtschaftlichen Chancen des Projektes in den Fokus zu stellen. Gerade Deutschland mit seiner exportabhängigen Wirtschaft müsse ein großes Interesse daran haben, sich an einem solchen Mega-Projekt zu beteiligen. Als „Einbahnstaße“ dürfe die neue Seidenstraße jedoch nicht angelegt sein. Er fordert Transparenz bei den Ausschreibungsverfahren, der Finanzierung und den Bedingungen des Marktzugangs. Ohne die nötige Transparenz komme es zur Verschiebung von Kräfteverhältnissen zugunsten des Reichs der Mitte. Winzer setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit der europäischen Länder, um sich gegen die Supermacht China zu behaupten. „Deutschland kann seine Interessen nur dann durchsetzen, wenn man in Europa geschlossen auftritt“, so Winzers Fazit. Was Europa dringend brauche, sei eine eigene Agenda und ein geschlossenes Auftreten gegenüber China, fordert der China-Experte bei seinem Besuch in Berlin.

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