Begrüßung und Einordnung
Am 24. August fand das interne Forum Künstliche Intelligenz (KI) der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin statt. Zur Begrüßung erinnerte der Vorsitzende Norbert Lammert an die Herausforderungen der KI, die uns zwar schon seit einigen Dekaden beschäftigen, das Potential der Technologie habe aber erst in den letzten Jahren rasant zugenommen. Durch die zunehmende Verbreitung lernfähiger Algorithmen sei die Politik daher dazu aufgefordert, innerhalb demokratisch legitimierter Institutionen Rahmenbedingungen der KI zu erarbeiten – “denn die Künstliche Intelligenz ist weder so künstlich noch so intelligent, wie es der Begriff vermuten lässt.”
Die damit benannte gesellschaftliche Dimension der KI diskutierte daraufhin der KAS-Fellow Prof. Armin Nassehi in seinem Impulsreferat “Konfliktpunkte im Umgang mit Künstlicher Intelligenz”. Zunächst reflektierte Nassehi die historischen Voraussetzungen, die den Siegeszug der Digitalisierung überhaupt erst ermöglicht haben. Um diesen zu begreifen, so Nassehi weiter, sei auch eine Definition von Technik notwendig. Technik, so Nassehi, zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie auf Konsenszwang verzichten könne, solange sie funktioniert. Die Simplifizierung durch Technik, ermögliche erst die Komplexität, die moderne Gesellschaften kennzeichne. In Folge neigen komplexe Gesellschaften dazu, anzuwenden, was funktioniert und vernachlässigen mitunter die dabei auftretenden Folgen. Dies gelte auch für den zeitgenössischen Umgang mit Daten; zumal sie sich unter der simplifizierten Technikoberfläche unserer Sichtbarkeit entziehen. So werde dem westlichen Konsument Teilhabe ermöglicht und zugleich Kontrolle entzogen. Hier nun sei es die Aufgabe politischer Institutionen, regulierend einzugreifen. Gerade das Beispiel des Unternehmens Facebook, das aus einer Unmenge an Daten Informationen über Gesellschaften generiere, mache die Herausforderung der Regulierung deutlich. Denn das soziale Medium versteht sich als Plattform ohne Agenda und will somit keine Verantwortung für die auf ihr geteilten Inhalte übernehmen. Wer aber übernimmt sie dann?
Forum Künstliche Intelligenz
Video zur Veranstaltung
Hinsichtlich intelligenter Technik mahnte Nassehi an, die analytische Trennung zwischen Digitalisierung und KI aufrecht zu erhalten. Denn während digitale Techniken ein eindeutiges Verhältnis zwischen Input und Output aufweisen, sei das Spezifische an einem Algorithmus der KI, dass er sich produktiv zur Uneindeutigkeit verhalten könne. Dies, so Nassehi, habe enorme Auswirkungen auf Politik, Ökonomie und Ethik. Denn anders als ein Algorithmus maße sich intelligente Technik Entscheidungskompetenz an, sodass ein Zurechnungsproblem entstehe. Vor diesem Hintergrund gelange eine soziologische Perspektive auf KI zu der Einsicht, dass wir zukünftig mit Zurechnungsfragen konfrontiert werden, die für bekannte Techniken bereits gelöst seien. Die politische Aufgabe sei nun, so Nassehi abschließend, zu debattieren, wer im Falle von falschen Entscheidungen seitens der KI die Verantwortung übernehme und ob wir als Gesellschaft bereit seien, solche Fehler zu ertragen.
KI-Projekte der KAS
Die zweite Hälfte des Tages begann mit einem Vortrag des Referenten für Künstliche Intelligenz der Hauptabteilung Analyse und Beratung (AuB) Jason Chumtong, dessen Präsentation die Vorstellung der Arbeitsstrategie „KI: verstehen und vertrauen“ beinhaltete. Im Kern sieht die Strategie die Aufstellung von Arbeitsschwerpunkten in zwei übergeordnete Perspektiven vor: Erstens KI verstehen, worunter Projekte fallen, die grundsätzliche Fragen zum Technologieverständnis, Diskursen der Maschinenethik sowie rechtlichen Bestimmungen rund um das Thema Künstliche Intelligenz fokussieren. Als Beispiel dient hierfür die interaktive Webpublikation „KI: Eine Technologie verstehen, einer Technologie vertrauen“. Zweitens der Schwerpunkt KI vertrauen, worunter Projekte fallen, die externe Expertise im Umgang mit und Entwicklung von KI vorstellen. Dazu zählen Experteninterviews, Namensbeiträge und Erklärvideos mit Kooperationspartnern.
Der darauffolgende zweite Vortrag kam von der KAS-Stipendiatin Wiebke Winter, die online zugeschaltet wurde und einen Einblick in ihre juristische Dissertation zum Thema KI und Big Data in der Medizin gab. Unter dem Titel “Zwischen Innovation und informationeller Selbstbestimmung” verwies Winter zunächst auf die uneindeutige Rechtslage. Dadurch werden medizinische Daten zu einem unklaren Rechtsgut, was Innovation bremse. Darüber hinaus stellte Winter die enormen Potentiale hinsichtlich medizinischer Forschung, aber auch zwischen-ärztlicher Kommunikation mit dem restriktiven Datenschutz gegenüber. Hier, so Winters Forderung, sei eine Anpassung an zeitgemäße Forderungen nötig, die sowohl die Chancen wie auch die Gefahren berücksichtige.
Im Anschluss wurde Christian Echle, Leiter des Regionalprogramms Politikdialog aus Singapur, zugeschaltet. Echle beleuchtete die Frage “Zukunftslabor Asien?” und präsentierte aktuelle Entwicklungen der KI sowie einen Überblick über jüngere Anwendungen der Technologie. Dabei unterstrich Echele, dass Innovationen mehr und mehr in Asien entwickelt und entdeckt werden. Anders als der marktzentrierte Ansatz Südkoreas und Japans, so Echle, unterwerfe vor allem China die KI einer staatlichen Kontrolle, während Singapur und Taiwan lediglich eine staatliche Strategie vorgeben. Wichtig, so hob Echle hervor, sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenz der Regierungen im Umgang mit Daten. Dieses Vertrauen dürfe indes nicht mit einer Abwesenheit von Datenschutz bzw. der Diskussion um sie verwechselt werden. So gebe es in den führenden KI-Ländern Asiens eine ernstzunehmende ethische Diskussion um die Transparenz von Daten. Generell ließe sich aber sagen, dass Asien den Datenschutz der Innovationsfähigkeit unterordne.
Handlungsempfehlung des KAS-Fellows
Zum Abschluss gab Armin Nassehi einige “Handlungsempfehlungen”, die er entlang der Frage entwickelte, wie westliche Gesellschaften ihre Stärken in die folgenden Dekaden des 21. Jahrhunderts führen können. Historisch habe die funktionale Ausdifferenzierung westlicher Gesellschaften einen immensen Innovationsschub zur Folge gehabt. Dies habe zur Kehrseite, dass sie heute nicht mehr, wie autoritäre Staaten, aus einem Guss handeln können. Nicht zufällig verfahren Nationen wie China in partiellen Sektoren ihrer Gesellschaft, wie etwa der Wissenschaft, im Modus der Offenheit, während sie andere Sektoren, etwa im Bereich des Politischen, einschränken. Im Systemvergleich führe dies zeitweise dazu, westlichen Gesellschaften eine mangelnde Entscheidungsfähigkeit zu bescheinigen. Die Herausforderungen der KI können jedoch Anlass für einen mutig geführten Diskurs bieten, der Differenzen produziere und somit wiederum Unterschiede politischer Fraktionen sichtbar mache. Zugleich ließen sich durch Konflikte neue Lösungen erarbeiten, die die Fähigkeit westlicher Gesellschaften, politische Entscheidungen zu treffen, erneut bestätigen. Diese Schlussfolgerungen gezielt in die politische Kommunikation aufzunehmen, seien wichtige und erfüllbare Aufgaben der politischen Bildung.
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