Der eine, indem er einen Film drehte, in dem Hitler der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, der andere durch seine beharrliche Weigerung, Appeasement zu üben und durch seinen militärischen Widerstand gegen die deutsche Kriegsmaschinerie. Die Lesung wird damit abgeschlossen, dass eine in Kroatien geborene Pianistin die modernen, von einem Bochumer Komponisten geschriebenen „Variationen mit Haydn“ vorträgt, also Variationen des Liedes der Deutschen, unserer Nationalhymne. Sie wurde aber vom Österreicher Joseph Haydn für den österreichischen Kaiser komponiert.
Zu kompliziert? So verschlungen ist unsere Geschichte – und wer sie einfach machen will, macht sie platt.
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert, erläuterte dem Bonner Publikum in dem bis auf den letzten Platz gefüllten früheren Plenarsaal des Bundestages am Rhein, warum die bisherigen „Wasserwerkgespräche“, eine eingeführte Marke des Bonner Veranstaltungskalenders, nun in „Bonner Forum zur Einheit“ umgetauft worden ist. Es wird jetzt immer um den Zusammenhang von Deutscher Einheit und Europäischer Union gehen, und Literatur und Musik, die großen Verbinder der europäischen Gesellschaften, werden eine größere Rolle in den Veranstaltungen spielen. So kam es.
Der KAS-Literaturpreisträger Michael Köhlmeier las aus seinem Bestseller „Zwei Herren am Strand“, einer meisterhaft verwobenen semifiktionalen Doppelbiographie von Charlie Chaplin und Winston Churchill. Er trug eine Passage vor, die eine Deutschlandreise Churchills mit seiner Familie zum Inhalt hat. Einfühlsam geht es darin um das ambivalente Gefühl, das kultivierte Briten dabei begleitet, einerseits der Widerwille gegen dumpfe Großmannssucht und dann das Hingerissensein von deutscher Dichtung, der Rheinromantik und deutscher Musikkultur. Auch hier erscheint das Deutsche als etwas Erratisches, Zerrissenes.
Das setze sich in den Variationen mit Haydn fort, vorgetragen von der Kölner Konzertpianistin Ana-Marija Markovina. Der Komponist Stefan Heucke, will darin – so erläuterte er später – nicht deutsche Geschichte abbilden, aber die unterschiedlichen Tonarten deutschen historischen Handelns und unterschiedliche deutsche Musikstile zum Ausdruck bringen. So verwoben sich Passagen, in denen der berüchtigte Furor teutonicus den Saal erfüllte, mit Momenten lyrischer Innigkeit, in denen unsere Hymne so zart und gebrechlich erschien, dass es den Nüchternsten anrühren musste. Bachsche Fugenkunst, Beethovensches Freiheitspathos, Brahmsche Schwermut und Zwölftonsperrigkeit gingen ineinander über, so wie in deutscher Geschichte vieles einfach nebeneinander steht.
In der anschließend von Prof. Lammert moderierten Gesprächsrunde ging es um die großen aktuellen Fragen, um die gebrochene nationale Identität der Deutschen, um die Gefahr der Simplifizierung und Enthumanisierung. Und natürlich um die immer schwieriger gewordene europäische Idee. Köhlmeier schlug vor, nicht mehr abstrakt über „Europas Zukunft“ zu reden, sondern Europa festlich zu einem Ritual werden zu lassen, das sich mit den Sinnen ins Gemüt senkt. Ohne ein kulturelles Miteinander bleibt die Konstruktion der EU ein fleischloses Skelett und ohne gemeinsame Einübung nur eine bloße Vorstellung.
Von Stefan Heuckes Variationen sensibilisiert, sang das Auditorium zum Schluss, nach den zusammenfassenden Worten von Dr. Melanie Piepenschneider, Leiterin der Politischen Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Nationalhymne. Selten hat der Berichterstatter eine so einfühlsame und nachdenkliche Veranstaltung zu Deutschlands Identität und Geschichte erlebt. War das vielleicht doch der vielbesprochene „rheinische Geist“?
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