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Rapports pays

Das irische Referendum

de Dr. Dieter W. Bennecke

IRLAND STIMMT ÜBER DEN EUROPÄISCHEN FISKALPAKT AB

Am 31. Mai stimmte die Bevölkerung in Irland in einem Referendum darüber ab, ob die Regeln des europäischen Fiskalpakts in Irland Gesetzescharakter bekommen. Rund 60 Prozent stimmten dafür, allerdings war die Wahlbeteiligung mit ca. 50 Prozent niedrig. Die deutliche Zustimmung setzt ein positives Zeichen für die Eurozone. In welchem Umfeld das Referendum stattfand, können Sie dem beiliegenden Bericht entnehmen.

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Am 9. Dezember 2011 haben 25 der 27 EU-Staats- bzw. Regierungschefs einen Fiskalpakt, “Treaty on Stability, Coordination and Governance in the Economic and Monetary Union“ beschlossen. Die im März 2011 gebildete Regierung Irlands unter dem Fine Gale Vorsitzenden Enda Kenny hatte dem Pakt zugestimmt und wollte ursprünglich die Regeln des Fiskalpakts lediglich als Leitlinie fuer die Budgetgestaltung betrachten.

Der Hinweis des Staatspräsidenten und des Oberstaatsanwalts, dass möglicherweise die Verfassung davon betroffen sein könnte, folglich eine Klage beim Verfassungsgericht drohe, veranlasste die Regierung, ein Referendum durchzuführen, denn gemäß der Präambel des Fiskalpakts wird angestrebt, dass die Regeln des Fiskalpakts in das “nationale Gesetzessystem eingebaut” werden. In Artikel 3, Absatz 2 des Fiskalpakts wird sogar explizit eine „vorzugsweise verfassungsmäßige“ Bindung an die Regeln genannt, was die Möglichkeit einer Verfassungsklage in Irland erhöht hätte. Zudem war Eile geboten, da der Fiskalpakt bereits ab 1. Januar 2013 in Kraft treten soll.

In Irland muss seit der Verfassung von 1937 nach Artikel 47 jeder Vorschlag zu einer Gesetzesänderung, die die Verfassung berührt, der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden. Bisher wurden 29 Referenden abgehalten, u. a. über die Akzeptanz des Lissabon-Vertrags, wobei die Zustimmung erst durch ein zweites Referendum erreicht wurde.

Der Fiskalpakt nimmt die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (Maastricht-Vertrag) wieder auf

Dieser hatte vorgesehen, dass die Euro-Länder ihr Budgetdefizit auf maximal 3% des Bruttoinlandsprodukts und ihre Staatsschulden auf maximal 60% des Bruttoinlandsprodukts begrenzen. Verschärft werden soll die Maastricht-Regel auf Grund der augenblicklichen Finanzkrise dahingehend, dass Regierungen, die die Maastricht-Regeln nicht beachten, von dem Europäischen Gerichtshof mit einer Geldstrafe belegt werden können, wobei nicht - wie bisher - die Regierungen der Mitgliedsstaaten zustimmen, sondern im Fall der Ablehnung ein - psychologisch etwas schwierigeres - Veto einlegen müssen.

Naturgemäß verschärft sich näher zum Abstimmungstermin die politische Debatte über das Referendum im Parlament und in den Medien. Es kommen nun vermehrt wieder diejenigen zu Wort, die schon gegen den Lissabon-Vertrag waren. Damals war das Hauptargument der Verlust der Souveränität, ein in Irland immer noch heikles Thema. Hinzu und mit mehr Gewicht kommt nun das Argument, dass dies kein Stabilitäts- und Wachstumsanreiz sei, sondern lediglich der Austeritätskurs verschärft werde, was zu einem Abbau der Sozialleistungen und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führe. Wortführer eines NEIN im Referendum sind einige - aber nicht alle! - Gewerkschaften und drei Parteien: die nationalistische Partei Sinn Fein (14 Sitze im Parlament von insgesamt 166 Sitzen), die linksextreme Sozialistische Partei (2 Sitze) und die ebenfalls linke „Alliance People before Profit“ (2 Sitze).

Demgegenüber sind aber auch die Befürworter des Fiskalpakts sehr aktiv. Dies sind die Regierungsparteien Fine Gael (77 Sitze) und Labor Party (38 Sitze) sowie die jetzt in der Opposition sitzende frühere Regierungspartei Fianna Fáil (20 Sitze). Die Sitzverteilung zeigt, dass es ein Leichtes gewesen wäre, im Parlament den Fiskalpakt anzunehmen. Einige Gewerkschaften haben sich mehr nolens als volens, aber die Realitäten erkennend, entschieden, ihren Mitgliedern ein JA zu empfehlen. Ebenfalls pro Fiskalpakt argumentieren die Unternehmerverbände, hier besonders der Finanzservice-Verband, geleitet vom früheren Ministerprä-sidenten John Bruton.

Wichtige Argumente für den Fiskalpakt:

  • Haushaltsdisziplin ist notwendig und wird durch den Fiskalpakt erzwungen.
  • Nur bei Abbau der Schulden können die von der Schuldenbedienung frei werdenden Mittel konstruktiv genutzt werden.
  • Nachhaltiges Wachstum und mehr Beschäftigung sind nur bei Schuldenabbau möglich.
  • Ausländische Investoren könnten bei einem Ausscheren aus dem Fiskalpakt Zweifel an der Verlässlichkeit der Iren be-kommen und Irland nicht mehr im gleichen Maße als Brücke zum gemeinsamen europäischen Markt betrachten.
  • Der 2010 abgeschlossene Bürgschaftsvertrag (Bailout) Irlands mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds verlangt Haushaltsdisziplin; andernfalls sind die noch fälligen Auszahlungen gefährdet.
  • Eine Ablehnung des Fiskalpakts würde den Zugang zur Solidarität der anderen EU-Partner, besonders aber zum Euro-päischen Stabilisierungs Mechanismus, ESM, verbauen, denn nur die Akzeptanz des Fiskalpakts ermöglicht die Nutzung der ESM-Mittel.
Die Regierung hat durch neue Beschäftigungs- und Investitionsinitiativen klar gemacht, dass es ihr nicht nur auf das Sparen, sondern auch - und in besonderem Maße - auf das Wachstum ankommt. Sie bezeichnet den Fiskalpakt als Stabilitäts- und Wachs-tumspakt.

Die Gegner hingegen versuchen, ihn als Austeritätspakt zu diskreditieren. Dabei wiegen sich die Gegner in der Illusion, dass die irische Regierung den Fiskalpakt neu verhandeln könne und auch ohne Zustimmung Zugang zum ESM hätte, weil die EU-Partner - wie bisher Griechenland bewiesen habe - kein Euro-Land fallen ließen. Inter-nationale Unterstützung bei ihrer Kampagne erhoffen sich die Fiskalpakt-Gegner von der Regierungskrise in Holland, der Wahl François Hollandes in Frankreich und der Wahl in Griechenland, wo fast zwei Drittel der Be-völkerung austeritätsfeindlichen Parteien ihre Stimme gegeben haben. Deutschland wird zunehmend angefeindet als Gegner einer flexibleren Regelung, und die Fiskalpakt-Gegner hoffen, eine EU-Front gegen den Kurs der Haushaltsdisziplin aufbauen zu können, denn nur Mehrausgaben, also im irischen Falle: mehr Schulden, würden einen konjunkturellen Aufschwung und einen Abbau der Arbeitslosigkeit (in Irland zur Zeit 14%) ermöglichen. Geflissentlich übersehen wird dabei, dass gerade die am höchs-ten verschuldeten Länder die höchsten Arbeitslosenraten aufweisen.

Ausgang des Referendums nicht sicher, aber Grund für verhaltenen Optimismus

Wenige Tage vor dem Referendum, am 26. Mai, veröffentlichte die Irish Times eine Umfrage von Irish Times/Ipsos MRBI zu Ab-stimmungsabsichten . Nach dieser würden am nächsten Donnerstag 39 Prozent mit Ja und somit positiv für den Fiskalpakt stim-men, 30 Prozent mit Nein und 9 Prozent geben an, nicht abstimmen zu wollen. Es bleiben noch 22 Prozent, die sagen, sie sind unentschieden. Das sind zwar 17 Prozent weniger als bei der letzten Umfrage, aber genug, um das Ergebnis noch signifikant zu beeinflussen. Allerdings ähnelt dieses Umfrageergebnis dem vor dem zweiten Referendum zum Lissabon-Vertrag. Dieses ging am Ende mit einem eindeutigen Ergebnis von 67 zu 33 Prozent positiv aus.

Die Verfassung verbietet der Regierung, bei Referenden selbst werbend tätig zu werden. So tragen die Parteien derzeit die Hauptlast bei der Argumentation. Die Regierung hat allerdings bereits angekündigt, die Fiskalpakt-Regeln in jedem Falle anwenden zu wollen, auch wenn dies nicht explizit gesetzlich vorgeschrieben sei, da sie Haushaltsdisziplin, Abbau der Schulden verbunden mit Wachstumsinitiativen für unumgänglich halte. Und auch für die Eurozone selbst ist der Ausgang des Referendums diesmal nicht so existenziell, wie es beim Lissabon-Vertrag war: Er tritt in Kraft, sobald er von 12 der 17 Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde - ob mit oder ohne Irland.

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