Rapports pays
Die politische Ausgangslage nach den Wahlen und die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit
Der Wahlausgang in Südafrika war auch für viele Experten überraschend. Denn kaum jemand hatte vorausgesagt, dass die Dauerregierungspartei ANC auch auf nationaler Ebene so deutlich die absolute Mehrheit verfehlen würde. Mit einem amtlichen Wahlergebnis von 40,18 % büßte der ANC mehr als 17 % im Vergleich zur vorherigen Wahl 2019 ein.[1] Die Partei musste folglich erstmals eine Koalitionsregierung auf nationaler Ebene bilden. In Anlehnung an den symbolträchtig besetzten Begriff der nationalen Einheitsregierung nach den ersten freien Wahlen seit Ende der Apartheid im Jahre 1994, entschied sich der ANC erneut für diese Form der Mehrparteienkoalition. Dieses Government of National Unity (GNU) besteht heute aus zehn Parteien und soll dringend notwendige Reformen in verschiedenen Politikfeldern anstoßen (vgl. nachfolgendes Kapitel).
Auf Ebene der Provinzparlamente musste der ANC ebenfalls erhebliche Stimmenverluste hinnehmen. Dies führte u.a. zum Verlust der absoluten Mehrheit in zwei Provinzen (Nordkap, Gauteng) sowie des Amts des Ministerpräsidenten in der wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch wichtigen Provinz KwaZulu-Natal (KZN) an die KAS-Partnerpartei Inkatha Freedom Party (IFP). Gemein ist den katastrophalen Wahlergebnissen dabei sowohl auf nationaler als auch auf provinzieller Ebene ihre Ursache: die schlechte Regierungsführung des ANC sowie ein anhaltend hohes Niveau an Korruption in Partei und Staat.[2]
Die Geburtsstunde des GNU wurde neben dem schlechten Wahlergebnis des ANC durch eine Reihe weiterer, parallel verlaufender Faktoren ermöglicht. Im Vorfeld der Wahlen war bereits frühzeitig zu beobachten, dass viele Südafrikaner in Zukunft eine Koalitionsregierung zur Lösung der vielen Probleme des Landes bevorzugen würden. So sind beispielsweise die Zustimmungswerte des ANC seit Jahren zurückgegangen. Infolgedessen wurde weit im Vorfeld der Wahlen erstmalig über Koalitionsmöglichkeiten nach dem Wahltag in Presse und Zivilgesellschaft diskutiert. Dies ermöglichte den Südafrikanern, sich frühzeitig mit der wahrscheinlichen Etablierung einer Koalitionsregierung vertraut zu machen. Für das Land am Kap ist dies eine nicht zu unterschätzende Entwicklung, da der ANC seit 1994 mit absoluter Mehrheit regierte und für viele Südafrikaner aufgrund seiner Verdienste im Freiheitskampf gegen das menschenverachtende System der Apartheid den moralischen Führungsanspruch des Landes innehat. Noch am Wahltag zeigte der ANC im Lichte der Niederlage eine anerkennenswerte politische Reife. Dieser akzeptierte ohne Zögern das Ergebnis der Wahlen. Die Dauerregierungspartei verhielt sich folglich demokratisch und verfassungskonform - was keine Selbstverständlichkeit für ehemalige Befreiungsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent ist. In den Tagen nach dem Urnengang bestand die zentrale Frage darin, welche Koalitionsmöglichkeiten sich unter Führung des ANC ergeben würden.[3] Dies stellte eine Richtungsentscheidung für die ehemalige Befreiungsbewegung dar, die auch das politische Schicksal des amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa bestimmte. Zudem galt es, innerhalb des von der südafrikanischen Verfassung vorgegebenen engen Zeitfensters von nur 14 Tagen eine neue Regierung zu bilden. Hindernis für alle Parteien waren dabei die parteiinternen Flügelkämpfe. Südafrika ist ein nach wie vor tief gespaltenes Land, bei dem Parteien häufig als Vertreter bestimmter gesellschaftlicher Gruppen oder Ideologien wahrgenommen werden. In diesem Sinne sind Koalitionen - also diese Trennlinien überwindende Kooperationen - dem eigenen Wählerklientel sowie den Parteimitgliedern deshalb häufig schwer zu vermitteln. Vor diesem Hintergrund hatte der ANC - trotz Verlust der absoluten Mehrheit - den eindeutigen Regierungsauftrag des Souveräns erhalten. Allerdings musste Präsident Ramaphosa, nachdem er parteiintern sein politisches Überleben gesichert hatte, nach Koalitionspartnern suchen, mit denen er die von ihm seit seiner ersten Amtszeit versprochene Reform-Agenda umsetzen konnte. Das unverhandelbare Fundament einer jeden zukünftigen Koalition sollte dabei die Verfassungstreue aller Koalitionspartner sein. Das politische Spektrum links vom ANC wurde durch die linksradikalen-populistischen Parteien MK-Partei und den EFF[4] vertreten, die vor allem aus ideologischen Gründen die Reformpläne Ramaphosas einer marktwirtschaftlichen Politik nicht unterstützten. Mit Vertretern dieses Parteienspektrums war folglich kein Staat zu machen. So war es vermutlich von Beginn an taktisches Kalkül des geschickt agierenden und politisch moderaten Präsidenten, die damalige größte Oppositionspartei und Vertreterin des Mitte-Rechts-Spektrums, die wirtschaftsliberale Democratic Alliance (DA), mit in ein späteres Koalitionsbündnis aufzunehmen. Eine Große Koalition aus ANC und DA hätte zwar rechnerisch für eine Regierungsmehrheit ausgereicht, war den Anhängern der beiden Parteien aber anfänglich kaum zu vermitteln. Dazu wurde der Wahlkampf zwischen dem ANC und der DA zu hart geführt und die programmatischen, wie persönlichen Differenzen zwischen Vertretern beider Parteien waren zu groß. Dennoch gab es auch von Seiten der DA-Spitze eine sich besonders in den letzten Wahlkampfwochen abzeichnende, prinzipielle Bereitschaft zur Koalition mit dem ANC. So hatte die DA wiederholt angedeutet, mit dem ANC zu kooperieren, wenn sich dadurch eine „Weltuntergangskoalition“ - bestehend aus ANC, MK und EFF - verhindern ließe. Dieses staatspolitische Verantwortungsbewusstsein, gekoppelt mit einem ausgeprägten Gestaltungsanspruch, war ausschlaggebend dafür, dass die DA das Angebot Ramaphosas zur Koalitionsbildung letztendlich annahm und auch bereit war, auf bedeutende Ministerien zu verzichten. Um diesem auch für viele Südafrikaner lange unvorstellbaren Bündnis die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz zu geben, wurden weitere, kleinere Parteien eingeladen, Teil des GNU zu werden. Zur erfolgreichen Koalitionsbildung trug dabei auch das Konzept der Regierung der Nationalen Einheit bei, welches in Südafrika historische Dimensionen hat.[5]
Am 14. Juni 2024 wurde Cyril Ramaphosa mit großer Mehrheit in der Nationalversammlung erneut zum südafrikanischen Staatspräsidenten gewählt.
Zusammensetzung und Herausforderungen der neuen Regierungskoalition
Bei dem GNU handelt es sich um eine Mehrparteienkoalition aus zehn Parteien mit zum Teil sehr divergierenden programmatisch-inhaltlichen Positionen. Den Kern dieser Regierung bilden neben dem ANC und der DA die wertkonservative KAS-Partnerpartei IFP sowie die rechtspopulistische Patriotic Alliance (PA), welche vor allem sog. „coloured“ Südafrikaner anspricht. Die sechs weiteren Koalitionspartner können als Kleinstparteien beschrieben werden und finden sich sowohl im politischen Mitte-Links als auch Mitte-Rechts Spektrum wieder. Alle in der Regierung vertretenen Parteien kommen dabei zusammengerechnet auf über 70 % der Parlamentssitze. In der neuen Regierung fielen von insgesamt 32 Ministerien, 20 Ministerposten an den ANC, nur sechs an die DA und zwei an die IFP – die verbleibenden Posten verteilen sich auf unterschiedliche Kleinstparteien. Die Stärke des ANC als führende Partei innerhalb der Koalition wird zudem besonders daran deutlich, dass die ehemalige Befreiungsbewegung bedeutende Schlüsselministerien besetzt wie beispielsweise das Finanz-, das Justiz-, das Handels- sowie das Außenministerium. Zusätzlich zu den Ministerposten umfasst das neue Kabinett noch weitere 43 stellvertretende Ministerposten. Somit handelt es sich bei der Regierung der Nationalen Einheit um das größte Kabinett in der Geschichte des Landes.[6]
Anmerkungen zum inhaltlichen und organisatorischen Aufbau des GNU:
- Inhaltlich hatte man sich recht schnell auf grundsätzliche Schwerpunkte geeinigt: Die Förderung eines inklusiven Wirtschaftswachstums und die Schaffung neuer Arbeitsplätze; die Bekämpfung der Armut und die Reduktion der aktuell anhaltend hohen Lebenshaltungskosten; sowie die deutliche Verbesserung der Dienstleistungen im öffentlichen Sektor. Der Teufel liegt jedoch bekanntlich im Detail – auch hier. Aber eine spezifische programmatische Diskussion konnte nach den Wahlen aufgrund der eng gesetzten Fristen für die Regierungsbildung nicht ausreichend stattfinden. So verfügt das GNU bis heute über keinen gemeinsamen Koalitionsvertrag, sondern lediglich über Absichtserklärungen hinsichtlich der Kooperation zwischen den verschiedenen Partnern. Welche Kompromissbereitschaft und -fähigkeit bei einzelnen Parteien hinsichtlich inhaltlicher Fragestellungen besteht, kann noch nicht verlässlich beurteilt werden.
- In der Ausübung ihrer Regierungsverantwortung stehen alle Parteien des GNU vor der Herausforderung, erstmals auf nationaler Ebene gemeinsam zu regieren. Außer dem ANC verfügt keine der Parteien dabei über substanzielle Regierungsverantwortung auf nationaler Ebene. Erschwert wird dieser Umstand dadurch, dass in vielen Ministerien Minister und ihre Stellvertreter nicht derselben Partei angehören. Was einerseits förderlich für die intraministerielle Kontrollfunktion sein kann, könnte andererseits im Regierungsalltag zu Abstimmungsschwierigkeiten und Blockaden innerhalb eines Ministeriums führen.[7]
- Während die Regierung über eine breite Mehrheit im Parlament verfügt und man dies als wichtigen Faktor für eine (zumindest mandatsmäßig) stabile Regierung werten kann, so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Opposition im Parlament sehr geschrumpft ist, was wiederum die Volksvertretung in seiner wichtigen Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive erheblich einschränkt. Zudem ist die überwiegende Mehrheit der Oppositionsparteien im radikal-linkspopulistischen Lager angesiedelt. Auch gibt es zwischen den Flügeln verschiedener Regierungsparteien auf der einen Seite und einzelnen Oppositionsparteien auf der anderen Seite durchaus gute persönliche Beziehungen und inhaltliche Schnittmengen, was mittelfristig den Koalitionsfrieden der Regierung in Gefahr bringen kann.
Fünf Monate GNU: Herausforderungen im Koalitionsalltag
Insgesamt wird die Arbeit der Koalition bisher als relativ geräuschlos und weitestgehend harmonisch wahrgenommen. Dies hat vor allem den Grund, dass man zum „Erfolg verdammt“ ist: Denn die große Mehrheit der GNU-Partner möchte nicht mit den radikalen, linkspopulistischen Kräften der Opposition (MK und EFF) zusammenarbeiten. Anders ausgedrückt: Die Mehrzahl der zentralen Akteure innerhalb der Regierung sieht keine wirkliche Alternative zur jetzigen Koalition. Nur vereinzelt sind Konfliktlinien zwischen Koalitionspartnern bisher deutlich geworden. Diese waren stets durch inhaltliche Fragestellungen bedingt, beispielsweise in der a) Gesundheits-, b) Bildungs- und c) Außenpolitik.
Zu (a): Die ausgeprägte Ungleichheit in Südafrika spiegelt sich auch im Zugang der Menschen zu gesundheitlichen Einrichtungen wider. Derzeit haben alle Südafrikaner Zugang zu einem maroden und durch Misswirtschaft geprägten staatlichen Gesundheitswesen. Die politisch linken Parteien innerhalb der Einheitsregierung, allen voran der ANC, streben nun die komplette Verstaatlichung des privaten südafrikanischen Gesundheitswesens an, um diese teilweise exzellente private Gesundheitsversorgung auch für ärmere Bevölkerungsteile zugänglich zu machen. Aus diesem Grund soll die Möglichkeit eines privaten Krankenversicherungsschutzes abgeschafft und die Bezahlung von Ärzten und Klinikpersonal zukünftig ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden. Die DA, IFP und andere Parteien aus dem Mitte-Rechts-Lager halten diesen Systemwechsel grundsätzlich für falsch, nicht finanzierbar und treten für einen freien Wettbewerb im Gesundheitswesen ein. Auch wenn sich alle GNU-Partner darin einig sind, dass das südafrikanische Gesundheitssystem im Grundsatz verbessert werden muss (d.h. eine allgemein verbesserte medizinische Versorgung gewährleistet werden muss), so treten die unterschiedlichen Lösungsansätze der Koalitionspartner in diesem Politikfeld deutlich hervor.
Zu (b): Zur besseren Inklusion von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen soll das Schulsystem reformiert werden. Einer der umstrittensten Aspekte der geplanten Schulreform sind die zukünftigen Zulassungskriterien sowie die Sprachpolitik an Schulen. Bisher können Schulen hier weitgehend unabhängig entscheiden und so das Schülerprofil ihrer Einrichtung zu großen Teilen selbst bestimmen. Diese Entscheidungsfreiheit soll zukünftig aus dem Zuständigkeitsbereich einzelner Schulen verstärkt an Behörden und Ministerien ausgelagert werden. Vor dem Hintergrund der Geschichte Südafrikas, bei der ein freier Zugang zu Bildung sowie der kulturelle Schutz von Minderheiten sehr sensible Aspekte sind, ist hieraus eine kontroverse Debatte über die kulturelle und sprachliche Gesellschaftspolitik innerhalb des GNU entbrannt. Bisher wurde in zentralen Fragen dieser Reform keine Einigung erzielt, weshalb der Präsident die umstrittenen Klauseln für weitere Beratungen im Sinne einer möglichen Kompromissfindung zurück an die GNU-Partner verwiesen hat.
Zu (c): Positionen bzgl. der Genozid-Anklage der südafrikanischen Regierung am Internationalen Gerichtshof gegen Israel Ende 2023, aber vor allem die traditionell engen ANC-Verbindungen zu Russland (die auch nach dem Angriffskrieg gegen die Ukraine aufrechterhalten wurden) sowie die Kooperation mit Staaten wie dem Iran im erweiterten BRICS-Format bergen erhebliches Konfliktpotential innerhalb der Regierung der Nationalen Einheit. Als Präsident Ramaphosa im Rahmen des letzten BRICS-Gipfels den russischen Präsidenten Wladimir Putin einen „geschätzten Verbündeten und Freund“ nannte, widersprach ihm die DA öffentlich und nannte Putin einen Kriegsverbrecher. Das Präsidialamt verbat sich daraufhin jegliche Einmischung anderer Regierungspartner in außenpolitische Aussagen des Präsidenten. Das Feld der Außenpolitik dürfte auch in Zukunft aufgrund der elementar verschiedenen ideologischen Ausrichtungen der GNU-Partner für Reibereien innerhalb der Koalition führen. Insbesondere im Hinblick auf die Übernahme der südafrikanischen G20-Präsidentschaft (ab 1. Dezember 2024) sollte man sich allerdings auf gemeinsame Grundsätze einigen, um nach außen hin weitestgehend geschlossen aufzutreten. Erste Indizien hierfür zeigen sich in jüngsten Äußerungen verschiedener GNU-Koalitionäre, die anmahnen, dass Südafrika außenpolitisch verstärkt ein Modell der Wirtschaftsdiplomatie verfolgen sollte. Das eigentliche Ziel des GNU, die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung Südafrikas, soll so auch außenpolitisch prioritär gesetzt werden. Im Rahmen dieser sich entwickelnden Wirtschaftsdiplomatie gilt es deshalb zukünftig zu verhindern, dass es aufgrund geopolitischer Dynamiken zu weiteren Verwerfungen mit wichtigen Handelspartnern in der Europäischen Union sowie den USA kommt.
Was sind weitere Risiken für den Bestand der Koalition?
Nachdem es über drei Monate keinen wirklichen Konfliktlösungsmechanismus innerhalb der Mehrparteienkoalition gab, welcher sich strukturiert mit entstandenen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Partnern auseinandergesetzt hat, wurde im Oktober der sogenannte Clearing House Mechanism eingesetzt - ein Gremium, welches unter Vorsitz des stellvertretenden Präsidenten Paul Mashatile (ANC) Streitigkeiten der Koalitionäre behandeln soll. Bisher fehlen konkrete Erfahrungswerte, wie effizient sich dieser Mechanismus entwickeln wird. Dennoch ist davon auszugehen, dass inhaltliche Differenzen im GNU zukünftig verstärkt intern und lösungsorientierter und weniger in der Öffentlichkeit behandelt werden können. Stand heute stellen die innerparteilichen Dynamiken der beiden größten Koalitionsparteien das größte Risiko für den langfristigen Erfolg des GNU da. So wird Ende 2027 ein Parteitag des ANC stattfinden, auf dem der amtierende Präsident Cyril Ramaphosa, welcher als der Garant für die Stabilität des komplexen Regierungsbündnisses gilt, nicht erneut für den Parteivorsitz kandidiert. Die Nachfolgedebatte, welche vermutlich bereits im kommenden Jahr beginnen wird, könnte viel Unruhe in die Dauerregierungspartei bringen und die Partei erneut vor die Frage stellen, welcher Kurs in Zukunft verfolgt werden sollte. Ob das Bündnis bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahre 2029 hält, wird entscheidend davon abhängen, welcher Flügel des ANC sich in der Nachfolge Ramaphosas durchsetzt und folglich, welche Einstellung der/die zukünftige ANC-Parteichef/in gegenüber dem GNU einnimmt. Nicht einfacher wird die Lage dadurch, dass einst enge Verbündete des ANC, wie etwa die Gewerkschaften oder die Kommunistische Partei Südafrikas, vor allem aufgrund der Regierungsbeteiligung von DA und FF Plus auf deutliche Distanz zum GNU gehen. Dies gilt - aus unterschiedlichen Gründen - im Übrigen auch für eine große Anzahl von ANC-Funktionären in den wirtschaftsstarken Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal. Besonders in diesen beiden Provinzen zeigen jüngste Entwicklungen, dass sich der Richtungsstreit innerhalb des ANC auch nach den Wahlen 2024 fortsetzt. Die Opposition zum GNU sitzt folglich auch in den eigenen Reihen. Die Frage in welche politische Richtung der ANC zukünftig geht, wird entscheidend davon abhängen, ob die Partei das GNU als Chance begreift, sich innerparteilich zu erneuern, und sich im Zuge dessen auch von korrupten Parteifunktionären und Mandatsträgern trennt. Hier kommt es nun auf den Präsidenten an, der in der Vergangenheit eher zögerlich (bis gar nicht) gegen Parteifreunde vorgegangen ist, welche der Korruption bezichtigt wurden oder durch schlechte Regierungsführung aufgefallen waren. Die Einigkeit seiner Partei war ihm häufig wichtiger als politisch integres Handeln. So geriet beispielsweise eines seiner Kabinettsmitglieder, die ANC-Justizministerin, zuletzt unter schwerwiegenden Korruptionsverdacht. Doch anstelle diese ihm loyale Politikerin zu entlassen, wurde sie „nur“ in ein weniger bedeutendes Ministeramt versetzt.
Folgende Themen werden die Arbeit des GNU im Jahr 2025 bestimmen
Im nächsten Jahr gilt es für die südafrikanische Regierung auf der einen Seite wichtige Reformversprechen in der Wirtschafts-, Gesellschafts-, und Finanzpolitik umzusetzen, sowie gleichzeitig auf der anderen Seite den sozialen Zusammenhalt im Land und auch den Koalitionsfrieden zu wahren. Besonders relevant werden hier die folgenden Themen sein:
Die Frage, wie eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung Südafrikas gelingen kann, wird auch im Jahr 2025 den programmatischen Schwerpunkt der Koalition bestimmen. Bisher hat die Arbeit des GNU viel Rückenwind aus der Bevölkerung, aber auch von internationalen und nationalen Investoren erhalten. So hat sich beispielsweise die Landeswährung in den ersten Monaten der neuen Regierungskoalition deutlich stabilisiert. Diese Vorschusslorbeeren gilt es nun im kommenden Jahr erfolgreich zu nutzen, indem dringend notwendige Wirtschaftsreformen angestoßen werden. Aus Perspektive der Bevölkerung wird es hier besonders wichtig sein, die hohe Jugendarbeitslosigkeit spürbar zu reduzieren sowie die Erbringung staatlicher Dienstleistungen (vor allem Wasser und Strom) zu gewährleisten.
Südafrika hat im Jahr 2025 die G20-Präsidentschaft inne. Diese markiert das Ende einer Reihe von G20-Präsidentschaften aus Ländern des sogenannten „Globalen Südens“ und ist gleichzeitig der erste Vorsitz dieses Formats auf dem afrikanischen Kontinent. Für Südafrika, das sich selbst als Sprachrohr dieses „Globalen Südens“ sieht, gilt es deshalb auch für die G20 im Jahr 2025 Kontinuität in der Interessensvertretung von Entwicklungs- und Schwellenländern zu wahren und gleichzeitig die Interessen der afrikanischen Länder mit auf die internationale Agenda zu setzen. Diese beinhalten vor allem Forderungen nach: Inklusivem Wirtschaftswachstum, Reform der UN-Institutionen und Sicherung der Zukunft des Multilateralismus, Ernährungssicherheit, Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels sowie eine gerechte Impfstoffpolitik. Darüber hinaus soll das Thema Künstliche Intelligenz in den Fokus rücken und hierbei besonders die Sichtweisen afrikanischer Staaten in den aktuellen Diskurs eingebracht werden.
Die Vorbereitungen der südafrikanischen Parteien hinsichtlich der Kommunalwahl 2026 werfen bereits jetzt ihre Schatten voraus. Sollte das GNU bis dahin halten, werden diese Kommunalwahlen einen bedeutenden Gradmesser für die Zufriedenheit der Südafrikaner mit dem GNU darstellen. Parteien, welche bei diesem Urnengang dann Stimmen verlieren, werden sich selbstkritisch fragen, ob ihnen ihre bisherige Positionierung als Regierungs- oder Oppositionspartei eher nützt oder - im Gegenteil - gar schadet.
[1] Auf nationaler Ebene ergaben die Wahlen 2024 folgendes Ergebnis: ANC 40,18 %; Democratic Alliance (DA) 21,8 %; uMkhonto we Sizwe (MK) 14,58 %; Economic Freedom Fighters (EFF) 9,52 %; Inkatha Freedom Party (IFP) 3,85%; Patriotic Alliance (PA) 2,06 %; Freedom Front Plus (FF+) 1,36 % und ActionSA 1,2 %. Den Sprung in die Nationalversammlung schafften zudem zehn weitere Kleinstparteien mit weniger als 1 % der Wählerstimmen (siehe NPE Results Dashboard 2024)
[2], [3] Detaillierte Informationen über die politische und sozioökonomische Ausgangslage vor der Wahl und das Parteienspektrum finden Sie im KAS-Länderbericht Südafrika vor den Wahlen - Konrad-Adenauer-Stiftung
[4] Bei den Parteien MK und EFF handelt es sich um Abspaltungen des ANC.
[5] Nelson Mandela bildete 1994 (den ersten freien Wahlen nach dem Ende der Apartheid), obwohl der ANC mit über 60% der Stimmen deutlich eine absolute Mehrheit errungen hatte, eine Regierung der Nationalen Einheit mit der National Party (NP) und der IFP.
[6] Das vorherige ANC-Kabinett (Alleinregierung) hatte „nur“ 30 Ministerposten. Im Zuge der GNU-Kabinettsbildung stand Präsident Ramaphosa vor der Herausforderung, ANC-Kader und Vertreter der neuen Koalitionsparteien ausreichend mit Ämtern zu versorgen.
[7] Als eines von vielen Beispielen für diese Art von Ressortbesetzung kann das Innenministerium gelten: Dieses wird von Leon Schreiber, dem früheren Strategiechef der DA geleitet. Sein stellvertretender Minister ist der ANC-Politiker Njabulo Nzuza, ein ehemaliger Generalsekretär der Jugendorganisation des ANC. Ideologisch könnten beide Politiker nicht weiter voneinander entfernt sein.
Thèmes
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Auslandsbüro Südafrika
À propos de cette série
La Fondation Konrad-Adenauer est présente avec son propre bureau dans 70 pays du monde sur les cinq continents. Les collaborateurs locaux peuvent rapporter de première main les événements actuels et les évolutions à long terme dans leur pays d'accueil. Leur « rapports nationaux » présentent en exclusivité aux utilisateurs du site Internet de la Fondation Konrad-Adenauer des analyses, des informations de fond et des évaluations.