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Lateinamerika in der Corona-Krise

Im Blick auf die Pandemie bleibt das Bild in Lateinamerika weiterhin uneinheitlich, da einige Länder, wie etwa Uruguay, Chile, Kolumbien, Costa Rica und Panama aufgrund ihrer zielgerichteten Pandemiehandhabung schneller in eine „neue Normalität“ zurückgefunden haben, während Länder wie Argentinien, Peru, Ecuador, Bolivien und Guatemala weiterhin einen geeigneten Umgang mit der Pandemie und deren Folgen suchen. In Mexiko und Brasilien bleibt die Lage weiterhin intransparent und es fehlt an klarer Kommunikation und Durchsetzung von Präventionsmaßnahmen seitens der Nationalregierungen.

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Generelle Situation

Lateinamerika hatte sich im vergangenen Jahr aufgrund einer zunächst schleppenden Impfkampagne und einer in vielen Ländern unzureichenden Gesundheitsversorgung zum weltweiten Hotspot der Pandemie entwickelt. Die Infektionsraten und tödlichen Verläufe der Covid-19-Pandemie waren drastisch und in vielen Staaten mussten die Menschen monatelange Lockdowns über sich ergehen lassen. Rund 1,6 Millionen Menschen sind mit oder an Covid-19 gestorben. Mittlerweile haben die allermeisten Länder relativ gute Impfquoten vorzuweisen, die Gesamtimpfquote in der Bevölkerung in Südamerika liegt mit 68 Prozent nur knapp hinter derjenigen in der Europäischen Union mit 71 Prozent.

Die Regierungen sind in vielen Ländern von eher strengen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hin zu lockereren Regimen der Handhabung der Krise übergegangen. Mit der Ausbreitung der Omikron-Variante steigen die Infektionszahlen in der Region zwar gerade wieder massiv an und bringen die Gesundheitssysteme an ihre Grenzen, jedoch scheint auch hier der mildere Krankheitsverlauf nach Ansteckung zu geringeren Todesraten zu führen. In vielen Ländern gibt es nicht mehr dieselben einschneidenden Beschränkungen des öffentlichen Lebens wie im letzten Jahr, sondern eine zunehmende Öffnung des täglichen Lebens unter der Voraussetzung verschiedener Gesundheitsprotokolle wie Impfpass, Abstands- und Maskenregeln oder die Begrenzung von Menschenaufläufen. So soll auch das Bildungssystem wieder funktionsfähig gemacht werden, indem bspw. die während der Pandemie von teilweise fast einjährigen Schließungen betroffenen Schulen (Costa Rica, Argentinien, Panama, Venezuela) wieder ihren Regelbetrieb aufnehmen. Die Schulausfälle führen zu dramatischen Folgen für den Bildungsstand einer ganzen Generation. Eine Vielzahl an Kindern wird die Schule nicht wiederaufnehmen und ohne Abschluss bleiben.

 

Entspannung, aber keine Entwarnung

Nachdem viele lateinamerikanische Staaten beim Impfen vor einem Jahr noch aufgrund weltweiter Beschaffungsengpässe und Verteilungskämpfe benachteiligt waren, konnten sie diesen Rückstand dank einer teilweise sehr liberalen Beschaffungspraxis und der Annahme vor allem chinesischer und russischer, aber auch kubanischer Vakzine (Sinovac, Sputnik V und Abdala), die in vielen Ländern Europas und den USA weiterhin keine Zulassung haben, wieder gut machen. Mittlerweile sind viele Länder in Lateinamerika dazu übergegangen, die sog. Booster-Impfungen mit westlichen Impfstoffen (BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Moderna, Johnson&Johnson) durchzuführen.

Mit der Mutation des Virus zu einer leichteren Variante geht keine Entwarnung für die lateinamerikanischen Staaten einher, die weiterhin unter einer prekären Situation leiden. Dies gilt besonders für die beiden von Populisten geführten Wirtschaftsmächte Brasilien (Jair Bolsonaro) und Mexiko (Andrés Manuel López Obrador), in denen die allgemeine Gesundheitsversorgung und die Präventionsmaßnahmen, bspw. die Impfraten im Fall von Mexiko, eher noch unzureichend sind. Zu Jahresbeginn haben die Infektions- und Todeszahlen neue Rekordstände erreicht. In Brasilien werden an manchen Tagen, bspw. im Januar bisweilen 672 neue Todesfälle und 228.954 Neuinfektionen (27.01.) gemeldet, wodurch Corona wieder die häufigste Todesursache im Land geworden ist. Insgesamt sind in Brasilien bisher mehr als 630.000 Todesfälle seit Beginn der Pandemie zu beklagen. Grund hierfür ist neben einer völlig unzureichenden Pandemie-Strategie der Regierung Bolsonaro vor allem auch die hohe Bevölkerungsdichte in Ballungsräumen wie São Paolo, die Art der wirtschaftlichen Aktivitäten (großer informeller Sektor), der Mangel an medizinischer Versorgung (z. B. mangelnde Sauerstoffversorgung im Amazonas) sowie die schleppende Impfkampagne, die dazu geführt haben, dass es hohe Ansteckungsraten und viele Todesfälle in der Bevölkerung gibt. Im Andenland Peru sind bspw. seit Beginn der Pandemie über 205.000 Menschen an den Folgen der Erkrankung gestorben. Damit hat das Land mit ca. 33 Millionen Einwohnern eine der höchsten Todesraten pro Einwohner weltweit. Da die Informationslage bzw. die offiziellen Daten in den meisten Ländern zudem unzuverlässig sind, oder wie im Fall Brasiliens durch einen Hackerangriff auf die Datensysteme des Gesundheitsministeriums im Dezember unzugänglich waren, muss man von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer an Corona-Fällen ausgehen.

 

Vorsichtige wirtschaftliche Erholung

Im Verlauf der Pandemie haben sich viele Länder der Region aufgrund extremer Wirtschaftseinbrüche weiter verschuldet. Die Region gilt nun als die am stärksten verschuldete Region der Welt. Die zunächst wenig sicht- und spürbare Hilfe aus dem Westen zwang viele Staaten, nach alternativen Partnern bei der Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen zu suchen. Als Konsequenz haben sich viele der Volksrepublik China weiter angenähert, z.B. streben Argentinien und Ecuador Freihandelsabkommen mit dem Reich der Mitte an, um den Staatsapparat am Laufen zu halten. Generell haben sich bereits vor der Pandemie bestehende wirtschaftliche Abhängigkeiten vergrößert. Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bleiben enorm und die Realeinkommen der Menschen sinken bei gleichzeitig hohen Inflationsraten. Ohnehin sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten sind noch weiter in die Armut abgestiegen und für viele stellt sich nun auch das Problem der Ernährungssicherheit.

Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich in der größtenteils wiedereinsetzenden Wirtschaftsaktivität in der Region ab, welche nach dem Willen vieler Regierungen zukünftig nachhaltiger und inklusiver gestaltet werden soll. Die OECD sagt ein positives Wachstum für die ganze Region in den nächsten Jahren voraus. Nachdem die Region im Jahr 2020 mit -7,7 Prozent Wachstum einen ihrer größten Wirtschaftseinbrüche ihrer Geschichte erfahren hatte, konnten mehrere Länder im Jahr 2021 verlorengegangene Beschäftigungsverhältnisse zurückgewinnen und mit entsprechenden Wirtschaftswachstumszahlen nahe oder ganz an das wirtschaftliche Niveau vor der Pandemie heranrücken. Kolumbien bspw. konnte fast 90 Prozent der verlorenen Arbeitsplätze wiederherstellen und mit einem Wirtschaftswachstum von 10 Prozent in 2021 hat das Land sein wirtschaftliches Niveau vor der Pandemie wieder erreicht. Mit OECD-Wachstumsprognosen von 5,5 Prozent für 2022 und 3,1Prozent für das Folgejahr zählt es damit zu den wachstumsstärksten Ländern in der OECD und in Lateinamerika. Soziale und wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen zur Unterstützung ihrer Bevölkerungen können nun wieder ein wenig höher ausfallen, wenn auch auf Kosten einer höheren Staatsverschuldung. Ob sich die in Schieflage geratenen Volkswirtschaften in Lateinamerika jedoch mittelfristig vollständig erholen können, bleibt abzuwarten. Die OECD geht davon aus, dass ein Vorkrisenniveau nicht vor 2023/2024 erreicht werden wird.

 

COVID-19 im Cono Sur und Brasilien

Maximilian Hedrich, Referent Cono Sur

In den Ländern des Cono Sur bestimmt aktuell wie überall auf der Welt die Omikron-Welle die Coronalage. Mittlerweile zählen Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay allerdings nicht nur regional zu den Spitzenreitern bei den Impfquoten. Eine Tatsache, die ihnen in den letzten Wochen Spielräume zu einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität ermöglicht hat. Obwohl diese Länder im Laufe der Pandemie sehr unterschiedliche Strategien bei der Eindämmung des Coronavirus gefahren sind, zeigte sich, dass ihnen die traditionell hohe Impfbereitschaft sowie die bestehende Impfinfrastruktur in Zeiten von Omikron etwas Erleichterung verschafft. Natürlich sind die Fallzahlen auch im Cono Sur auf einem Höchststand und es kommt immer noch, gerade in Brasilien, zu vielen Todesfällen. Dennoch ist die Zahl von schweren Verläufen in der Region generell gesunken und die meisten Gesundheitssysteme konnten bisher dieser neuen Welle relativ gut Stand halten.

So konnten Länder wie Chile und Argentinien die teilweise extremen Lockdown-Maßnahmen Schritt für Schritt aufheben. In Chile, das sich weltweit einen Namen als Impfweltmeister machte, war die extrem schnelle und erfolgreiche Impfkampagne sicherlich der wichtigste Schlüssel zum Erfolg. Uruguay kam während der gesamten Pandemie fast ohne größere Einschränkungen aus und setzte auf die Bereitschaft seiner Bevölkerung, den Kurs der „Freiheit in Verantwortung“ mit zu gehen. Argentinien verhängte im weltweiten Vergleich mit die strengsten Maßnahmen. Mit steigender Impfquote und unter starkem wirtschaftlichen Druck waren diese allerdings nicht mehr zu halten. Brasilien ist eines der weltweit am stärksten betroffenen Länder, das in den ersten Wellen der Pandemie traurige Höchstwerte bei den Todesopfern aufwies. Trotz eines schlechten Pandemiemanagements von Seiten der Regierung, war es die Bevölkerung, die sich massenhaft impfen ließ und somit Schlimmeres verhinderte.

Wirtschaftlich sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie verheerend. Das bereits vor der Pandemie wirtschaftlich stark angeschlagene Argentinien durchlebt zurzeit eine Inflation, die es der Wirtschaft kaum erlaubt, sich zu erholen. Brasilien als wirtschaftlicher Motor der Region kämpft mit Inflation, hoher Arbeitslosigkeit sowie einem enormen politischen Vertrauensverlust auf der internationalen Ebene. Alle Länder der Region litten und leiden zudem unter der immer noch sehr schleppenden Wiederbelebung des internationalen Tourismus, der für den Cono Sur eine sehr wichtige Einnahmequelle darstellt und an dem viele Arbeitsplätze hängen.

 

Argentinien

Inga von der Stein, Trainee Buenos Aires

Die Omikron-Variante des Coronavirus erreichte auch Argentinien. Ende Dezember 2021 stieg die Anzahl der Corona-Infektionen sprunghaft an. Anfang Januar überschritten die Neuinfektionen die 100.000-Fälle-Marke pro Tag. Vor den Testzentren bildeten sich teils stundenlang andauernde Warteschlangen. Von den durchgeführten Tests fielen zeitweise bis zu 60 Prozent positiv aus. Seit Ende Januar sinken die Fallzahlen jedoch wieder und liegen derzeit bei durchschnittlich 55.000 pro Tag. Selbsttests sind im Gegensatz zu Deutschland in Argentinien nicht verfügbar. Daher wird angenommen, dass die Dunkelziffer von Infizierten deutlich über den offiziellen Zahlen liegt.

Die hohe Zahl von Neuinfektionen löste bisher keinen dramatischen Anstieg der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle aus. Seit Anfang des Jahres stiegen die Todesfälle zwar erneut an, doch liegen sie derzeit bei einem Durchschnitt von 250 Todesfällen pro Tag. Damit sind diese allerdings deutlich unter den täglichen Durchschnittswerten von über 700 Todesfällen im Oktober 2020 und über 600 Todesfällen im Juli 2021.

Im Jahr 2020 reagierte die Regierung mit einem extrem harten Lockdown auf den Ausbruch der Pandemie. Das Home-Office wurde verpflichtend, die Schulen wurden geschlossen, das Verlassen des Hauses nur für notwendige Einkäufe sowie Krankenhausbesuche erlaubt. Verstöße gegen diese Regeln hatten als Konsequenz juristische Strafverfolgung inklusive Gefängnisstrafen. Die Grenzen Argentiniens wurden geschlossen. Auch die Mobilität innerhalb des Landes wurde eingeschränkt. Selbst die Zusammenführung von Eltern und Kindern war verboten. Argentinien wurde bekannt als eines der Länder mit dem längsten Corona-Lockdown der Welt. In den Krankenhäusern musste zu keinem Zeitpunkt Triage vorgenommen werden. Die strengen Regeln wurden erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 gelockert.

Im Vergleich zu dieser Situation ist die Lage nun entspannt. Weiterhin gelten Regeln wie das Tragen von Masken in geschlossenen Räumen. Die Umsetzung der Regeln hängt von der Regierung jeder der 23 Provinzen sowie der autonomen Stadt Buenos Aires ab. Bei dem Verdacht einer Infektion sind Corona-Tests kostenfrei. Seit November 2021 sind die Grenzen wieder geöffnet. Im Januar 2022 wurde ein Gesundheitspass eingeführt. Dieser ist über eine App der Regierung verfügbar und muss etwa bei dem Besuch von Großveranstaltungen vorgelegt werden.

 

Impfsituation in Argentinien

Argentinien besetzt einen der Spitzenplätze in Lateinamerika im Hinblick auf den Prozentsatz des geimpften Teils der Gesamtbevölkerung.[1] Mittlerweile erhielten 87,5 Prozent der Bevölkerung die erste Impfung, 76,8 Prozent sind vollimmunisiert und 28,9 Prozent erhielten bereits die Booster-Impfung (Stand: 01.02.2022). Kinder ab drei Jahren werden mit Sinopharm geimpft. Eine Debatte um eine Impfpflicht nahm bisher aufgrund des hohen Prozentsatzes der Geimpften keine Fahrt auf. Anti-Impfbewegungen haben in Argentinien keine Tradition. Protestbewegungen gegen die Corona-Impfungen sind die Ausnahme und in der Regel sehr klein. Eine Gruppe von Eltern hatte beim Bundesgericht von Córdoba eine einstweilige Verfügung eingereicht, um die Impfung von Kindern zwischen drei und 11 Jahren zu verhindern.

Argentinien war nach Weißrussland das erste Land, welches die Vakzine Sputnik autorisierte. Es gab Anfang 2021 jedoch Lieferengpässe, weshalb die Impfkampagne nur spät starten konnte. Weiterhin setzte sich Argentinien bei der Weltgesundheitsorganisation für die Zulassung der Sputnik-Vakzine ein. Mittlerweile sind auch weitere Impfstoffe in Argentinien zugelassen.[2] Vakzine wie der deutsche Impfstoff CureVac wurden in Argentinien getestet. Argentinien ist eines der Empfängerländer der COVAX-Initiative. Kreuzimpfungen sind die Norm.

Für Unmut sorgte, als im August 2021 ein Foto des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández bei einer Geburtstagsfeier im offiziellen Wohnsitz des Präsidenten auftauchte. Brisant war der Zeitpunkt der Aufnahme im Juli 2020: Zu diesem Zeitpunkt galten strenge Regeln, welche der Präsident verantwortete und gegen diese er offensichtlich selbst verstieß. Es folgten Proteste gegen den Präsidenten. Bei den anschließenden Kongresswahlen verlor die linke Regierungsallianz gegen die liberalkonservative Opposition. Die Vereinten Nationen kritisierten Menschenrechtsverletzungen in der nördlichen Provinz Formosa während des Lockdowns 2020. In Quarantäne-Zentren wurden Menschen mit und ohne Corona-Infektionen unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Wirtschaftskrise wurde durch die Covid-19-Pandemie weiter vertieft. Im Jahr 2020 ging das BIP des Landes um 9,9 Prozentpunkte zurück, der stärkste Rückgang seit 2002. Die Wirtschaft beginnt sich mittlerweile langsam zu erholen: Für 2021 sagt der Internationale Währungsfonds ein Wachstum von drei Prozent voraus. Damit liegt die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas über der Durchschnittsprognose für die Region Lateinamerika und der Karibik von 2,8 Prozent Wachstum.

Die strukturellen Probleme wie die soziale Ungleichheit wurden durch die Pandemie verstärkt. 40 Prozent der Argentinier gelten als arm. Dies ist der höchste Wert seit 2004. Kinder sind von der Armut noch stärker betroffen: UNICEF schätzt, dass in der ersten Jahreshälfte 2021 mehr als die Hälfte der argentinischen Kinder in Armut lebten. 16 Prozent der Kinder hatten nicht einmal ausreichende Lebensmittel.

Die Inflation liegt derzeit bei 50 Prozent. Das Drucken von Geld durch die Zentralbank, um Sozialausgaben zu bezahlen, trägt nicht zu einer Reduzierung der Inflation bei. Besonders die Mittelklasse wandert aufgrund dieser strukturellen Probleme ins Ausland aus. Es wird angenommen, dass über eine Million Argentinier nun im Ausland leben. Fast die Hälfte denkt darüber nach, dies ebenfalls zu tun.

Ein Problem in der Bildung ist vor allem, dass Schüler infolge der Corona-Pandemie die Schule abgebrochen haben. Offiziellen Schätzungen zufolge sind rund 600.000 Kinder noch nicht in die Schule zurückgekehrt.

Argentinien wurde durch die Corona-Pandemie inmitten einer Wirtschaftskrise getroffen. Strukturelle Probleme wie die Verarmung und die Inflation wurden intensiviert. Nach einer langsam anlaufenden Impfkampagne hat es Argentinien geschafft, aufzuholen. Fast 9 von 10 Argentiniern wurden mittlerweile mindestens einmal geimpft. Eine Debatte um eine Impfpflicht nahm daher keine Fahrt auf. Priorität hat in erster Linie die Rückkehr zur Normalität und der wirtschaftliche Aufschwung.

 

Brasilien

Anja Czymmeck, Büroleiterin Rio de Janeiro

Brasilien befindet sich 2022 in einem Wahljahr, das geprägt ist von der Covid-19-Krise, der bisher mehr als 625.000 Brasilianer zum Opfer fielen und die für einen großen Teil der Bevölkerung die extreme Armut verschärft hat. Präsident Bolsonaro wurde durch eine zu diesem Thema eingesetzte parlamentarische Untersuchungskommission (CPI) attestiert, dass er unangemessen auf die Coronakrise reagiert und für die Katastrophe der vielen Tausend Toten Verantwortung trage. Der Ausschuss stellte beispielsweise fest, dass die Regierung Bolsonaro trotz zahlreicher Angebote auf frühzeitige Impfstoffbestellungen verzichtet hat, da man fälschlicherweise von einer weitgehenden Herdenimmunität ausging und Kosten vermeiden wollte. Dies hat angesichts der vielen Todesopfer und des unvorstellbaren Leids in Brasilien selbst bei Bolsonaros Sympathisanten für Entsetzen gesorgt. Auch die Missachtung von Ratschlägen aus der Wissenschaft, die Entlassungen von insgesamt drei Gesundheitsministern während der Pandemie, die strikte Ablehnung von social distancing- und lockdown-Maßnahmen sowie die Empfehlung von völlig unwirksamen Medikamenten wie Hydroxchloroquin wurden durch den Untersuchungsausschuss festgestellt.

Aktuell sieht sich das Land mit einer heftigen Grippewelle und der Wiederausbreitung von Corona durch die Omikron-Variante konfrontiert. Aufgrund eines Hackerangriffs auf die Datensysteme des Gesundheitsministeriums war es Anfang Dezember sehr schwierig, einen genaueren und detaillierteren Überblick über die Pandemie in Brasilien zu erhalten. Durch diesen Angriff war die APP des Gesundheitssystems ConecteSUS etwa zwölf Tage lang nicht funktionsfähig, was zu großen Problemen für die Bevölkerung führte, da dies die wichtigste APP zur Erstellung von Impfbescheinigungen/ Impfpässen ist. Es war nicht möglich, auf Impfdaten zugreifen und Zugang zu Daten über die Pandemie zu erhalten.

Die aktuelle Situation der Pandemie in Brasilien ist durch einen starken Anstieg sowohl der Zahl der Infektionen als auch der Zahl der Todesfälle gekennzeichnet. Insgesamt sind bisher mehr als 625.000 Todesfälle zu beklagen. In den letzten 24 Stunden (27.01.) wurden 672 neue Todesfälle und 228.954 Neuinfektionen gemeldet, Tendenz täglich steigend. In den letzten 14 Tagen ist die Zahl der Todesfälle um 194 Prozent gestiegen, so dass Corona nach drei Monaten wieder die häufigste Todesursache im Land ist. Hinzu kommt noch eine in diesem Jahr besonders starke Grippewelle, die viele Brasilianer trotz Grippeimpfung befällt.

Nach einem vom Imperial College London berechneten Index ist die Übertragungsrate des Coronavirus in Brasilien derzeit die höchste seit 2020. Das bedeutet, dass die Ausbreitung zwar hoch ist, aber nicht mit der gleichen explosionsartigen Geschwindigkeit wie zu Beginn der Pandemie. Die Krankheit ist in Brasilien aber aufgrund der jetzt immer besser werdenden Durchimpfung weniger tödlich. Die Forscher sagen jedoch eine Verschlechterung des Bildes bis Mitte Februar voraus, wenn sie das Muster der Omikron-Variante in anderen Ländern vergleichen, die zuvor betroffen waren, und die Zahl der Brasilianer ohne vollständigen Impfschutz berücksichtigen. Brasilien ist neben den USA (73,2 Millionen) und Indien (40,3 Millionen) das Land mit den meisten bestätigten Fällen und Todesopfern. Die Sterblichkeitsrate pro Gruppe von 100.000 Einwohnern liegt in Brasilien bei 297,5 und damit auf Platz 14 in der Welt. Mit dem Anstieg der Corona- und Grippefälle hat es auch eine erhöhte Nachfrage nach Coronatests gegeben, allerdings ist es schwierig, an solche zu gelangen. Es sind derzeit lange Warteschlangen vor Apotheken und Testzentren zu beobachten. Die Online-Buchung erfordert viel Geduld und dauert oft 2 - 3 Tage bis man ein Ergebnis erhält. Schnelltests auf dem freien Markt waren bisher nicht zu bekommen. Zuletzt hat jedoch die nationale Gesundheitsbehörde (ANVIS) den Verkauf von Selbsttests autorisiert.

 

Impfsituation in Brasilien

Was die Impfung anbelangt, so erhielten 76,2 Prozent der Bevölkerung die erste Dosis. 69,29 Prozent der brasilianischen Bevölkerung wurde mit zwei Dosen oder einer einzigen Dosis geimpft. Betrachtet man die Bevölkerung unter Berücksichtigung von zwei Impfstoffdosen, so sind fast 85 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. 21 Prozent der brasilianischen Bevölkerung erhielten eine Auffrischungsdosis. Die verwendeten Impfstoffe sind Coronavac, BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Johnson/Johnson und Moderna. Mit der Impfung von Kindern und Jugendlichen wurde ebenfalls begonnen.

Eine der Hauptdebatten dreht sich derzeit um die Absage des Karnevals, einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in vielen brasilianischen Städten, vor allem Rio de Janeiro. Zahlreiche Städte haben den Straßenkarneval aufgrund der Omikron-Variante abgesagt, gleichzeitig bleiben aber die Feiertage bestehen, so dass die Möglichkeit zum Reisen bleibt. In Rio de Janeiro und Sao Paulo haben die Sambaschulen ihre Paraden auf April verschoben. Experten sind der Ansicht, dass diese Verschiebung die Ausbreitung der Ansteckung weiter hinauszögert, so dass die Wucht der neuen Welle keinesfalls bis Februar/März vorbei sein wird. Ansonsten gibt es keinerlei Beschränkungen des öffentlichen Lebens und das Tragen von Masken ist nur in geschlossenen Orten vorgeschrieben und Berichte mehren sich, dass dies immer mehr in Frage gestellt wird.

In Bezug auf die Wirksamkeit des Impfstoffs vertritt Präsident Bolsonaro weiterhin eine ablehnende Haltung. Auch mehrere Äußerungen des Gesundheitsministers, Marcelo Queiroga, deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen durch den Präsidenten und Regierungsmitglieder in Frage gestellt wird. Dies wurde z. B. beim Widerstand des Gesundheitsministers bei der Unterstützung der Impfung von Kindern deutlich, als diese von der staatlichen Gesundheitsbehörde ANVISA empfohlen wurde. Trotz der kritischen, offiziellen Haltung der Regierung ist Brasilien ein Land mit einer sehr guten Infrastruktur für Impfungen und laut einer von der Weltbank und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) durchgeführten Umfrage gibt es in Brasilien die geringste Impfmüdigkeit in Lateinamerika.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Auswirkungen der Pandemie haben mehrere direkte Folgen für die brasilianische Bevölkerung. Als erstes zu nennen ist die hohe Zahl der Infizierten, die das öffentliche und private Gesundheitsnetz überlastet sowie die hohe Zahl der Todesfälle, die sich auch auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirkt. Dies wird durch einen erheblichen Anstieg der Krankheitsbilder, wie Depression, Panikattacken, Schlafstörungen und Angstzuständen deutlich. Die Pandemie hatte auch zur Folge, dass es einen extremen Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt gab, ebenso wie eine Zunahme des Alkoholkonsums.

Die Pandemie hatte bisher schon erhebliche negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, denn sie führte zu einer großen Zahl von Arbeitslosen (Arbeitslosenquote 13,5 Prozent). Die Lebensmittelpreise, vor allem auch für Grundnahrungsmittel, sind extrem gestiegen, was viele Familien in noch größere Probleme gestürzt hat, da die Ernährungssicherheit nicht mehr gegeben ist. Darüber hinaus stiegen die Energiepreise und gleichzeitig auch die Inflation (10,2 Prozent 2021), was insgesamt zu einem starken Kaufkraftverlust bei den Gehältern geführt hat. Die Ungleichheit hat sich somit verstärkt, denn der Anteil der Brasilianer, die in extremer Armut leben hat sich seit Beginn der Pandemie fast verdreifacht - von 4,5 Prozent auf 12,8 Prozent. Vor diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass Frustration und Zukunftsangst viele Menschen prägen.

Mit dem Auftreten der Omikron-Variante und dem damit verbundenen starken Anstieg der Zahl der Infizierten haben sich die wenigen ermutigenden Aussichten auf eine wirtschaftliche und soziale Erholung weiter verschlechtert. Trotz der breiten Akzeptanz der Impfung haben die Auswirkungen der Pandemie mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen die Polarisierung im Land vertieft. Brasilen steht nun in einem Wahljahr und je länger die Pandemie jetzt noch anhält, desto mehr wird auch die Frage des Umgangs mit ihr Auswirkungen auf den Ausgang der Wahlen haben.

 

Chile

Andreas Klein, Büroleiter Santiago de Chile

Die Covid-Variante Omikron hat auch Chile fest im Griff. Mit inzwischen über 34.000 Neuinfizierten am Tag (Stand: 6. Februar) erreicht das Land neue Höchstwerte, die die Infektionszahlen der ersten und zweiten Welle vom Juni/Juli 2020 bzw. Mai/Juni 2021 in den Schatten stellen. Dennoch ist die Situation eine andere als noch in den beiden zurückliegenden Jahren. Chile führt seit 1,5 Jahren eine der erfolgreichsten Impfkampagnen weltweit durch. 88,9 Prozent der Gesamtbevölkerung von knapp 18 Millionen Einwohnern sind mit zwei Impfdosen geimpft. Eine dritte, sogenannte Booster-Impfung, haben bereits 67 Prozent (12,81 Millionen Einwohner) der Gesamtbevölkerung erhalten. Mittlerweile wird für Personal im Gesundheitsbereich sowie für die Personengruppe der über 55-jährigen eine vierte Impfung angeboten.

Die hohe Impfquote wirkt sich positiv auf den Krankheitsverlauf sowie auf die Todesfallzahlen aus. Bis zum heutigen Tage sind 39.987 Menschen am Covid-Virus gestorben; zuletzt im Schnitt 50 Menschen am Tag. Im Juni 2020, während der ersten Pandemiewelle, lag dieser Wert noch bei beklagenswerten 170-190 Menschen am Tag. Deutlich niedriger liegen die Zahlen heute ebenso bei der Belegung von Intensivbetten. Während der Hochphase der zweiten Welle von April bis Juni 2021 waren im Schnitt über 4.000 Betten im Intensivbereich der Krankenhäuser belegt. Das Kontingent der Intensivbetten im Land wurde binnen eines Jahres von knapp 1.000 auf 4.500 mehr als vervierfacht. Heute stehen im Land ca. 2.100 Intensivbetten zur Verfügung, von denen gegenwärtig 1.800 belegt sind. 476 Patienten befinden sich gegenwärtig in einem kritischen, lebensbedrohlichen Zustand.

 

Impfsituation in Chile

Während zu Beginn der Pandemie überwiegend das Vakzin des chinesischen Herstellers Sinovac verimpft wurde, wurde für die dritte und vierte Impfung auf die Impfstoffe von BioNTech/ Pfizer- und AstraZeneca zurückgegriffen. Die Impfkampagne läuft inzwischen ab der Altersgruppe der Dreijährigen, die ihre ersten beiden Impfdosen ebenfalls von der Firma Sinovac erhalten. Um der Pandemie in Ansätzen Herr zu werden und das Ansteckungsrisiko zu minimieren, verfolgt die Regierung einen Fünf-Phasen-Plan (https://www.gob.cl/coronavirus/pasoapaso/), der je nach Infektionslage auf die einzelnen Kommunen heruntergebrochenen Maßnahmen bis zum Lockdown vorsieht. Zwischenzeitlich befand sich das Land in Phase 4, die viele Begegnungen und Freiheiten im öffentlichen Raum erlaubte. Mittlerweile sind alle Kommunen im Land entweder auf Phase 2 und 3 zurückgestuft worden, so dass es gewisse Einschränkungen der Versammlungsfreiheit sowie Kapazitäts- und Kontaktbeschränkungen im öffentlichen wie im privaten Bereich gibt. Ein Totallockdown wie im Jahr 2020 soll vermieden werden. Ebenso sollen die Schulen nach den Sommerferien ab März wieder regulär ihren Betrieb aufnehmen. Im öffentlichen Raum sowie in Gebäuden, Bussen, Bahnen etc. gilt Maskenpflicht, die ohne Diskussionen eingehalten wird. Für den privaten Bereich wird von der Regierung ebenfalls das Tragen von Masken empfohlen.Die Bevölkerung trägt weitgehend die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit. Eine nennenswerte Anti-Covid-Bewegung gibt es nicht.

 

Auswirkungen der Pandemie

Während sich die chilenische Wirtschaft in den zurückliegenden Monaten gut erholt hat und die Firmen Personal einstellen, zeigen sich die Folgen der Pandemie insbesondere im akademisch-schulischen Bereich. Vor allem die privaten Schulen konnten sich nach der Umgewöhnungsphase auf virtuellen Unterricht gut einstellen. In den öffentlichen Schulen fehlte es hingegen oftmals an Material, Qualifikation des Lehrpersonals sowie an Unterstützung der oftmals bildungsfernen oder sozial-schwachen Familien. Hier wird sich der quasi einjährige Unterrichtsausfall möglicherweise auf die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler auswirken.

Im wirtschaftlichen und sozialen Bereich hat Chile umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um insbesondere sozial schwache Familien und Geringverdiener zu unterstützen. Diese Hilfen laufen nun zeitnah aus angesichts der anlaufenden Wirtschaft.

Insgesamt ist Chile bislang verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen. Ab Dezember 2020 hat die Regierung frühzeitig auf eine konsequente Impfkampagne gesetzt, die sie kommunikativ begleitet hat. Die Kampagne wurde anschließend in den Gemeinden umgesetzt. Mit einer hohen Testquote schufen die verantwortlichen Stellen zudem größtmögliche Transparenz. Daneben hat die in vielen Bereichen stark kritisierte Regierung wirksame Sozialpakete geschnürt, um Familien sowie klein- und mittelständige Unternehmen in der Krise zu unterstützen. Parallel hat Chile in den zurückliegenden zwei Jahren unter Pandemiebedingungen vier Wahlen durchgeführt, die einwandfrei unter demokratischen und sanitären Gesichtspunkten durchgeführt wurden.

 

Uruguay

Sebastian Grundberger, Büroleiter Montevideo

Die Omikron-Welle hat Uruguay mit voller Wucht erwischt - mit bis zu 12.000 bestätigten täglichen Covid-Fällen bei einer Bevölkerung von 3,5 Millionen. Einwohnern und einer Test-Positivitätsrate von 35-45 Prozent. Die Todeszahlen und die Belegungszahlen auf Intensivstationen in Krankenhäusern sind deutlich gestiegen, ohne jedoch die bisherigen Höchstwerte vom April 2021 zu erreichen.

Das öffentliche Leben läuft weitgehend normal und ohne Einschränkungen. In geschlossenen Räumen und im ÖPNV gilt Maskenpflicht – ansonsten gibt es für Massenveranstaltungen gewisse Maximal-Teilnehmerzahlen (etwa in Fußballstadien). Die Grenzen sind seit November 2021 wieder geöffnet – es wird lediglich ein negativer Covid-Test verlangt. Einige Firmen und öffentliche Einrichtungen arbeiten schwerpunktmäßig im Homeoffice – allerdings gibt es weder eine Pflicht noch einen öffentlichen Aufruf zum Homeoffice.

 

Impfsituation in Uruguay

Die uruguayische Impfquote (zwei Dosen) liegt in der erwachsenen Bevölkerung bei über 90 Prozent, Kinder werden erst seit wenigen Wochen geimpft. Über die Hälfte der Bevölkerung hat einen Booster erhalten. Nachdem Uruguay in der ersten Pandemiephase vor allem auf den einzig verfügbaren Impfstoff, das chinesische Sinovac-Präparat, setzte, verimpft Uruguay mittlerweile ausschließlich den Impfstoff von BioNTech/Pfizer. In der Anfangsphase der Pandemie wurden auch einige wenige AstraZeneca-Dosen verimpft. Da es nie wirklich einen Lockdown gab, sind die Menschen Bewegungsfreiheit gewohnt. Eine erneute Einschränkung einiger Grundfreiheiten wäre schwer zu vermitteln und wird weder von prominenter Seite gefordert noch ernsthaft diskutiert. Impfgegner sind lediglich ein Randphänomen und haben keine prominenten öffentlichen Fürsprecher.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die uruguayische Regierung setzte von Anfang an auf eine sehr freizügige Strategie mit vergleichsweise wenig Einschränkungen des öffentlichen Lebens und traf damit den Nerv vieler Menschen, was sich in hohen Zustimmungsraten niederschlägt. Gleichzeitig setzt man auf das gute Gesundheitssystem des Landes und das Vertrauen in den Staat. Als Schlagwort für die Regierungskommunikation wurde „Freiheit in Verantwortung“ gewählt.

Uruguay ist bisher eines der erfolgreichsten Länder bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Es herrscht allgemein eine große gesellschaftliche Einigkeit über den Covid-19-Kurs, die nur dann in Gefahr geraten könnte, wenn sich die aktuelle Lage noch wesentlich verschärft.

 

COVID-19 in den Andenstaaten

Dr. Thomas Schaumberg, Referent Andenstaaten

Johannes Hügel, Referent Peru, Ecuador, Sonder- und Querschnittsthemen

Die Omikron-Welle hat die gesamte Andenregion fest im Griff und führte zu einem explosionsartigen Anstieg der Fallzahlen. Gleichzeitig ist die Zahl an schweren Verläufen sowie die Todesrate bislang niedrig geblieben, ein Umstand, der neben der milderen Variante auch mit der hohen Impfquote zusammenhängt. Da das strukturell schwache Gesundheitssystem aufgrund der Omikron-Welle bislang nur punktuell an seine Belastungsgrenze gekommen ist, dominiert in den Ländern eine Lockerungspolitik, die sich auf Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln sowie Kapazitätsgrenzen beschränkt. Auch Reisen in die Region sind wieder möglich, teils mit Test- und/oder Impfnachweis.

Wirtschaftlich entspannt sich die Lage nach heftigen Einbrüchen in 2021 und 2020. Soziale Ungleichheit und Armut bleiben jedoch strukturelle Probleme, die sich durch die Pandemie verschärft haben und die Region weit über die wirtschaftliche Erholung hinaus beschäftigen wird. Für krisengebeutelte Länder wie Venezuela kam die Pandemie als zusätzliche Belastung hinzu, v.a. das Bildungswesen wird hier – wie in vielen anderen Ländern auch, aufgrund der langen Schulschließungen noch Jahre mit den Folgen beschäftigt sein.

Die Andenregion charakterisiert sich ferner durch ein sehr heterogenes Krisenmanagement der Regierungen. Einer transparenten Informationspolitik in Kolumbien steht etwa eine unzuverlässige Datenlage in Venezuela gegenüber. Peru, das zeitweise das Land mit den höchsten Todesraten pro Einwohner weltweit war, nahm besonders strenge Lockdown-Maßnahmen ebenso hin wie das aktuelle Lockerungsregime. In Bolivien hingegen spalten Corona-Proteste zunehmend Land und Regierung.

Strukturelle Probleme wie soziale Ungleichheit und Armut bleiben die größten Baustellen der Andenregion, auch wenn sich die wirtschaftliche Lage entspannt und das Vorankommen in der Impfkampagne das schwach aufgestellte Gesundheitssystem bislang überfordert.

 

Kolumbien

Stefan Reith, Büroleiter Bogotá

Nach einer deutlichen Entspannung in der zweiten Jahreshälfte 2021 nahmen die Infektions- und Todeszahlen, wie von den Experten erwartet, zum Jahreswechsel wieder deutlich zu. Die Ausbreitung der Omikron-Variante zum Jahresbeginn, die aktuell bereits 95 Prozent der Neuinfektionen ausmacht, verstärkte das Infektionsgeschehen deutlich. Am 26. Januar 2022 wurden offiziell 17.889 Neuinfektionen und 282 Corona-Todesfälle verzeichnet (bei einer Gesamtbevölkerung von 50 Millionen.). Die Auslastung der Intensivbetten im Department Antioquia stieg wieder über die kritische Grenze von 90 Prozent. In Bogotá und anderen Landesteilen liegt die Auslastung der Intensivbetten aktuell dagegen weiter unter dieser kritischen Schwelle. Insgesamt verzeichnet Kolumbien seit Pandemiebeginn 5.798.799 Corona-Infektionen und 133.019 Todesopfer. Aufgrund der enormen Entwicklungsunterschiede im Land, vor allem zwischen den urbanen Zentren und der rural geprägten Peripherie, wo es kaum staatliche Infrastruktur gibt, dürfte die Dunkelziffer um ein Vielfaches höherliegen.

 

Impfsituation in Kolumbien

Die Impfkampagne kommt trotz des genannten Entwicklungsgefälles und der geographischen Herausforderungen gut voran. Inzwischen wurden insgesamt 70.350.747 Impfdosen verimpft. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums verfügen 30.944.953 über ein komplettes Impfschema (erforderlich: Monodosis oder Zweitimpfung). Die Zahlen der Drittimpfung (Booster) nehmen ebenfalls rasch zu. Eine politisch organisierte und öffentlich wahrnehmbare Protestbewegung von Impfgegnern gibt es in Kolumbien nicht. Die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ist hoch. Wurden angesichts mangelnder Alternativen zu Beginn auch chinesische Impfstoffe verwendet, basiert die Impfkampagne inzwischen fast vollständig auf den Impfstoffen von BioNTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca.

 

Auswirkungen der Pandemie

Trotz steigender Infektionszahlen wurden die geltenden Regelungen zur Eindämmung der Pandemie bislang nicht wieder verschärft. Staatliche Schulen und Bildungseinrichtungen sind wieder im Präsenzbetrieb. Im öffentlichen Raum (in Städten auch auf der Straße) gilt Maskenpflicht. Einreisen nach Kolumbien sind mit Impfnachweis problemlos möglich. Öffentliche Veranstaltungen sind möglich, dürfen aber bestimmte Teilnehmerkontingente nicht überschreiten. Zudem sind Mindestabstände einzuhalten. Restaurants sind angehalten, Impfzertifikate der Gäste zu überprüfen. In der Praxis wird dies jedoch nur vereinzelt umgesetzt.

Die landesweiten Sozialproteste, die vor allem im Frühsommer 2021 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Protestbewegung und den Sicherheitskräften geführt hatten und in deren Rahmen es zu Dutzenden von Toten und Hunderten von Verletzten kam, sind in der zweiten Jahreshälfte 2021 abgeflaut. Armut, Ungleichheit und die prekäre öffentliche Sicherheit schüren weiterhin die soziale Unzufriedenheit und das Protestpotential, doch zugleich sorgt die einsetzende wirtschaftliche Erholung für eine gewisse Entlastung. Nach Regierungsangaben konnten bis Dezember 2021 fast 90 Prozent der im Rahmen der Pandemie verlorengegangenen Beschäftigungsverhältnisse zurückgewonnen werden. Mit einem Wirtschaftswachstum von 10 Prozent in 2021 hat Kolumbien das wirtschaftliche Niveau vor der Pandemie längst wieder erreicht. Die Wachstumsprognose für 2022 liegt laut OECD bei 5,5 Prozent und für das Folgejahr bei 3,1 Prozent. Kolumbien zählt damit zu den wachstumsstärksten Ländern in der OECD und in Lateinamerika. Sorgen bereitet allerdings die während der Pandemie stark angestiegene Staatsverschuldung, die mit 53 Prozent des Bruttoinlandprodukts einen neuen Höchststand erreicht hat und die Regierung künftig zu einer sparsamen Haushaltsführung zwingt.

Angesichts der bereits vor der Pandemie bestehenden vielfältigen Herausforderungen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungssektor hat Kolumbien die Herausforderungen der Pandemie bislang vergleichsweise gut gemeistert. Die Regierung hat sich insbesondere durch eine transparente Informationspolitik, schnelles Handeln beim Aufbau notwendiger Intensivkapazitäten und ein gutes Management der Impfkampagne ausgezeichnet. Vor dem Hintergrund des langjährigen internen Konflikts bescheinigen internationale Beobachter der kolumbianischen Gesellschaft zudem eine bemerkenswerte Resilienz und Robustheit im Umgang mit Krisen, von der das Land in der Pandemie sicherlich profitiert hat. Die neue Infektionswelle im Zuge der Ausbreitung der Omikron-Variante wird daher voraussichtlich nicht zu einer erneuten Lähmung von Wirtschaft und Gesellschaft führen, zumal Einschränkungen im Wahljahr 2022 äußerst unpopulär und politisch kaum durchsetzbar sind. Da der beginnende Wahlkampf die Pandemie inzwischen auch medial aus den Schlagzeilen verdrängt hat, spielt die Pandemie in der öffentlichen Debatte und Wahrnehmung inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle.

 

Venezuela

Annette Schwarzbauer, Büroleiterin Caracas

In Venezuela sind im Januar 2022 die täglich durch die Regierung neu gemeldeten Covid-19-Infektionsfälle sprunghaft angestiegen. Am 1. Februar wurden 1.801 Fälle gemeldet bei einer Gesamtbevölkerung von rund 29 Millionen Einwohnern. Seit Beginn der Pandemielage wurden insgesamt 487.775 Infizierte registriert, 464.939 Genesene, 5.454 Personen sind verstorben. Die meisten Todesfälle wurden im Zeitraum von April bis Oktober 2021 vermeldet, rund 18 pro Tag, davor und danach liegen die Zahlen bei rund 6 – 8 pro Tag. Die venezolanische Gesellschaft für Infektiologie und verschiedene Nichtregierungsorganisationen bemängeln fehlende Verlässlichkeit der Zahlen und mangelnde Testkapazitäten. Es sei von höheren Zahlen auszugehen.

Im Vergleich zur Region sind die Auswirkungen von Covid-19 im Land geringer, was laut Katholischer Universität auf eingeschränkte Mobilität im Rahmen der tiefgreifenden Krise in Venezuela zurückzuführen ist. Angesichts der seit Jahren bestehenden wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Krise, die alle Lebensbereiche betrifft, stellt die Pandemie eine zusätzliche Herausforderung dar. 95 Prozent der venezolanischen Bevölkerung leben in Armut, 77 Prozent in extremer Armut (Umfrage ENCOVI).

Seit Mitte März 2020 waren in Venezuela verschiedene Maßnahmen und Einschränkungen in Kraft, die nach und nach gelockert wurden. Nach anfänglich strengen Ausgangsbeschränkungen wurde im Jahr 2021 das System „7 und 7“ eingeführt, sprich: eine Woche mit strengen Ausgangsbeschränkungen, eine Woche mit Lockerungen. Seit Anfang November besteht eine durchgängige Lockerung. Es gelten weiterhin Regeln zur Einhaltung verschiedener Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht. Im Rahmen der Flexibilisierung wurden Ausgangsbeschränkungen, Einschränkungen zum Präsenzbetrieb und bezüglich Versammlungen u.a. aufgehoben.

 

Impfsituation in Venezuela

Laut Regierungsinformationen sind 96 Prozent der Erwachsenen geimpft, wobei nicht nach Erst-, Zweitimpfungen und Booster-Impfungen differenziert wird. Seit Beginn des Präsenzunterrichts gegen Ende 2021 wird in Schulen geimpft. Es werden vor allem die Impfstoffe Sinopharm und Sinovac, Sputnik und der in Kuba entwickelte Impfstoff Abdala verwendet, teilweise erfolgt die Beschaffung über den Covax-Mechanismus, teilweise über direkte Spenden der jeweiligen Regierungen.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Auswirkungen von Covid-19 und der damit verbundenen Maßnahmen sind vor allem im sowieso gebeutelten Bildungssektor zu spüren. Die Schulen waren 41 Wochen lang geschlossen, und Distanzunterricht war wegen schwacher Internetverbindungen und fehlender Ausrüstung sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern vielfach kaum möglich. Im Universitätsbereich sind die Auswirkungen ähnlich. Im Gesundheitsbereich ist zu beobachten, dass wegen Ausgangsbeschränkungen oder Sorge vor Ansteckung die Diagnose anderer Krankheitsbilder oder Vorsorgemaßnahmen u.a. für Schwangere zu kurz gekommen sind.

Die wirtschaftliche Lage in Venezuela stagniert auf einem nach Jahren der Krise erreichten Tiefpunkt. Punktuelle Ansätze von Wiederbelebung sind zu spüren, die mit Importerleichterungen, der De-facto-Dollarisierung und einer leicht erhöhten Erdölproduktion zu tun haben. Vor allem im Privatsektor sind kleine Verbesserungen festzustellen.

Die Pandemie stellt für Venezuela, ein Land, das seit Jahren unter einer tiefen Krise leidet, eine zusätzliche Herausforderung dar. Im Vergleich zur Region hat Covid-19 das Land – anscheinend wegen geringer Mobilität der Bevölkerung – weniger getroffen. Auswirkungen sind mittel- und langfristig vor allem im Bereich Bildung und möglicherweise Gesundheit zu erwarten. Die wirtschaftliche Situation hat zu einem vorsichtigen und zunehmend flexiblen Umgang mit Covid-19 geführt.

 

Peru

Dr. Robert Helbig, Büroleiter Lima

Die schnelle Ausbreitung der Virus-Variante Omikron schlägt sich in einer hohen Zahl an Neuinfizierten nieder, die momentan in etwa bei 30.000 Fällen pro Tag liegt. Die Ziffer schwankt jedoch sehr seit Anfang der dritten Welle. Aufgrund der hohen Impfquote kommt es nur noch vereinzelt zu Engpässen in den Krankenhäusern und zu schweren Krankheitsverläufen.

Seit Beginn der Pandemie sind über 205.000 Menschen an den Folgen der Erkrankung gestorben. Damit hat das Land mit ca. 33 Millionen Einwohnern eine der höchsten Todesraten pro Einwohner weltweit. Gründe hierfür sind hauptsächlich die geringe Umsetzbarkeit der Schutzmaßnahmen für diejenigen Menschen, die auf regelmäßige Einnahmen durch ihre tägliche Arbeit angewiesen sind (über siebzig Prozent der Arbeitnehmer sind informell beschäftigt), sowie die unzureichende medizinische Versorgung (insb. Sauerstoffmangel) und sanitäre Lage in weiten Teilen des Landes.

Trotz weitreichender Staatshilfen, die zu den ambitioniertesten in ganz Lateinamerika zählen, belief sich der Einbruch der Wirtschaft 2020 auf mindestens 12 Prozent. Im Folgejahr konnte sich die Wirtschaft mit über 13 Prozent Wachstum jedoch wieder erholen. Für das Jahr 2022 sind nach momentanen Prognosen 4,3 Prozent Wirtschaftswachstum zu erwarten. Auch wenn sich die Wirtschaftslage wieder deutlich erholt hat, werden die Folgen der Wirtschaftskrise lange nachwirken und das Problem der sozialen Ungleichheit noch weiter verstärken.

 

Impfsituation in Peru

Die Verbesserung der Gesundheits- und Wirtschaftslage ist auf die erfolgreiche Impfkampagne zurückzuführen. 70 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft; über 23 Prozent sind bereits geboostert. Neben BioNTech/Pfizer und AstraZeneca wird auch der chinesische Impfstoff Sinopharm verwendet. Nur vollständig Geimpfte dürfen Geschäfte und Restaurants betreten; für die Einreise ins Land werden zwei Dosen vorausgesetzt. Bei bestimmten Anlässen wie Stadionbesuchen wird bereits der Nachweis einer dritten Impfdosis verlangt. Gleichzeitig wurden die Ausgangsbeschränkungen gelockert. Unterricht findet teilweise wieder im Hybrid-Modus statt.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Maßnahmen der Regierung, wie die implizite Impfpflicht und die weiterhin bestehenden Beschränkungen, haben keinen besonderen Einfluss auf die politische Stimmungslage im Land. Die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber den vergleichsweise strengen Maßnahmen kann auf die anfänglich hohen Todeszahlen zurückgeführt werden.

 

Ecuador

Dr. Robert Helbig, Büroleiter Lima

In Ecuador sind seit Beginn der Pandemie bisher über 35.000 Menschen der rund 17,6 Millionen Einwohner an den Folgen der Erkrankung gestorben. Gründe für die verhältnismäßig hohe Sterberate im Land sind die geringe Umsetzbarkeit der Schutzvorkehrungen für diejenigen Menschen, die auf regelmäßige Einnahmen durch ihre tägliche Arbeit angewiesen sind (mehr als 50 Prozent informeller Sektor), die unzureichende medizinische Versorgung (insb. Sauerstoffmangel) und die allgemeine sanitäre Lage in weiten Teilen des Landes. Die Bilder der Leichen auf den Straßen von Guayaquil brachte das Land in die internationalen Schlagzeilen.

 

Impfsituation in Ecuador

Mittlerweile hat sich die Gesundheitslage verbessert, was auf die erfolgreiche Impfkampagne der neuen Regierung unter Präsident Guillermos Lasso zurückzuführen ist, die anfänglich zu einer der erfolgreichsten weltweit zählte. Über 75 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft; über 15 Prozent sind bereits geboostert. Neben BioNTech/Pfizer und AstraZeneca wird auch der chinesische Impfstoff Sinovac verwendet. Nur vollständig Geimpfte dürfen Geschäfte und Restaurants betreten. Die Ausgangsbeschränkungen und Unterrichtsmodalitäten werden durch ein Ampelsystem pro Region unterschiedlich geregelt. Für die Einreise ist ein negativer PCR-Test notwendig. Zurzeit liegen die Fallzahlen aufgrund der sich schnell ausbreitenden Omikron-Variante bei ca. über 10.000 Neuinfizierten pro Tag. Die Ziffer schwankt jedoch sehr seit Anfang der dritten Welle. Aufgrund der hohen Impfquote kommt es jedoch nur noch vereinzelt zu Engpässen in den Krankenhäusern und zu schweren Krankheitsverläufen.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Maßnahmen der Regierung, wie die implizite Impfpflicht und die weiterhin bestehenden Beschränkungen, haben keinen besonderen Einfluss auf die politische Stimmungslage im Land. Die Impfkampagne sorgte anfänglich sogar für einen Beliebtheitsschub des Präsidenten und half dabei, die Wirtschaftsaktivitäten zu reaktivieren.

Nachdem der Einbruch der Wirtschaft im Jahr 2020 bei mindestens knapp 8 Prozent gelegen hatte, konnte sie sich im Folgejahr 2021 mit ca. 3,6 Prozent Wachstum leicht erholen. Für das Jahr 2022 sind nach momentanen Prognosen ca. 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum zu erwarten. Auch wenn sich die Wirtschaftslage wieder leicht erholt hat, werden die Folgen der Wirtschaftskrise lange nachwirken und das Problem der sozialen Ungleichheit noch weiter verstärken.

 

Bolivien

Dr. Christina Stolte, Büroleiterin La Paz

Bolivien befindet sich derzeit mitten in der vierten Corona-Welle. Mit fast 4.000 Neuinfektionen täglich bei einer Bevölkerung von knapp 12 Millionen Einwohnern erreicht das Infektionsgeschehen momentan jeden Tag neue Höchststände. Allerdings ist die derzeitige Omikron-Welle bei Weitem nicht so tödlich wie die vorherigen Wellen. Während 2020 bei Ausbruch der Pandemie die Todesraten extrem hoch waren und das Gesundheitssystem zeitweise komplett zusammenbrach, verlaufen die Infektionen momentan überwiegend unproblematisch und die Sterberate für Corona-Infektionen ist von ehemals 6,2 Prozent auf 0,6 Prozent zurückgegangen.

 

Impfsituation in Bolivien

Die Regierung feierte zum 31.01.2022 die Annäherung an die 12-Millionen-Marke an verabreichten Impfdosen (Gesamtbevölkerung: 11,67 Millionen Einwohner). Allerdings muss man genauer auf die Zahlen schauen: Lediglich 4,2 Millionen Bolivianer sind zweifach geimpft (36 Prozent), knapp 880.000 (7 Prozent) haben die dritte Auffrischungsimpfung erhalten. Relativ viele Bolivianer haben nur eine Einzeldosis (wie Johnson&Johnson) erhalten (995.000 oder 8,5 Prozent). Nach Impfgegnerprotesten wurde zum 26.01.2022 die Vorzeigepflicht eines Impfnachweises oder negativen PCR-Ergebnisses beim Betreten öffentlicher Einrichtungen, Supermärkte, Banken, Kirchen oder Universitäten wieder aufgehoben.

 

Auswirkungen der Pandemie

Wirtschaftlich hat die Corona-Pandemie Bolivien schwer getroffen. So brach das Wirtschaftswachstum 2020 um 8 Prozent ein und erholte sich auch 2021 nur langsam. Nach einem strengen Lockdown-Kurs der Interimsregierung von Jeanine Áñez (2019-2020) im ersten Jahr der Pandemie, der insbesondere die ärmeren Bevölkerungsschichten im Land hart traf und von der Oppositionspartei MAS (Movimiento al Socialismo) erfolgreich zur Mobilisierung ihrer Anhängerschaft gegen die Interimsregierung genutzt wurde, sind die meisten Corona-Beschränkungen seit der Rückkehr des MAS in die Regierungsverantwortung im November 2020 zurückgenommen worden. Eine Wiedereinführung verschiedener Beschränkungen und einer Impfnachweispflicht für den Zutritt zu öffentlichen Gebäuden und Institutionen zu Beginn der Omikron-Welle im Januar 2022 führte zu starken Protesten der MAS-Wählerschaft und der Rücknahme der zuvor beschlossenen Corona-Maßnahmen. Politisch spaltet das Virus nicht nur die bolivianische Bevölkerung, sondern auch die Regierungspartei MAS, dessen unterschiedliche Lager sich in ihrer vehementen Ablehnung oder Befürwortung einer strengeren Corona-Politik unversöhnlich gegenüberstehen.

Bolivien ist ein tief gespaltenes Land, dessen politische und gesellschaftliche Stabilität in den letzten Jahren häufig in Frage stand. Diese Polarisierung tritt auch während der vierten Corona-Welle offen zutage, wobei sie die Konfliktlinien nicht nur zwischen Opposition und Regierung, sondern auch innerhalb der Regierungspartei zwischen Anhängern schärferer oder lockerer Corona-Maßnahmen zieht. Der Zick-Zack-Kurs der linken MAS-Regierung ist ein Ausdruck der Unsicherheit der politischen Entscheidungsträger, entschlossen gegen das Pandemiegeschehen vorzugehen oder zumindest eine klare Linie zu kommunizieren. Für die Opposition könnte die Stunde günstig sein, sich als rationale Alternative darzustellen. Allerdings steht sie aktuell zu uneins da, um ein effektives Gegengewicht gegen die nach wie vor populäre MAS-Regierung darzustellen.

 

COVID-19 in Zentralamerika und Mexiko

Michaela Braun, Referentin Zentralamerika und Mexiko

Verglichen mit Europa können einige Länder Mittelamerikas mit teils prekären Gesundheits- und Sozialsystemen der medizinischen Krise und ihren sozialen und wirtschaftlichen Folgen eher wenig entgegensetzen. Die Ausgangslage ist jedoch jeweils sehr verschieden: Während Costa Rica als zukünftiges und Mexiko als vollwertiges OECD-Mitgliedsland sowie der internationale Hub Panama wirtschaftlich besser aufgestellt sind, verfügen die Länder des nördlichen Dreiecks, hierunter auch Guatemala und Honduras, über geringere Ressourcen.

Aufgrund einer mangelnden Durchführung von Corona-Tests wird in Mexiko und Guatemala vermutet, dass deutlich mehr Menschen an den Folgen des Virus gestorben sind als bislang bekannt ist. Während die Impfkampagnen in Costa Rica und Panama vergleichsweise gut vorankommen, läuft sie in Mexiko eher schleppend. Guatemala wiederum gehört sogar zu den Ländern mit der geringsten Impfquote Lateinamerikas. Das teils schlechte Management der Pandemie und ihrer Folgen durch die Regierungen schmälert dabei das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie. Verstärkt wird diese Entwicklung insbesondere, wenn einige Regierungen wie in Guatemala und Honduras die Pandemie als Deckmantel für Korruption nutzten.

Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind immens – so vor allem in Mexiko, wo die nationale Regierung keinerlei Maßnahmen ergriff, um wirtschaftliche Einbußen für die Bevölkerung und Unternehmen abzufedern. Besonders hart trifft es die Ärmsten – sei es die hohe Anzahl der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten oder auch die zahlreichen Kinder an öffentlichen Schulen, die teils bis zu 12 Monate lang gar keinen Unterricht erhalten haben. Auch außen- und entwicklungspolitische Fragen werden hier künftig noch von besonderer Relevanz sein: Einige Länder Mittelamerikas werden die Finanzierung der Corona-Maßnahmen und die Abfederung der Wirtschaftskrise nicht alleine stemmen können, sondern auf Unterstützung durch internationale Organisationen und Geberländer angewiesen sein.

 

Mexiko

Hans Blomeier, Büroleiter Ciudad de México und Laura Philipps, Trainee

Die Corona-Situation in Mexiko stellt sich auch im Jahr 2022 als Herausforderung dar. Wie erwartet ist die Omikron-Infektionswelle in Mexiko einige Wochen später angekommen als in Europa und hat die Infektions- bzw. Todeszahlen exponentiell nach oben getrieben. Die mexikanische Regierung arbeitet seit Beginn der Pandemie mit dem sog. epidemiologischen Ampelsystem (Semáforo epidemiológico) und im Laufe des letzten Monats sind etliche Bundesstaaten von grün auf gelb, orange oder sogar rot übergegangen.

Der Monat Januar 2022 wurde bis dato zu dem Monat mit den höchsten durchschnittlichen Ansteckungs- und Todesfällen seit Beginn der Pandemie. Tatsächlich wurden in den letzten Wochen Rekordzahlen an Ansteckungen (33.623 Fälle an einem Tag) und Todesfällen (532) verzeichnet. Die Informationslage bzw. die offiziellen Daten bleiben allerdings unzuverlässig und die realen Zahlen beinhalten höchstwahrscheinlich eine Dunkelziffer, die auf ein 4-Fach Höheres geschätzt werden kann, dies nicht zuletzt durch die extrem niedrige Test-Rate.

 

Impfsituation in Mexiko

Unabhängig von der hohen Infektiosität der Omikron-Variante ist die rasche Ausbreitung des Virus in Mexiko auf diverse Gründe zurückzuführen, vor allem aber auf das soziale Gefüge, fehlende Präventionsmaßnahmen bzw. einer fehlenden Pandemie-Strategie seitens der Regierung, die hohe Bevölkerungsdichte in Ballungsräumen (v.a. Mexiko-City), die Art der wirtschaftlichen Aktivitäten (informeller Sektor), den Mangel an medizinischer Versorgung sowie die schleppende Impfkampagne. In dem Zusammenhang kann hervorgehoben werden, dass momentan knapp 60 Prozent[3] der Bevölkerung doppelt geimpft ist und die Booster-Kampagne nur sehr langsam voranschreitet. Die Impfstoffe, die in Mexiko zugelassen und verimpft wurden, sind BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V, CanSino & Sinovac sowie Johnson&Johnson[4].


Auswirkungen der Pandemie

Im großen Ganzen läuft das Leben (zumindest in Mexiko-Stadt) ohne größere Einschränkungen im öffentlichen Bereich wie gewohnt weiter. Erwähnenswert ist allerdings, dass es in Mexiko, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten oder noch etlichen europäischen Staaten, keine „offensichtlich“ sichtbare Impfgegner-Gemeinde bzw. Corona Leugner gibt. Auch auf die Straße geht man in Mexiko eher, um u.a. gegen Femizide, Morde an Journalisten oder noch unaufgeklärte Verschwinden von Menschen zu protestieren. Eine Lockdown-Müdigkeit gibt es in diesem Sinne nicht, da der einzige „harte“ Lockdown gleich am Anfang der Pandemie stattfand und bereits nach 3 Monaten beendet wurde. Es zeichnet sich vielmehr eine angespannte Situation ab, in der man erkennt, dass die Bevölkerung generell Angst vor einer Ansteckung bzw. vor einem schweren Verlauf der Krankheit hat, die eine medizinische Versorgung erfordern würden. Diese ist nämlich aus finanziellen Gründen oder aus schierer mangelnder Versorgungskapazität des mexikanischen Gesundheitssystems nicht gegeben. Die Krankenhaus- und Intensivbettenkapazitäten sind extrem angespannt und teilweise zu 100 Prozent ausgelastet.

Obwohl sich die Pandemie insgesamt weltweit negativ ausgewirkt hat, sind sich Experten einig, dass sie sich in Bezug auf die Armut in Mexiko in besonders hohem Masse niedergeschlagen hat. Da die Regierung weder Kredite beantragte noch Programme bereitstellte, um die von der Pandemie betroffene Bevölkerung wirtschaftlich zu unterstützen, versucht die Bevölkerung dies mit Kreditzugängen, Überweisungen aus dem Ausland oder noch einer Eingliederung in den informellen Sektor zu umgehen. Ein positiver Ausblick auf eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Erholung ist in absehbarer Zeit leider nicht zu erwarten. Dennoch wird eine Abschwächung der Infektionskurve in den nächsten Wochen erwartet und somit besteht zumindest ein wenig Hoffnung für eine Normalisierung der Lage in Mexiko.

 

Guatemala und Honduras

Dr. Rudolf Teuwsen, Büroleiter Ciudad de Guatemala

Verlässliche Zahlen liegen für beide Länder nicht vor. Die Sterbezahlen aufgrund von Covid-19 sind derzeit aber eher niedrig. Es werden nur wenige Tests (< 15.000) pro Tag durchgeführt, von den derzeit zwischen 25 und 30 Prozent positiv ausfallen.

Seit Oktober 2020 ist in Guatemala das Management der Pandemie chaotisch. Es gibt nur wenige Einschränkungen des öffentlichen Lebens; die existierenden Beschränkungen werden kaum kontrolliert. Die meisten Kommunen befinden sich wieder auf der Alarmstufe Rot (daneben noch: Orange, Gelb und Grün), was vor allem die Wiederaufnahme des Unterrichts in den Schulen zum gerade beginnenden Schuljahr betrifft. Für die Stufe Rot gilt: Unterricht darf nur im hybriden Format stattfinden, mit verminderter Schülerzahl, und den Eltern ist es freigestellt, die Kinder zur Schule zu schicken. Die meisten der staatlichen Schulen erfüllen aber gar nicht die Voraussetzungen für diese Form des Unterrichts.

In Honduras hingegen sind derzeit keine Einschränkungen des öffentlichen Lebens bekannt.

 

Impfsituation in Guatemala und Honduras

Guatemala gehört zu den Ländern Lateinamerikas mit der niedrigsten Impfquote. Eine vollständige Impfung mit zwei Dosen haben weniger als 40 Prozent der Bevölkerung und weniger als 50 Prozent der Bevölkerung ab 12 Jahren. Dennoch wird bereits eine dritte Dosis angeboten und verabreicht. Zum Einsatz kommen: BioNTech, Moderna, AstraZeneca und Sputnik V; mehr als drei Viertel des vorhandenen Impfstoffs ist gespendet, mehr als zwei Drittel von den USA. Die Zahl der Impfverweigerer ist hoch; meist handelt es sich dabei um Indigene, die von evangelikalen Pastoren oder ihren indigenen Anführern vor dem Impfen gewarnt werden. Es ist zu gewaltsamen Angriffen gegen Impfteams gekommen, die dann wieder abziehen mussten.

In Honduras hat es noch die alte Regierung nach langsamem Start geschafft, dem Impfgeschehen im Land eine Wende zu geben, so dass die Zahl der vollständig Geimpften inzwischen über der Hälfte der Bevölkerung liegt. Mit der Impfung Minderjähriger wurde begonnen. Auch die Zahl der Verstärkerimpfungen liegt vergleichsweise hoch. Die Impfkampagnen werden mit sehr wenigen Ausnahmen von der Bevölkerung gut angenommen. Verwendet wird in der Hauptsache BioNTech, das von den USA gespendet wird, daneben auch Moderna und in geringem Maße AstraZeneca sowie Johnson&Johnson.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die kurzfristigen wirtschaftlichen Verluste des Jahres 2020 konnten in Guatemala und Honduras im Jahr 2021 ganz überwiegend wieder aufgeholt werden. Guatemala war dabei das Land Lateinamerikas mit den geringsten wirtschaftlichen Einbußen. Besonders betroffen ist der Tourismus-Sektor, der sich auch aufgrund des weltweiten Pandemiegeschehens nur sehr langsam erholt. Langfristig dürften sich vor allem die Einschränkungen im Bildungssystem negativ auf beide Länder auswirken.

Die derzeitige Regierung in Guatemala und die ehemalige Regierung in Honduras haben die Pandemie vor allem dazu genutzt, von den Unzulänglichkeiten des eigenen Regierungshandels abzulenken, korrupte Geschäfte abzuschließen und zu versuchen, die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung einzuschränken, letzteres aufgrund der nationalen und internationalen öffentlichen Aufmerksamkeit nur mit wenig Erfolg. Für die außerhalb der großen Städte wohnende Bevölkerung ist das Corona-Virus nur eine mehr von vielen Krankheits- und Todesursachen, der auch nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt und Bedeutung beigemessen wird als den anderen. Ein Bewusstsein für die Dimensionen der Pandemie gibt es nur in der relativ kleinen Bevölkerungsgruppe mit höherer Bildung.

 

Costa Rica

Evelyn Gaiser, Büroleiterin San José

Seit Pandemieausbruch gab es in Costa Rica 675.178 gemeldete Corona- und 7.521 Todesfälle (Stand: 27.01.2022), die Sterberate liegt bei 1,11 Prozent. Die Reproduktionszahl liegt aktuell bei 1,35, die Inzidenz bei 757,1.

Nachdem die Ansteckungszahlen zwischen Oktober und Dezember stark zurückgingen, haben sich diese im Januar mit der Ankunft der Omikron-Variante rapide vervielfacht. Dies beginnt sich aktuell wieder auf die Auslastung der Krankenhäuser auszuwirken; das erste Krankenhaus in der Hauptstadt erreichte diese Woche wieder die Kapazitätsgrenze, die Zahl der Hospitalisierungen liegt beim Stand von Ende Oktober.

 

Impfsituation in Costa Rica

In Costa Rica wurden ausschließlich die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer (mehrheitlich) und AstraZeneca verwendet. Derzeit haben 78,39 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Dosis erhalten. Damit liegt Costa Rica vor Deutschland und im lateinamerikanischen Mittelfeld. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf der Booster-Kampagne[5] und der Impfung der 5-11jährigen. Da es in Costa Rica ein verpflichtendes Impfschema für Kinder gibt, besteht ein grundsätzlich höheres Vertrauen in Impfungen, das sich positiv auf die Annahme der Corona-Impfung auswirkte. Seit Ende letzten Jahres ist diese für Minderjährige verpflichtend. Zwar haben sich zwischenzeitlich Gruppen von Impfgegnern gebildet, die diese Woche gewaltsam in ein Krankenhaus eindrangen, allerdings – dies bestätigt auch eine Auswertung der sozialen Medien – lehnt die Mehrheit der Costa-Ricaner diese Bewegung entschieden ab.

Kritik rief hingegen das Vorhaben der Regierung hervor, dass Gastronomie, Hotels, Einzelhandel und öffentliche Institutionen nur noch mit einem Impfzertifikat zugänglich sein sollen. Entsprechend wurde die Umsetzung des Beschlusses wiederholt verschoben. Hintergrund sind Sorgen des Gastronomie- und Tourismussektors hinsichtlich Einkommenseinbußen. Da Costa Rica keinen negativen Corona-Test für die Einreise fordert, zieht das Land auch Impfskeptiker und Corona-Leugner an.

Generell lässt sich eine Müdigkeit hinsichtlich der Corona-Maßnahmen beobachten. Aufgrund des in vielen Fällen milderen Verlaufs einer Omikron-Infektion, hat das Virus in Teilen der Bevölkerung seinen Schrecken verloren. Nach dem rapiden Anstieg der Fälle ab Januar wurden zwar zunächst wieder Fahrverbote von 22-5 Uhr eingeführt, diese wurden inzwischen auf Mitternacht und 5 Uhr reduziert. Besonders dem Tourismus- und Gastronomiesektor nahestehende Bevölkerungsgruppen kritisieren die Fahrverbote.

Auch hinsichtlich der Wahlen vom 6. Februar 2022 gab es eine Kontroverse hinsichtlich der Frage, ob mit Corona infizierte Personen ihr Wahlrecht wahrnehmen dürften. Die Behörden erklärten jedoch, dass auch wer eine Quarantäneverordnung hat, nicht von seinem Wahlrecht abgehalten werden darf. Die Möglichkeit der Briefwahl existiert in Costa Rica nicht.

 

Auswirkungen der Pandemie

Nachdem die Pandemie 2020 massive Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hatte, verbessern sich die wirtschaftlichen Eckdaten von Arbeitslosigkeit[6] über Rekordsteigerungen der Exportzahlen bis hin zu einem Haushaltsdefizit für 2021, das deutlich unter den Vorhersagen lag.

Aufgrund der langen Schulschließungen (innerhalb der OECD und Lateinamerikas waren Costa Ricas Schulen am längsten geschlossen) und der wesentlich besseren Handhabung des Distanzunterrichts in den teuren Privatschulen, dürfte die Pandemie langfristig die soziale Ungleichheit im Land vergrößern. Ebenfalls auffällig ist, dass Frauen sehr viel stärker als Männer von pandemiebedingten Einkommensausfällen betroffen waren.

Kritisch zu bemerken ist, dass Costa Rica mitunter Zeit bei der Umsetzung internationaler Standards verliert. Erst seit Januar ist bspw. der Import von Antigen-Schnelltests ins Land erlaubt. Das Land konnte jedoch von seinem guten und überall im Land präsenten Gesundheitssystem profitieren, das auch die Impfkampagne gut umsetzt. Eine von Verschwörungstheoretikern angetriebene Protestbewegung, wie bspw. die Querdenker in Deutschland, ist bislang nicht zu beobachten.

 

Panama

Winfried Weck, Büroleiter Ciudad de Panamá

Die Monate des sehr entspannten Verlaufs des COVID-19-Infektionsgeschehens in Panama zwischen April und Mitte Dezember 2021 wurden nur im Juni/Juli von der 3. Welle unterbrochen, als die durchschnittlichen 7-Tages-Werte[7] für etwa zwei Wochen auf etwa 1000 Neuinfektionen pro Tag anstiegen und damit vergleichbar mit den Zahlen während der ersten Welle von April bis Juni 2020 waren. Ende Dezember schnellten die Zahlen der Neuinfektionen allerdings drastisch nach oben und haben in der letzten Januarwoche 2022 Wochen-Mittelwerte von etwa 10.000/Tag erreicht.

 

Impfsituation in Panama

Diese Spitzenwerte bei nur 4,2 Millionen Einwohnern machen besonders in Panama deutlich, dass die Infektion durch die Omikron-Variante mit den bisherigen Impfstoffen nicht eingedämmt werden kann. Immerhin sind ca. 60 Prozent der Panamaer vollständig geimpft. Die Booster-Impfungen werden seit Anfang Dezember 2021 landesweit verabreicht und durch Informations- und Werbekampagnen der Regierung begleitet und gefördert. In Panama werden seit Beginn der Impfungen ausschließlich die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und AstraZeneca verabreicht. Aufgrund der relativ hohen Impfrate und des im Vergleich zur Deltavariante milden Verlaufs der Omikron-Variante ist das Wochenmittel der Todesfälle (bisher) bei unter 20/Tag geblieben.

 

Auswirkungen der Pandemie

Die Regierung Panamas ist im kompletten Gegensatz zu den drastischen Quarantänemaßnahmen zwischen Ende März und Anfang September 2020 zu einer Politik der Gewährung der Bewegungsfreiheit übergegangen, in erster Linie aus wirtschaftlichen und sozialen Erwägungen: Zum einen würde die panamaische Wirtschaft einen erneuten wochen- oder sogar monatelangen Lockdown nur schwerlich ertragen (insbesondere kleine und mittlere Betriebe sowie die Touristik-, Hotel- und Restaurantbranche), und zum anderen müsste bei einer erneuten strikten Quarantäne mit sozialen Unruhen gerechnet werden, da viele Menschen durch den ersten Lockdown ihre Beschäftigung verloren hatten.

Seit der vierten Januarwoche 2022 sind 7-10-tägige (Teil-) Schließungen von Betrieben oder Büros bei Auftreten von Neuinfektionen in der Belegschaft nicht mehr erforderlich, wenn die Angestellten geimpft sind. Auch im Schul- und Universitätsbereich, die beide aufgrund des Homeschooling zwischen April 2020 und November 2021 besonders von der Pandemie betroffen waren, soll der Präsenzunterricht fortgesetzt werden. Die Krise erscheint damit in weiten Teilen als gut bewältigt.

 

[1] Argentinien liegt hinter Chile, Kuba sowie Uruguay auf dem vierten Platz, was die Vollimmunisierung der Gesamtbevölkerung in Lateinamerika betrifft

[2] BioNTech, CanSino, Johnson & Johnson, Moderna, AstraZeneca, Sinopharm

[3] https://covidvax.live/location/mex

[4] https://www.insumosparasalud.com/ipsnews2/vaccines-in-mexico

[5] 58,1 Prozent aller Personen über 58 haben die dritte Dosis erhalten.

[6] Die Arbeitslosigkeit liegt im dritten Trimester 2021 zwar mit 15 Prozent noch über dem Niveau vor der Pandemie, (Vergleichswert 2019: 12,2 Prozent) allerdings unter den 21,9 Prozent, die 2020 im gleichen Zeitraum registriert wurden.

[7] Neuinfektionen pro Tag im 7-Tages-Durchschnitt, nicht vergleichbar mit der in Deutschland gebräuchliches Inzidenzzahl

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Interlocuteur

Dr. Jan Woischnik

Dr

Chef du département Amérique latine

Jan.Woischnik@kas.de +49 30 26996-3577 +49 30 26996-53577

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