Am 04. Februar 2022 feierten wir den 125. Geburtstag von Ludwig Erhard. Der langjährige Wirtschaftsminister Konrad Adenauers und spätere Bundeskanzler gab noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland den entscheidenden Impuls zur „Wirtschafts- und Währungsreform“. Damit initiierte und begleitete er maßgeblich den Weg zur Sozialen Marktwirtschaft als Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Sie ermöglicht Deutschland ein beispielloses Maß an Prosperität und Stabilität – bis heute.
Die Konrad-Adenauer-Stiftung fragte aus Anlass des Erhard-Jubiläums in mehreren analogen und digitalen Veranstaltungen nach den aktuellen ökonomischen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen – im Lichte des von Freiheit und Verantwortung umspannten Rahmens der Sozialen Marktwirtschaft. Zum Abschluss eines politisch erschütternden und ökonomisch besorgniserregenden Jahres nahmen wir dabei nochmals Geldpolitik und Preiswertstabilität in den Focus – zusammen mit dem Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und mit der Ludwig-Erhard-Stiftung.
Mit dem früheren Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Dr. Jens Weidmann, konnten wir hierfür einen der prominentesten und konsequentesten Analysten und Mahner einer im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft auf Stabilität ausgerichteten Geldpolitik gewinnen. Ergänzt wurde dies mit Beiträgen von Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. h.c. Roland Koch (Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung) und dem Kölner Volkswirten Prof. Michael Krause Ph.D. (zugleich Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln). Ca. 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich zu der Veranstaltung in der Aula der Universität zu Köln angemeldet.
Ludwig Erhard und Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft
Zwei Grundgedanken Ludwig Erhards – und der Sozialen Marktwirtschaft – griff Jens Weidmann gleich zu Beginn seines Vortrages auf: Das Vertrauen von Adenauers Wirtschaftsminister Erhard in die Kräfte des Marktes und in das Instrument der Haftung. Fehlanreize z.B. durch mangelnde Haftungsmechanismen gefährdeten die Währung. Der Primat der Währungspolitik sei daher auch naheliegend, um Markttransparenz zu gewährleisten und um die Voraussetzung für einen fundamentalen sozialen Aspekt der Sozialen Marktwirtschaft zu schaffen: Die Bekämpfung der Inflation, die vor allem die Schwächsten treffe.
Eindringlich warnte der frühere Bundesbankpräsident dagegen vor einer Gefahr „fiskalischer Dominanz“, die Staaten z.B. zum künstlichen Niedrighalten des Zinses animieren können. Mit der Unabhängigkeit der Zentralbanken und mit den Maastricht-Kriterien habe man hier im Grundsatz wichtige Sicherungsmaßnahmen getroffen.
Wie sollte Geldpolitik mit den hohen Unsicherheiten umgehen, mit denen wir zur Zeit kämpfen?
Noch 2020 hätten viele Stimmen „zu wenig Inflation“ befürchtet. Diese Einschätzung sei in relativ kurzer Zeit von den Entwicklungen und letztlich Unsicherheiten der Zeit eingeholt worden. Dabei warnte Jens Weidmann vor Panik. Unsicherheiten, verstanden als Möglichkeiten mehrerer unterschiedlicher Ergebnisse, seien nicht einfach mit Risiko gleichzusetzen – und per se hilflos stehe man den „Schwarzen Schwänen“ auch nicht gegenüber.
Man müsse nüchtern analysieren, dass die Energie- und Klimapolitik, die Neuordnung der Globalisierung (mit einem möglichen Verlust von Effizienzgewinnen), die demographische Entwicklung (mit ihrem Lohn- und Preisdruck) und das Risiko fiskalischer Dominanz reale Einflussfaktoren seien. Zudem habe sich die „Modellunsicherheit“ verstärkt. Es sei schwierig, dies noch mit verengten Einzel-Modellen zu berechnen – zumal die den Modellen zugrunde liegende Datenlage zum Teil veraltert sei. Man müsse daher einen möglichst umfassenden Ansatz zur Analyse wählen.
Aber wie könnten Notenbanken nun handeln? Der frühere Präsident der Bundesbank gab zu bedenken, dass „direkte, unkonventionelle Maßnahmen“ häufig teuer seien, auch müsse man Vorsicht walten lassen bei einem zu undifferenzierten Blick auf die U.S.A. (z.B. bei Käufen von Staatsanleihen). Denn solche „unkonventionellen Maßnahmen“ könnten perspektivisch das Streben nach Preisstabilität untergraben, falls mit ihnen Geld- und Fiskalpolitik stärker miteinander verflochten werden sollten.
Weder aktivistische Geldpolitik aus Deflationsangst, noch langes Zögern angesichts der sich aufbauenden Inflation seien angemessene Stabilitätssignale: „Ist man erst einmal im Inflationshochdruck angekommen, ist der Rückzug ziemlich mühsam.“
Man könne sich aber vorbereiten auf den Umgang mit wachsender Inflation. Dies betreffe die ganze Marktteilnehmer-Bandbreite von Banken bis Gewerkschaften. Vor allem dürfe kein Eindruck fiskalischer Dominanz entstehen. Und die Notenbanken müssten unter klaren Rahmenbedingen möglichst transparent und berechenbar handeln. Dazu gehöre auch die Konzentration auf die Kernkompetenz einer verlässlich auf Stabilität ausgerichteten Geldpolitik. Die bedeute konkret: Konzentration auf das 2%-Ziel. Und dies bedeute auch, dass die Kernaufgabe von Notenbanken eben nicht eine wie auch immer geartete Klimapolitik sei.
Grenzen der Legitimation jenseits der geldpolitischen Kernkompetenzen
Eindringlich warnte Jens Weidmann auch für einem Demokratiedefizit, wenn Notenbanken – ohne Mandat des Souveräns – plötzlich zu (klima- oder sozial-)politischen Akteuren würden. Mit den geldpolitischen Sondermaßnahmen habe man sich auf schwieriges und schwer absehbares Terrain gewagt. In den Diskussionen darüber sei für ihn immer besonders wichtig gewesen, dass die Notenbank ihr begrenztes Mandat respektiere. Notenbanker seien eben „keine gewählten politischen Akteure und sollten deshalb keine Entscheidungen treffen, die Parlamenten und Regierungen vorbehalten sind“. Ansonsten gefährdeten sie ihre Unabhängigkeit und damit die Grundlage stabilitätsorientierter Geldpolitik.
Geldstabilität und europäische Einigung
Wer den Euro und somit die Europäische Union stabil halten wolle, müsse die Besonderheiten der Konstruktion der Währungsunion – und die daraus resultierenden Gefahrenmomente – ernst nehmen. Man habe einen in seiner Art praktisch einzigartigen Währungsraum geschaffen mit politisch, fiskalisch und wirtschaftlich weitgehend eigenverantwortlichen Mitgliedstaaten. Sowohl die No-Bail-Out-Klausel als auch das Verbot der Staatsfinanzierung seien nicht ohne Grund in diesem doch sehr dezentralen System festgeschrieben worden. Und man müsse klar aussprechen: Dieser Ordnungsrahmen sei wegen der Auswirkungen nationaler Entscheidungen auf alle anderen Mitgliedsländer krisenanfälliger als ein klassischer Bundesstaat. Umso wichtiger sei also die Stabilität der Währungsunion als Ganzes. Und deswegen falle folglich soliden Staatsfinanzen der Mitgliedstaaten und einem stabilen Banken- und Finanzsystem eben nochmals mehr Bedeutung zu als in einem Bundesstaat.
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