Christoph Jansen eröffnete das Forum Kommunalpolitik in Sankt Ingbert.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans MdL hatte die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen. "Innenstädte sind Symbolstätte von Heimat", betonte Hans in seiner Videobotschaft an die Gäste des Forums. Die kommunal Verantwortlichen möchte er stärken. Das Saarland habe mit dem Saarpakt ein Förderprogramm in Höhe von einer Milliarden Euro aufgelegt. Die Kommunen sollten auf ihrem Kurs der Eigenverantwortung gestärkt werden, notwendige Investitionen vor Ort möglich sein. Gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Saarland seien das Ziel, so der Ministerpräsident.
Staatssekretär Henrik Eitel, Chef der saarländischen Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Saarlandes beim Bund, ist selbst kommunalpolitisch aktiv. Bei der Belebung der Innenstadt zähle nicht nur Geld, sondern Engagement: In Sankt Ingbert sei es gelungen, die Chancen der Stadt zu erkennen, zu packen und umzusetzen. Das sei die Aufgabe der Kommunalpolitik, so Eitel.
Prof. Dr. Ulli Meyer, Oberbürgermeister von Sankt Ingbert, sieht in den Innenstädten das Gegenstück zur Blase im Internet. "Hier begegnen sich Menschen, die anders denken, woanders herkommen und hinwollen." Jede Stadt müsse ihre Chancen erkennen und nutzen. Das könne die Natur sein, das könne der Breitbandausbau oder das Themenfeld Studierende und Lehrende sein. Es komme auf die Menschen an: "Eine Stadt ist so gut, wie die Menschen, die in ihr leben und sich zu ihr bekennen!"
Mara Bergmann, TV-Journalistin, Autorin und Altstipendiatin der Journalitischen Nachwuchsförderung der KAS, moderierte den ersten Teil der Veranstaltung.
Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian stellte im AdenauerLab das Erfolgsrezept des City Outlet Bad Münstereifel vor: Das 2014 eröffnete, erfolgreiche innerstädtische Outlet integrierte einmalig für Deutschland die historische Altstadt in das Vermarktungskonzept. 250 neue Arbeitsplätze entstanden und die Frequenz in der Innenstadt verdoppelte sich. Dann kam im Juli die verheerende Hochwasserkatastrophe und zerstörte die Innenstadt. 90-110 Wohnungen sind auf Dauer nicht bewohnbar, 11 Wohnhäuser zerstört, kein Dienstleister existierte mehr in der Innenstadt. Derzeit, befindet sich Bad Münstereifel im Wiederaufbau. Von den vielen Schicksalen angeschlagen, aber nichtsdestotrotz voller Tatendrang verkündete Preiser-Marian: "Wir sind nicht allein. Wir beginnen von vorne mit einer Vision, die sich getragen hat und die wir gern wiederherstellen möchten."
Im AdenauerLab lernten die Gäste fünf erfolgreiche Projektbeispiele aus dem In- und Ausland kennen, die zur Belebung der Innenstädte beitragen. Johannes Kellner von der Lokalen Agenda 21 war aus Österreich zugeschaltet und erläuterte Konzept und Praxis der Wiener Grätzloasen. Mit Hilfe von Kleinprojekten - finanziert von der Stadt und umgesetzt sowie getragen von der Stadtgesellschaft - entfalten sich vor Ort Ideen für belebte Freiräume. Zu diesen bis maximal 4.000 Euro teuren Projekten - allein 1000 Aktionen 2021 - zählen Aufenthaltsgelegenheiten in Parkspuren, Outdoorklassenzimmer, Spielflächen, Zonen für Verkehrstraining für Kinder u.v.m. Andrea Schüller informierte über das spannende Projekt Eltville.LAB. Ziel dieses Lernlabors: Hochschule und Wirtschaft zusammen zu bringen, gute Fachkräfte in die Kommune zu bekommen bzw. in der Stadt zu halten sowie Verwaltung und Studierende in Kontakt zu bringen. Eltville konnte vier Hochschulen als Partner gewinnen. Gemeinsam mit Studierenden werden Konzepte für die Stadt entwickelt. Die Kooperation dient allen Beteiligten: Die Studierenden dürfen Projekte in der Praxis testen und bestenfalls gewinnt die Verwaltung neues Personal. Aus Regensburg zugeschaltet waren Altstadtkümmerer Stephan Bergmann und Smart City-Koordinatorin Franziska Meier. Zur Belebung der Regensburger City hat die Stadt einen Raum in der Altstadt angemietet und zu einem "cultural hub" ausgebaut. Kultur- und Kreativwirtschaft erwirtschaften in Regensburg 11 Prozent der Gesamtwirtschaft und werden als Innovationstreiber für andere Branchen gewertschätzt.
Aachen begegnet dem Leerstand in der Innenstadt mit kreativen Ideen. Citymanager Kai Hennes berichtete von Street Artists, die Fassaden gestalten oder Künstler, die leere Schaufenster als Bühne und Ausstellung nutzten. Dreh- und Angelpunkt sei der Kontakt zu Eigentümern und auch die atmosphärische Wirkung ("hier kümmert sich wer"). "Wo Leben in der Stadt stattfindet, folgt Leben!", resümierte der Citymanager. Eigentümer seien so unterschiedlich wie Muscheln am Strand. Es brauche eine Beziehung, weniger Geld, sondern Vermittlungsarbeit zwischen Eigentümern und potenziellen Mietern.
In der Debatte über das Was, Wie und Für Wen Innenstädte gestaltet sein sollen, bestätigte sich die im Laufe des Vormittags bereits mehrfach betonte Notwendigkeit einer Nutzungsmischung. Mehr grün und mehr blau, also Resilienz und Klimaanpassung, hob Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hervor, der sich digital dazuschaltete. Außerdem plädierte Düsterdiek dafür, digitale Händler an Infrastrukturkosten der Gemeinden zu beteiligen und eine Produktversandsteuer einzuführen. Das online-Standbein kleiner Händler solle davon nicht betroffen sein.
Claus Köster, Sprecher des Jugendrats der Stadt Ratingen, appellierte an die Stadtverwaltung: "Es braucht Stadtverwaltungen, die Bock haben, ihre Stadt schöner zu machen!" Er forderte mehr Partizipation derjenigen, die nicht wählen dürften und generationenübergreifende Angebote für Konsum und Begegnung; dazu gehörten Orte, an denen sich Jugendliche aufhalten dürften, ohne kostenpflichtig konsumieren zu müssen. Der 18-Jährige engagiert sich seit vier Jahren im Jugendrat, der die Stadt Ratingen für Jugendliche attraktiver machen soll. "Jede Art von Bürger- und Jugendbeteiligung scheitert, wenn sie nicht auch umgesetzt werden möchte."
Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer der IHK, sprach vom Gesamterlebnis Innenstadt, nachhaltig, smart und erreichbar, das Versorgung und Erlebnis umfasse.
Stefan Müller-Schleipen, Geschäftsführer der immovativ GmbH, hat die Initiative "Die Stadtretter" gegründet. Das Netzwerk aus 1.000 Städten, Gemeinden und Unterstützern engagiert sich bei der Bekämpfung von Leerstand und für den Erhalt von attraktiven Innenstädten. "Wir müssen mehr machen und experimentieren", so Müller-Schleipen. Die Fantasie der Bürgerschaft sei nicht vorstellbar, wenn sie denn dürfe. Das bringe Schwung in die Städte und mehr Leben auf die Straße. Er plädierte für mutige Stadtverwaltungen und bezeichnete die Stadtgesellschaft als potenziellen Treiber des Wandels. Partizipative Prozesse stärkten Akzeptanz; Bürgerwerkstätten könnten für Großprojekte werben.
Luca Kist, Landschaftsarchitekt und Stadtplaner, sieht die Zukunft der Stadtplanung in der Quartiersentwicklung. Kist, Vorsitzender des Städtebaubeirats Saarbrücken, plädierte für mehr Beachtung des öffentlichen Raums: "Wo fühlen wir uns wohl?" Mobilitätsarten müssten seiner Ansicht nach kombiniert, ruhende Verkehrsräume für Räder etc. umgenutzt werden. In seiner Vision der Innenstadt 2040 verkaufen globale Unternehmen nicht mehr Autos, sondern die Marke Mobilität: Ein Mobilitätsticket erlaube es dann, irgendein Vehikel zu nutzen.
Im Anschluss an die Konferenz führte der moderierte Stadtspaziergang durch den Innovationspark am Beckerturm. Auf dem 71.000 m² großen ehemaligen Brauerei-Gelände ist ein neues Gewerbezentrum mit buntem Branchenmix von über 125 Firmen entstanden. Die Räumlichkeiten werden bedarfsorientiert umgebaut; die Gäste besuchten u.a. die Galerie für Zeitgenössische Kunst im Historischen Turm der ehemaligen Becker-Brauerei.
Im Anschluss führte der Stadtspaziergang durch die Sankt Ingberter Innenstadt zur Incredible Base,
...einem Großprojekt, das 2022 fertig werden soll. Max Chodura, Geschäftsführer Incredible Base GmbH, erläuterte auf der Baustelle des ehemaligen Sinn-Gebäudes das Konzept aus Co-working-spaces, Räumen für Gastronomie, Werkstatt und Veranstaltungen.
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Videogrußwort von Schirmherr Ministerpräsident Tobias Hans MdL
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Der Veranstaltungsort "Innovationspark am Beckerturm" diente selbst als anschauliches Beispiel für gelungene Stadtentwicklung. Auf einem 71.000 m² großen ehemaligen Brauerei-Gelände ist ein neues Gewerbezentrum mit buntem Branchenmix von über 125 Firmen entstanden. Geschäftsführer Stefan Braun zeigte beim Rundgang vor Ort, dass Veränderungen mutige, flexible und kundenorientierte Lösungen brauchen. Auch der zweite Exkursionsteil bestätigte diese Prämisse, als Co-Geschäftsführer Max Chodura den Gästen auf der Baustelle in der Innenstadt von Sankt Ingbert die Idee seiner "Incredible Base" vorstellte. Aus einem ehemaligen Kaufhausgebäude entsteht ein Großprojekt, das Co-working-spaces, Räume für Gastronomie, Werkstatt und Veranstaltungen umfassen wird.
Innenstädte sind "Symbolstätte von Heimat"
Schirmherr der Veranstaltung, Ministerpräsident Tobias Hans MdL, betonte in seiner Videobotschaft die Bedeutung der Innenstädte als "Symbolstätte von Heimat". Das Saarland fördere den Kurs der Eigenverantwortung und Stärkung der kommunal Verantwortlichen mit Hilfe des Saarpakts in Höhe von einer Milliarde Euro, damit Kommunen investieren könnten. Henrik Eitel, Chef der saarländischen Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Saarlandes beim Bund, unterstrich in seinem Impuls die Vielfalt der Ansätze zur Belebung der Zentren; ein ganzer Instrumentenkasten sei nötig, da es nicht den einen Frequenzbringer gebe. Sankt Ingbert sei ein sehr gutes Beispiel für eine Kommune, die ihre Chance erkannt und das Glück am Schopfe gepackt habe. "Es braucht eben nicht nur Geld, sondern kommunales Engagement", so Eitel, der selbst als Kommunalpolitiker in seiner Heimatstadt aktiv ist. Oberbürgermeister Prof. Dr. Ulli Meyer bezeichnete Sankt Ingbert als heimliches Herz der IT-Wirtschaft im Saarland und hob hervor, dass Innenstädte das Gegenstück zur Blase im Internet seien. "In einer Stadt trifft man Menschen, die anders denken, die woanders herkommen und hinwollen." Die Stadt sei Ort der Begegnung. Jede Kommune müsse ihre Chancen erkennen und nutzen: Das könne die Natur sein, das könne das Thema Breitbandausbau sein (die Mischung aus Homeoffice und Pendeln berge insbesondere für Mittelstädte Chancen) oder auch das Themenfeld Studierende und Lehrende bzw. Ausgründungen von Hochschulen. Die Menschen seien entscheidend: "Eine Stadt ist so gut, wie die Menschen, die in ihr leben und sich zu ihr bekennen", resümierte der Oberbürgermeister von Sankt Ingbert.
"Eine Stadt ist so gut, wie die Menschen, die in ihr leben und sich zu ihr bekennen"
Das Programm gliederte sich methodisch in drei Blöcke: Im Rahmen des „Adenauer Labors“ stellten unterschiedliche Akteure ihre Initiativen und innovativen Ansätze zur Stadtentwicklung in kompakten Kurzvorträgen vor, an die sich jeweils ein Austausch mit den Teilnehmenden anschloss. Hier kamen u.a. Stephan Bergmann von der Initiative „Altstadtkümmerer“ aus Regensburg und Kai Hennes vom Aachener Citymanagement mit dem Projekt „Ladenliebe“ zu Wort. Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian aus Bad Münstereifel berichtete von dem erfolgreichen Innenstadt-Projekt City Outlet, das derzeit infolge der verheerenden Hochwasserzerstörungen wieder aufgebaut werde.
Dr. Christian Hübner, Dr. Georg Dufner und Nele Katharina Wissmann aus den KAS-Auslandsbüros in Hong Kong, La Paz und Paris berichteten über internationale Trends der Stadtentwicklung, wobei sie Effekte einer nachhaltigen urbanen Mobilität herausarbeiteten. Zum Abschluss der ersten Tageshälfte vertiefte ein Panel, u.a. besetzt mit Dr. Carsten Meier, Geschäftsführer IHK Saarland und Claus Köster, Jugendratsprecher der Stadt Ratingen, unterschiedliche Perspektiven der Gestaltung von Innenstädten.
Acht zentrale Erkenntnisse zum Mitnehmen
- Für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung braucht es radikal neue Ansätze; von Konzeptionen von Innenstädten wie wir sie kennen und die oft noch auf Ideen der 1970er- und 1980er-Jahre zurückgehen, müssen wir uns lösen. Das wurde unter anderem durch die von vielen Referentinnen und Referenten formulierte Forderung, dass es ein ganz „neues Denken“ für die Innenstädte der Zukunft braucht, zum Ausdruck gebracht.
- Grundlage für eine zukunftsorientierte Entwicklung unserer Innenstädte ist, dass hierfür die gesamte Stadtgesellschaft eingebunden wird. In den unterschiedlichen Perspektiven und unterschiedlichen Interessenlagen der beteiligten Akteure liegt eine Chance, wenn eine lebenswerte und lebendige Innenstadt als gemeinsames Ziel verstanden wird.
- Innovationstreiber und Schlüsselfaktoren für neu gedachte und neu gestaltete Innenstädte sind vielfältig. Dazu gehören unter anderem: Multifunktionalität und Mischnutzungen von Gebäuden, Plätzen, Parks und Räumen; Hochschulen mit neuen Ideen, Ansätzen und Ausgründungen; junge Leute als aktuelle und zukünftige Nutzer von Innenstädten; Nachhaltigkeit als Leitprinzip zur Überwindung unterschiedlicher Interessenlagen.
- Smart City-Konzepte können einen wichtigen Rahmen für die Stadt der Zukunft setzen. Smart City ist dabei ein neuer Ansatz von Stadtentwicklung, im Sinne einer Co-Creation, bei der Verwaltung, gewählte Vertreter, Zivilgesellschaft, und Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen und zusammenarbeiten.
- Interdisziplinäres Handeln ist ein Schlüsselfaktor zur Lösung von Herausforderungen. Silodenken hingegen wird nicht zu Fortschritt bei der Innenstadtentwicklung führen: Die Bereiche Kultur, Wirtschaft, Einzelhandel, Soziales und viele andere müssen stärker zusammengedacht werden, die jeweiligen Akteure stärker zusammenarbeiten.
- Eine Stadt funktioniert so gut wie die Menschen, die sich in ihr engagieren. Deshalb ist die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung unserer Stadtgesellschaften und unserer Innenstädte.
- Innenstädte, Zentren von Stadtbezirken und Ortsteilen bieten die Chance, aus den (Filter)blasen der Sozialen Medien herauszukommen und den Stadtraum wieder stärker als Raum des Austauschs, der Diskussion, der Debatte, des Diskurses und der Interaktion zu verstehen. Innenstädte können daher eine wichtige gesellschaftliche Funktion im digitalen Zeitalter übernehmen.
- Die Handlungsfähigkeit von Städten und kommunalen Verantwortungsträgern muss gestärkt werden. Die Grundlage dafür ist eine ausreichende finanzielle Ausstattung durch Bund und Länder und die Einhaltung des Konnexitätsprinzips mit Blick auf die von Kommunen zu erfüllende Aufgaben.