Felix Kraft (KAS) und Prof. Matthias Friehe (EBS) begrüßten sechzig Gäste im Neuen Forum auf dem Campus Schloss der EBS in Oestrich-Winkel zur Auftaktveranstaltung der neuen Veranstaltungsreihe Rheingauer Gespräche zu Staat und Recht. Die erste Ausgabe dieses neuen Formats, das Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft ins Gespräch bringen soll, widmete sich Fragen von „Zuwanderung und Zugehörigkeit“. In Impulsreferaten referierten zunächst Prof. Ece Göztepe (Bilkent Universität Ankara) und Prof. Daniel Thym (Universität Konstanz) zum Staatsangehörigkeits- und Asylrecht. Prof. Göztepe beleuchtete die türkische Mavi Kart („Blaue Karte“). Als eine Art nachwirkende Staatsangehörigkeit erhalten ehemalige türkische Staatsangehörigen, welche die Staatsbürgerschaft kraft Geburt erworben hatten, nun aber im Ausland lebten und auf sie verzichtet haben, einen Sonderstatus: Die Besitzer verfügen über alle bürgerlichen Rechte außer dem passiven und aktiven Wahlrecht. Das damit verbundene Recht auf visafreie Einreise könne, so Prof. Göztepe, als Ausdruck einer bleibenden Zugehörigkeit zur Türkei verstanden werden. Differenziert beurteilte die Professorin aus Ankara die doppelte Staatsangehörigkeit: Einerseits könne sie zur Integration in die deutsche Gesellschaft beitragen, andererseits schaffe sie ein problematisches doppeltes Wahlrecht. Auslandstürken könnten in der Türkei wählen, obwohl sie von ihrer Wahlentscheidung nicht mehr unmittelbar betroffen seien.
Im Anschluss erläuterte Prof Thym politische Handlungspotenziale im deutschen und europäischen Asylrecht. Dabei betonte der Konstanzer Migrationsrechtler die Bedeutung von Kontrollsignalen, mit denen die demokratische Mitte die Deutungshoheit im politischen Diskurs zurückgewinnen müsse. Solche Kontrollsignale könnten beispielsweise Abschiebungen, die Zusammenarbeit mit sicheren Herkunftsländern oder die Einführung einer Bezahlkarte sein. Wichtig sei, dass jeweils nur ein Zusammenspiel mehrerer politischer Faktoren zu einem nachhaltigen Rückgang der Asylbewerberzahlen führe. Generell bedürfe es der Erkenntnis, eine Daueraufgabe vor sich zu haben, die eine ständige Anpassung von Maßnahmen erfordere. Parallel müssten die Voraussetzungen eines Systemneustarts geschaffen werden. Dieser könne darin liegen, das Asylverfahren einerseits radikal zu vereinfachen. Statt Einzelfallprüfungen solle besser auf eine abstrakt-generelle Abstufung von Fallkonstellationen gesetzt werden. Im Gegenzug gelte es andererseits, für Schutzbedürftige legale Einreisewege nach dem Vorbild der „Safe Mobility Offices“ der US-Regierung zu schaffen.
Nach einer Pause folgte das Podiumsgespräch samt anschließender Diskussion mit dem Publikum. Hierzu begrüßte Moderator Dr. Stephan Klenner zusätzlich zu Prof. Göztepe und Prof. Thym den CDU-Politiker Thomas Hering MdL, der als Vorsitzender des Innenausschusses des Hessischen Landtages der wissenschaftlichen die politische Perspektive entgegenbrachte. Die Menschen wollten, so Hering, einen handlungsfähigen Staat und Parteien, die nach Lösungen suchten. Hier sei zuallererst der Bund gefragt: ob bei sicheren Herkunftsländern oder effektiveren Einzelfallprüfungen. In Hessen selbst adressiere man die Herausforderungen und bemühe sich um die Integration von Fachkräften, die allerdings mehr und mehr vom Standort Deutschland abgeschreckt würden. Prof. Göztepe fügte hinzu, dass mit Kulturpluralismus leider auch häufig Unterdrückung von Minderheiten einhergehe. Um Parallelgesellschaften entgegenzuwirken, brauche es mehr Bildung. Eine doppelte Staatsangehörigkeit sei für ein Einwanderungsland widersprüchlich und kontraproduktiv, ergänzte Prof. Thym. Demokratietheoretisch sei es falsch, im Ausland lebend, woanders wählen zu dürfen. Hiermit schloss sich der Kreis zu den ersten Ausführungen von Prof. Göztepe.
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Politisches Bildungsforum Hessen
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