„Das Gericht hat die Problematik in einer sehr ausgewogenen, realistischen und umsetzbaren Entscheidung geschickt gelöst“, sagte Bellut beim 3. Berliner Jahresrückblick der KAS auf die Karlsruher Rechtsprechung.
Der Staat sei Gewährleister und Gefährder der Rundfunkfreiheit zugleich. Auf der einen Seite müsse er die Gestaltung und Finanzierung des Rundfunks sicherstellen, auf der anderen Seite den Rundfunk gegen Eingriffe schützen, die von ihm (dem Staat) selbst ausgehen könnten. Bellut widersprach Vorwürfen, das ZDF-Programm werde zu sehr von „Freundeskreisen“ bzw. politischen Interessengruppen beeinflusst. „In der Praxis halte ich Kontakt zu den verschiedenen Freundeskreisen und bis jetzt sind wir damit immer gut zurechtgekommen“, sagte Bellut. Es gebe die Beratungsfunktion und dadurch eine regelmäßige intensive Diskussion über die Programmgestaltung, so der ZDF-Intendant. Er sei gespannt, wie sich der neue ZDF-Fernsehrat zusammensetzen werde. Das Gericht hat festgelegt, dass der Anteil von Vertretern des Staates in den Kontrollgremien höchstens ein Drittel betragen dürfe. Von der Politik wurde daraufhin beschlossen, den ZDF-Fernsehrat von bisher 77 auf 60 Mitglieder zu verkleinern.
Prof. Christoph Degenhart, Staatsrechtler an der Universität Leipzig, bezeichnete den Richterspruch als „guten Schritt in die richtige Richtung“, aber ihm sei das Urteil zu zaghaft. Degenhart bezweifelte, ob der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk als staatsfern bezeichnet werden könne, wenn er doch vom Staat finanziert werde. Er halte unter anderem den Ausbau der Digitalisierung für nicht erforderlich. „Eine unbeschränkte Expansion im Online-Bereich ist nicht nötig, vielmehr müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten auf ihre Kernkompetenzen rückbesinnen“, sagte Degenhart. Dem widersprach Bellut. Das ZDF müsse wie eine breite Plattform agieren und ein breites Publikum ansprechen. Zudem sei der digitale Ausbau ein wichtiger Schritt in die Zukunft.
Öffentliche Äußerungen von Regierungsmitgliedern
Über die Karlsruher Urteile zu Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, die sich mit scharfen Worten gegen die NPD gewandt hatten, diskutierten Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dieter Grimm vom Wissenschaftskolleg zu Berlin. Lammert stimmte den Urteilen, mit denen Klagen der NPD abgewiesen worden waren, im Ergebnis zu. Aber er mache sich gleichwohl Gedanken über die Meinungsäußerungsfreiheit von Amtsinhabern. „Ich kann nichts damit anfangen, dass das Neutralitätsgebot Inhaber von Staatsämtern daran hindert von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen“, sagte der Bundestagspräsident. In seinem Amt vertrete der Amtsträger ja zum Beispiel in Form von Reden die Staatsauffassung, formuliere diese aber im Kontext seiner Meinungsfreiheit. Zudem stünde der Staatsmann auch in einem politischen Wettbewerbssystem.
Grimm gab zu bedenken, dass man unterscheiden müsse, ob ein Politiker als Staatsmann oder als Privatperson und damit im Schutz der Grundrechte eine Aussage tätige. „Innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen herrscht für Staatsmänner Redefreiheit, aber im Falle einer juristischen Untersuchung, muss man unterscheiden, ob ein Grundrechtsschutz vorliegt oder nicht“, sagte Grimm, gestand aber zu: „Eine Aufspaltung der politischen Person ist immer schwierig.“
Neue Entwicklungen bei der Erbschaftsteuer
Lebhafte Debatten gab es auch zum Thema Steuerrecht. Im Streit über die Luftverkehrsteuer hatte der Erste Senat entschieden, dass die Steuer mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Sie falle in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Erhebung und Ausgestaltung verstießen nicht gegen das Gleichheitsgebot, auch die Berufsfreiheit sei nicht verletzt. Vermutlich werde „Karlsruhe“ dann auch die Kernbrennstoffsteuer billigen, folgerte Prof. Oliver Lepsius, Staatsrechtslehrer an der Universität Bayreuth.
Die wichtigste Steuerentscheidung Karlsruhes 2014 sei jedoch die zur Erbschaftsteuer gewesen, waren sich Lepsius und der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Paul Kirchhof, Steuer- und Verfassungsrechtler an der Universität Heidelberg, einig. Mit dem Urteil setze das Gericht neue Maßstäbe für die Beurteilung von Steuergesetzen, lobte Kirchhof, der sich vom Gesetzgeber eine grundlegende Reform wünschte. Lepsius geht allerdings davon aus, dass auch die reformierte Erbschaftsteuer wieder in Karlsruhe enden wird. Bereits seit 20 Jahren bescheinige das Gericht den jeweiligen Klägern, dass die Erbschaftsteuer verfassungswidrig sei. Das gebe zu denken, ob der Fehler nur beim Gesetzgeber liege.
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