Comptes-rendus d'événement
Der Ex-General Schönbohm, der aus der Mark Brandenburg stammt und 1998 nach Brandenburg zurückkehrte, um dort den CDU-Vorsitz zu übernehmen, gilt als ein Mann der deutlichen Worte, als konservative Gallionsfigur der CDU sowie als „Preuße im besten Sinne“, wie ihn der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schäuble in einer Laudatio anlässlich seines runden Geburtstages beschreibt. Auch Stephan Raabe, Landesbeauftragter für Brandenburg und Leiter des Politischen Bildungsforums Brandenburg, sieht Schönbohm als eine „konservative Identifikationsfigur“, der populär formuliere, ohne Populist zu sein, und patriotisch denke, ohne Nationalist zu sein, wie er in seiner Begrüßungsansprache im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam vor gut 120 Gästen sagte. Der Zusammenhang von christlichem Menschenbild, den grundlegenden Institutionen Ehe und Familie, von Heimat, Religion und Nation sei für Jörg Schönbohm der Inbegriff des Konservativen, wie er selbst einmal in einem Interview erläutert habe. Doch wann gilt man heute eigentlich als „konservativ“ und welche Rolle spielt das Konservative in der Christdemokratie?
Konservatismus im Wandel
Für Dr. Jan Redmann, den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg, ist das Konservative ganz klar ein fester Bestandteil des Markenkerns der CDU. Alt und verstaubt sei der Konservatismus jedoch keineswegs, vielmehr habe sich das Konservative selbst über die Zeit stets auch gewandelt. Der Landtagsabgeordnete, der im Jahr 1999 gerade wegen Politikern wie Jörg Schönbohm Mitglied in der CDU geworden ist, betont, dass sich das, was wir heute konservativ als bewahrenswert ansehen, wie zum Beispiel den gesellschaftlichen Pluralismus, selbst über die Zeit erst entwickelt habe und zudem manchmal auch von Region zu Region Unterschiede zeige. Der Titel der Veranstaltung „Was heißt konservativ heute“ müsse deshalb eigentlich folgerichtig lauten: „Was heißt konservativ hier und heute“. Ein „moderner Konservatismus“ sei heute längst kein Oxymoron (eine rhetorische Figur mit zwei sich widersprechenden Begriffen) mehr, sondern eine notwendige Entwicklung, der sich Konservative in Politik und Gesellschaft stellen müssten. Der Konservatismus sei also „kein Kampf gegen die Moderne“, sondern beziehe das Gegenwärtige jeweils mit ein.
„Zukunft braucht Vergangenheit“
Prof. Dr. Bernhard Vogel, langjähriger Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen a.D. sowie auch langjähriger Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung a.D., zählt sich selbst insofern zum konservativen Lager, als „konservativ“ bedeute, "das Alte wertzuschätzen und jeweils zu prüfen, ob etwas Neues besser ist". Klar abzugrenzen sei der Konservative jedoch vom Reaktionär, der „um jeden Preis“ am Alten festhalte und sich vor allem Neuartigen und Modernen verschließe. Gleichzeitig forderte er eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. „Nur wer weiß, woher er komme, kann das Heute und das Morgen beurteilen“, so Vogel. Zukunft brauche Vergangenheit.
Den Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl im September allein auf ein Versagen der "Konservativen" zurückzuführen, sei für ihn viel zu kurz gegriffen. Die Wählerwanderungen würden deutlich zeigen, dass die Wähler der AfD aus allen Parteien kamen, also nicht nur von den beiden großen Volksparteien oder gar allein aus der Union. Dennoch fordert Vogel ein klareres Profil und die Besinnung auf das grundlegende „Koordinatensystem“ der Christdemokratie. Die Menschen in Deutschland müssen wieder wissen, wofür die Union eigentlich stehe. Eine Rückbesinnung auf das "C", das "Christliche" im eigenen Namen, das Wertkonservative, Liberale und Christliche-Soziale in der Union verbinde, und eine neue zeitgerechte Formulierung der christdemokratischen Grundidee sei dafür unerlässlich. Diesbezüglich sei auch die Konrad-Adenauer-Stiftung aktuell und grundsätzlich gefordert. Pluralismus und Toleranz setze immer einen eigenen Standpunkt voraus. Politik solle zwar dem Volk aufs Maul schauen, dürfe ihm aber keineswegs nach dem Volk nach dem Maul reden. Was das bedeutet, machte Prof. Vogel an den Themen Ehe und Familie, wo man Ungleiches achten, aber nicht gleichsetzen solle, aber auch im Verhältnis von deutscher Identität und Kultur zum Islam, wie auch mit Blick auf die Bildungspolitik, die auf Unterscheidung und föderalem Wettbewerb aufbaue, exemplarisch deutlich.
"Wider die Politisierung der Kirche"
Der protestantische Schriftsteller und Sachbuchautor Dr. Klaus-Rüdiger Mai warnte anschließend vor einer übermäßigen Politisierung der Kirche, wobei er zum einen an die zwei Regimenter-Lehre Martin Luthers, das geistlich-religiöse und weltlich-politische Regiment, erinnerte und den legitimen politischen Pluralismus auch unter Christen in der Demokratie ins Feld führte, der durch einseitige politische Positionierungen von Kirchenleitungen angegriffen werde und Gläubige von ihrer Kirche entfremde. Das hätten in der evangelischen Kirche gerade politisch Konservative, wie Jörg Schönbohm, nicht selten erfahren, obwohl das Christentum doch eigentlich selbst zutiefst konservativ sei, in dem es ihm um die Bewahrung der Heilsbotschaft Christi gehe. Die Kirchen, so Mai, täten gut daran, sich stärker auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, die ihnen mehr als genug abverlangten, und sich mit ihren politischen Stellungnahmen eher zurückzuhalten.
“Keine Wahl aus Sympathie, sondern aus Verdrossenheit“
In der Diskussion auf dem Podium ging es zunächst um die Frage, ob das Konservative mehr oder weniger nur eine Methode, eine Herangehensweise zur Problemlösung, eine spezifische Haltung sei oder doch auch inhaltlich bestimmt sei durch das Festhalten an bestimmten Grundorientierungen. Deutlich wurde, je "moderner" das Konservative definiert wird, desto eher werden hergebrachte Begriffe, wie etwa die Ehe, aufgegeben und neu bestimmt.
Über die Frage, welche Rolle das Konservative in der CDU heute spiele gerade auch als Unterscheidungsmerkmal gegenüber Linken, Grünen und Liberalen, stieg die Temperatur der Diskussion zunehmend an und meldeten sich auch Stimmen aus dem Publikum zu Wort. Hatte Jörg Schönbohm bereits 2006 davor gewarnt: je konturloser eine Volkspartei sei, je weniger die Unterschiede zur Konkurrenz hervor träten, desto wahrscheinlicher sei es, dass sich eine andere Partei gründe und das Feld besetze, so richtete sich jetzt der Blick auf die AfD als eben eine solche neue, andere Partei.
Diskutiert wurde über die Gründe für die jüngsten Wahlerfolge dieser Partei. Füllt sie eine Lücke, die auch durch fehlendes konservatives Profil der Christdemokraten überhaupt erst entstanden ist? Wie steht es mit der Maxime von Franz-Josef Strauß, dass es rechts von CDU und CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe? Und ist die AfD überhaupt eine legitime demokratische Partei?
Während vor allem Klaus-Rüdiger Mai dafür plädierte, dass die CDU auch ihr konservatives Profil wieder mehr schärfe, wiesen die Vertreter der CDU auf dem Podium darauf hin, dass die Wahlentscheidung bei Bundestagswahl bei den meisten Wählern nicht aus Sympathie für eine vermeintlich konservative Alternative, sondern vor allem aus Protest gegen die etablierten Parteien gefallen sei. „Die Mehrzahl hat aus Verdrossenheit gewählt“, so Bernhard Vogel während der Diskussion. Bei aller notwendiger Kritik an Politikern der AfD dürfe man deren Wähler dennoch nicht automatisch in einen rechtsradikalen Topf werfen, so Vogel weiter. „Wir müssen uns klar von der AfD abgrenzen, aber nicht von den Wählern, und wir müssen über die Gründe der Verdrossenheit sprechen“ fordert Vogel.
Besinnung auf das christdemokratische Koordinatenystem
Dass das Konservative diskussionswürdig ist, zeigte die Debatte ebenso, wie auch die Schwierigkeit das Konservative präzise politisch zu bestimmen, da es eben kein theoretisches Gebäude mit festen Inhalten ist. Der von Bernhard Vogel gewiesene Weg einer Besinnung auf das grundlegende christliche Koordinatensystem kann diesem Mangel in gewisser Hinsicht abhelfen. Die politischen Orientierungspunkte zeitgemäß deutlich zu machen, bleibt die Aufgabe. Jörg Schönbohm hat das in seiner Zeit als Politiker in einer Weise gemacht, die ihn zu einer konservativen Identifikationsfigur machte, wie sie die Christdemokratie braucht. Als Geburtstagsgeschenk bekam der konservative Preuße eine Büste des rheinischen Gründervaters der Christdemokratie, Konrad Adenauers, mit viel Beifall aus dem Publikum überreicht.