Comptes-rendus d'événement
Etwas mehr Licht ins Dunkle gebracht hat die neueste Ausgabe des Brandenburger Forums der Konrad-Adenauer-Stiftung. Politiker, Zeitzeugen und Historiker nahmen sich in Potsdam vor rund 50 Zuhörern der Frage an, welche Rolle die Ost-CDU und ihre Mitglieder in der DDR gespielt haben zwischen Nischen-Dasein und Erfüllungsgehilfen. Dabei ging es erwartet emotional und kontrovers zu, saß doch auf dem Podium neben Werner Große, Bürgermeister der Stadt Werder und ehemals Mitglied der Ost-CDU, auch Christoph Wunnicke. Der Historiker ist Gutachter für die Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Land Brandenburg und hat sich mit seinem Urteil, in der CDU gebe es Defizite bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte, nicht nur Freunde gemacht. Umso mutiger, dass er seinen Standpunkt nun wiederholte und erklärte, dass die Ost-CDU eben nicht die so oft beschworene reine Weltanschauungspartei und schon gar nicht Widerstandspartei in der Diktatur gewesen sei.
Auch wenn die CDU „nicht die Richtung der Politik“ in der DDR mitbestimmt habe, so sei spätestens ab 1953 die Funktionärsebene von staatlicher Seite „stark gefördert“ worden. Das Hauptarbeitsfeld, die Kirchenpolitik, sei in späteren Jahren „stark heruntergefahren“ und von der SED übernommen worden, „das Christliche“ habe immer mehr nachgelassen in der CDU. Dem Versuch, wenn überhaupt, nur einigen wenigen Funktionären eine Mittäterschaft zuzuschreiben, erteilte Wunnicke eine entschiedene Absage. Immerhin hätte ein Drittel bis die Hälfte aller Ost-CDU-Mitglieder ein Amt inne gehabt. Für Wunnicke steht daher fest: „Es gab vielleicht eine subkutane Oppositionskultur in der Ost-CDU. Sie war aber kein Hauptmerkmal.“ Jeder, der etwas anderes behaupte, solle sich an die Akten halten. Aus ihnen gehe Schwarz auf Weiß hervor, „was war“.
Spätestens hier intervenierte Werner Große. Was in Schriftstücken stehe, könne nur die halbe Wahrheit sein. Die andere Hälfte sei das reale Leben in der DDR gewesen, das häufig in den Akten nicht auftauche. „Es ist doch klar, dass wir unsere Kritik am Regime nicht ins Protokoll mit aufgenommen haben“, so Große, für den die CDU sehr wohl eine Weltanschauungspartei war. Ihre Mitglieder hätten sich in den „ganz engen Spielräumen“, die ihnen geblieben seien, für einen „christlichen Sozialismus“ eingesetzt und auch Menschen, wo möglich, konkret geholfen. Auf die Frage, inwieweit die CDU nicht auch als Erfüllungsgehilfe in der SED-Diktatur fungiert habe, verwies Große darauf, dass es dazu in diesem Blockparteiensystem kaum eine Alternative gegeben hätte.
Die Wahrheit, so es diese in diesem Fall überhaupt geben kann, liegt wohl irgendwo zwischen Wunnicke und Große. Der Historiker und Theologe Ehrhart Neubert sprach denn auch von „Licht und Schatten“ in der Vergangenheit der Ost-CDU, die sich für ihn in eine Phase der Repression, des Mitmachens und der Revolution gliedere. Er empfahl dringend den begonnenen Weg der Aufklärung weiter zu verfolgen und die Geschichte „in all ihren Facetten aufzuarbeiten“. Dies sei schon deswegen geboten, weil eine Institution wie die CDU von dem Geist lebe, mit dem sich ihre Mitglieder identifizieren könnten. Dieser Geist entstehe dadurch, wie mit der eigenen Geschichte umgegangen werde. Neubert wollte gerade im Hinblick auf die zweite Phase nichts beschönigen, versuchte sich aber dennoch an einem Erklärungsmodell: „Wer in der CDU war, musste nicht in die SED“ und die CDU sei eben doch etwas anderes gewesen als die führende Staatspartei SED. Das allein sei für viele Motivation genug gewesen, wobei auch dies nicht ohne Kontrolle der SED möglich gewesen sei. So pessimistisch wie Wunnicke sieht Neubert die Bedeutung des Oppositionellen in der Ost-CDU nicht. Er erinnerte etwa an die Kommunalwahlen in der DDR im Jahr 1989. Es gelte „auch den kleinsten Protest zu würdigen“.
Diese Forderung griff der Generalsekretär der CDU Brandenburgs, Dieter Dombrowski, gerne auf, der selbst als Republikflüchtling fast zwei Jahre in der DDR im Gefängnis zubringen musste. Er zollte all denen, die den Führungsanspruch der SED auch nur ansatzweise in Frage gestellt hätten und in dieser Diktatur versucht hätten, ihren Weg zu gehen, seinen Respekt. „Diese Menschen haben bestimmt nicht den einfachsten Weg gewählt“, so Dombrowski. Er werde daher nicht akzeptieren, dass die CDU mit der SED in einen Topf geworfen werde. Den noch 60 lebenden Gründungsmitgliedern der CDU Brandenburgs könne man „nicht die Ehre abschneiden“. Sie verdienten Respekt für ihre Lebensleistung. Darüber hinaus machten es sich viele Kritiker zu leicht, wenn sie aus dem hier und jetzt urteilten. Wie in der Rechtsprechung auch, müsse das Gesetz angelegt werden, das zu jener Zeit gültig gewesen sei. Bei einer sachlichen Bewertung der Vergangenheit müssten Tradition, die Umstände der Gründung und die Wurzel mit beachtet werden. Dombrowski erinnerte daran, dass die Gründung der Ost-CDU aus dem christlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus heraus erfolgte. 19 der 35 Gründungsmitglieder seien im KZ oder Gefängnis gewesen. Er betonte aber auch, dass die CDU Brandenburg die eigene Geschichte vor und nach 1989 weiter aufarbeiten wolle.
Die Partei- und Fraktionsvorsitzende der Brandenburger CDU, Dr. Saskia Ludwig, betonte, dass die DDR eine Diktatur gewesen sei, und in jeder Diktatur gebe es Spielregeln des Überlebens. Wer diesen nicht einfachen Weg in der CDU in der DDR gegangen sei und anderen nicht geschadet habe, der sei keineswegs eine „Altlast“, sondern ein wichtiger Bestandteil der CDU in Brandenburg.