Seit Herbst 2018 leben wieder acht Zisterzienser-Mönche aus dem Stift Heiligenkreuz bei Wien in Kloster Neuzelle, das als „barockes Wunder Brandenburgs“ und auch wegen seiner Bierbrauerei bekannt ist.
Der Kunsthistoriker und Journalist Rocco Thiede stellte am 10. September 2019 in einer Veranstaltung der Bildungsinitiative "Die Arche" in der katholischen Gemeinde St. Peter und Paul in Potsdam und der Konrad-Adenauer-Stiftung sein Buch „Die Mönche kommen“ (St. Benno Verlag 2018) vor, in dem er das Projekt der Wiederbelebung klösterlichen Lebens in Brandenburg und die Menschen mit ihren Beweggründen beschreibt. Ziel des Vorhabens ist es, den Ort wieder zu einem geistlichen Zentrum mit Ausstrahlungskraft über die die Region hinaus zu machen.
Kloster Neuzelle im Lauf der Zeit
Das Zisterzienser-Kloster Neuzelle wurde am 12.Oktober 1268 von Markgraf Heinrich dem Erlauchten aus dem Haus Wettin im Gedenken an seine zwei Tage zuvor verstorbene Ehefrau Agnes gestiftet, um die von den polnischen Piasten erworbene Grundherrschaft zwischen Oder und Schlaube im Siedlungsgebiet der Sorben dem Christentum zu erschließen, wirtschaftlich zu entwickeln und zu nutzen. Seit 1281 bestand ein eigener Konvent, zwischen 1300 und 1330 wurde die dreischiffige Hallenkirche der Abtei in dem für den Nordosten Deutschlands typischen Stil der Backsteingotik errichtet und eine umfangreiche Grundherrschaft aufgebaut. Nach der Zerstörung 1429 durch die böhmischen Hussiten baute die Gemeinschaft das Kloster wieder auf, das als eine katholische Insel in der rein protestantisch gewordener Umgebung auch die Reformationszeit überlebte. Die prächtige, in der Niederlausitz und Brandenburg einzigartige Barockisierung der Kirche erfolgte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Fast alle heute noch bestehenden Gebäude der Klosteranlage sind durch den Umbau in der Barockzeit geprägt oder wurden in dieser Zeit erbaut.
Als Folge des Wiener Kongresses kam die sächsische Niederlausitz 1815 zu Preußen. Das Neuzeller Kloster der Zisterzienser wurde daraufhin 1817 durch König Friedrich Wilhelm III. säkularisiert, das bedeutet, es wurde aufgelöst. Der Besitz ging an den Staat über. Die Klostergebäude beherbergten nun ein Waisenhaus und ein evangelisches Lehrerseminar, in der NS-Zeit dann eine Mädchenschule. In der DDR wurde das Stift 1955 verstaatlicht und diente bis 1985 als Lehrerbildungsinstitut. 1996 wurde es in eine Stiftung überführt und bereits seit 1993 umfassend saniert.
Die ehemalige Klosterkirche blieb jedoch auch nach der Auflösung des Klosters katholisch. Sie wurde ab 1947 Wallfahrtskirche für die Gläubigen im deutschen Rest des Erzbistums Breslau. So finden jedes Jahr am Dreifaltigkeitssonntag, dem Sonntag nach Pfingsten, die Jugendwallfahrten des Bistums Görlitz nach Neuzelle statt. Am ersten Sonntag im September ist die Stiftskirche dann Ziel der Görlitzer Bistumswallfahrt.
Der Ort blieb aber auch auf andere Weise prägend für die Katholiken im Osten. Denn Neuzelle war neben Erfurt und dem Kloster Huysburg bei Halberstadt einer von drei Standorten für die Priesterausbildung in der DDR. Während in Erfurt die wissenschaftliche Ausbildung im Mittelpunkt stand, absolvierten die Studierenden an den beiden anderen Orten ihren Pastoralkurs, der sie auf die praktische Arbeit in den Gemeinden vorbereiten sollte, wobei die Seminaristen aus Berlin, Dresden, Erfurt und Görlitz in Neuzelle zusammenkamen. Dort war das Seminar im Kanzleigebäude des ehemaligen Klosters untergebracht. Erst 1993 wurde die Ausbildung dann in Erfurt konzentriert, die anderen Standorte wurden aufgegeben.
Wiederbelebung des Klosters
Im November 2016 beschloss der Konvent der Zisterzienser der Abtei Stift Heiligenkreuz bei Wien, einer Einladung des Görlitzer Bischofs Wolfgang Ipolt zu folgen und das Kloster Neuzelle bis zum 750jährigen Jubiläum des Klosters 2018 wiederzubesiedeln. Die ersten vier Mönche kamen im August 2017 nach Neuzelle. Am 2. September 2018 wurde das neue Priorat Neuzelle mit acht Mönchen kanonisch errichtet. In den kommenden Jahren soll ein Klosterneubau im näheren Umfeld von Neuzelle entstehen. Ironie der Geschichte ist, dass dafür ein Objekt genutzt werden soll, das ehedem in der Hand der Staatssicherheit der DDR war. Wie auch immer: Damit wird jedenfalls im heute weitgehend nicht mehr christlichen Land Brandenburg, in dem nicht einmal drei Prozent Katholiken leben, nicht nur nach gut 200 Jahren eine alte monastische Tradition wiederbelebt, die in diesem Land über Jahrhunderte hinweg fruchtbar war, sondern auch der Ort als „katholisch-christliche Oase“ mit neuem Leben erfüllt.