Comptes-rendus d'événement
Dr. Ralf Altenhof, Leiter der KAS Bremen, stellte zu Beginn klar, dass es bei einer Leitkultur um die ungeschriebenen Regeln des Zusammenlebens ginge. Eine Leitkultur basiere auf dem Grundgesetz, gehe aber gleichzeitig darüber hinaus. Laut Altenhof widersprechen sich die Argumente der Leitkultur-Gegner: In dem Argument, dass eine Leitkultur nicht festgeschrieben sei, mag ein Kern Wahrheit stecken. Es gebe eben keine Instanz, die sagen kann: „Jetzt haben wir lange genug darüber geredet und jetzt bilden diese vier oder fünf Punkte eine Leitkultur“, aber das sei nunmal in einer Demokratie so. Andere Kritiker bemängelten, dass eine Leitkultur zu starr sei. Dies treffe nicht zu, wie auch Thomas de Maizière bereits in seinen zehn Thesen zu einer Leitkultur darlegte: Manches könne fehlen, manches könne hinzugefügt werden. „Der Weg ist das Ziel“, betonte Ralf Altenhof. Die Diskussion über eine Leitkultur dürfe nicht tabuisiert werden. Es ginge nicht um den Begriff per se, sondern um eine Verständigung darüber, wer wir sind, was uns prägt und wo wir hin wollen. Die Bezeichnung Leitkultur sei bereits negativ konnotiert und ist laut Altenhof austauschbar, sobald eine passendere gefunden wird.
Professorin Karakaşoğlu hielt in ihrem Impulsreferat dagegen und verwies darauf, dass die Wissenschaft auf klar definierten und festgelegten Begriffen basiere und mit diesen arbeite. Sie sagte, dass ihrer Ansicht nach eine Leitkultur nicht von Nöten sei, da das Grundgesetz ein zur Genüge verlässliches Gerüst darstelle. „Das Grundgesetz ist unsere gemeinsame Sprache, die sich nicht auf eine Sprache beschränkt,“ so Karakaşoğlu. Sie untermauerte ihre Position mit dem Argument, dass eine Streitkultur, die unserer pluralistischen Demokratie innewohnt, vollkommen ausreiche.
Die Autorin Düzen Tekkal äußerte in ihrem Vortrag die Kritik, dass eine immer pluralistischer werdende Gesellschaft nach einem gemeinsamen Nenner verlangt, dieser aber für Tekkal nicht zu erkennen sei. „Flüchtlinge können nur integriert werden, wenn wir wissen, was wir wollen“, sagte Tekkal. Sie plädierte dafür, dass weniger über den Begriff „Leitkultur“ an sich geredet werden sollte, sondern wir uns mehr Gedanken darüber machen müssten, wie wir es besser machen können. Darüber hinaus ist, laut Tekkal, für die Integration von größerer Bedeutung, dass ein Mensch unsere Werte teilt, anstatt die deutsche Sprache perfekt zu beherrschen. Für jene Werte bräuchten wir starke Fürsprecher, die keine Angst hätten, ihre Stimme zu erheben. Die Referentin verlangte zusätzlich nach politischen Lösungen und sprach sich für ein Einwanderungsgesetz in Deutschland aus.
Für Thomas Röwekamp stand eines eindeutig fest: Die Debatte fokussiere momentan zu sehr, was uns als Gesellschaft spaltet. Es herrsche eine tiefe Verunsicherung bezüglich der Europäisierung und der Globalisierung. Mit Freude nehmen wir die Vorteile dieser Entwicklungen entgegen, aber sie bergen eben auch Ängste. Viel wichtiger sei eine Debatte darüber, was uns verbindet und für welche Werte es sich zu kämpfen lohne. Dazu gehören beispielsweise die Sicherung des Friedens, die Gewährleistung von Menschenrechten sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Jene Werte müssten bewahrt, erhalten und gefördert werden, wobei der Staat die Verantwortung übernehmen müsse, diese Rechte zu garantieren. „Wer diese Werte nicht anerkennt, kann nicht Teil unserer Kultur sein“, sagte Röwekamp.
Ralf Altenhof zog schließlich ein Fazit des Abends und pointierte: „Es liegt an uns, wie wir unsere Demokratie gestalten“. Er bedankte sich bei den Referenten und bei dem Publikum für das zahlreiche Erscheinen.