Comptes-rendus d'événement
Vor 25 Jahren führten DDR-Bürger in der friedlichen Revolution von 1989 den Systemwechsel herbei. Die Mauer fiel und das kollektive Votum für Demokratie und Menschenrechte war nicht mehr aufzuhalten. Doch neben dieser historisch einmaligen Erfolgsgeschichte bleibt die Mahnung einer „realsozialistischen Diktatur“ im geteilten Deutschland. Die zerstörerische Dimension der SED-Herrschaft kam am deutlichsten in der Überwachung und „Bearbeitung“ der eigenen Bevölkerung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zum Ausdruck. Wie Dr. Ralf Altenhof, Leiter des PB Bremen in seiner Eingangsrede hervorhob, sei es das Anliegen der KAS Bremen, mit der Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ einen „Beitrag gegen das Vergessen des DDR-Unrechts“ zu leisten und dieses gesellschaftlich bedeutende Thema in der Erinnerungskultur zu verankern.
In der anschließenden Diskussion sprach Moderatorin Jeanette Simon-Lahrichi zunächst wesentliche Grundbegriffe des „Stasi-Konnex“ an. Dazu gehörte das Verhältnis des MfS zur Staatspartei SED. Wie der ehemalige DDR-Oppositionelle und heutige wissenschaftliche Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (BStU), Dr. Christian Halbrock ausführte, kam diese Relation in der Eigenbezeichnung „Schild und Schwert der Partei“ symbolisch zum Ausdruck. Die Stasi handelte eben nicht als quasi autonomer „Staat im Staate“. Sie war Befehlsempfänger der SED. Als deren ausführendes Organ wehrte sie alle potentiellen oder tatsächlichen Gegner des Regimes ab und hob das „Schwert“ zu ihrer Zurückweisung.
Der ehemalige Bürgerrechtler und Bundestagsabgeordnete Rainer Eppelmann unterteilte die Entwicklung des MfS in zwei Phasen: Nach der Phase des offenen Terrors der 1950er und 1960er Jahre habe es einen „Methodenwechsel“ gegeben. Die Bemühungen der DDR um internationale diplomatische Anerkennung ließen ein offensichtliches Vorgehen gegen vermeintliche oder tatsächliche Regimegegner nun inopportun erscheinen. Die Methoden der Staatssicherheit wurden „subtiler“. Es schlug die Stunde der konspirativen Bespitzelung. Ein Heer an Inoffiziellen Mitarbeitern (IM) wurde eingesetzt, um oppositionelle Tendenzen in allen Bereichen der DDR-Gesellschaft bis hin in den Familienkreis aufzuspüren. Doch auch wenn die Methoden der Stasi unter dem Mantel der Konspiration eine Änderung erfuhren, das MfS handelte immer noch, so Eppelmann, „wie ein Terrorist“. Eppelmann untermauerte diese These anhand des Mittels der „Zersetzung“, das seit den 1970er Jahren verstärkt angewandt wurde, um Feinde der sozialistischen Ordnung psychisch und sozial zu zerstören.
Wie wurde man vom „unbescholtenen“ DDR-Bürger zum „Staatsfeind“? Wie geriet man in das Visier der Stasi? Evelyn Zupke, die als Angehörige verschiedener Friedenskreise Ende der 1980er maßgeblich dazu beitrug, die staatlich angeordnete Wahlfälschung in der DDR aufzudecken, gab hierzu ein klares Statement ab: „Zum Staatsfeind wurde man gemacht“. Schon in der Schule und der Freien Deutschen Jugend (FDJ), der einzigen staatlich anerkannten Jugendorganisation in der DDR, wurde jegliches „Fehlverhalten“ politisiert. Eine „Westplastiktüte“ konnte schon reichen, um sich in der Gehirnwäsche von „Kritik und Selbstkritik“ vor einem Schul- oder FDJ-Kollektiv wiederzufinden.
Wie „Zersetzung“ in der Praxis aussehen konnte, zeigte das Schicksal von Elke Schlegel. Schlegel stellte Anfang der 1980er einen Ausreiseantrag und musste daraufhin die ganze Härte des Regimes erdulden. Die ausgebildete Hotelfachfrau wurde zunächst an ihrem Arbeitsplatz zur einfachen Spülkraft degradiert und durfte schließlich gar nicht mehr arbeiten, da sie als „politisch nicht mehr tragbar“ galt. In der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera versuchte das MfS, sie durch Lügen und Drohungen zur Aufgabe ihrer Ausreisepläne zu „bearbeiten“. Sie sähe ihren Mann und ihr Kind nie wieder und der Arm der Stasi reiche weit, auch in den Westen: „Eine Ampel kann zwar grün sein, aber das heißt nicht, dass man unbescholten über die Straße kommt.“
Nach diesen bewegenden Berichten und Analysen wurde die Diskussion eröffnet. Das Publikum stellte Fragen zu den Einzelschicksalen der Betroffenen und zu übergreifenden Themen wie etwa zum Zusammenhang von Wirtschaft und Staatssicherheit. In einer Art Abschlusssynthese mahnte Rainer Eppelmann die aktuelle Bedeutung der Themen DDR- und Stasi-Unrecht an. Das große Privileg, in einer demokratischen Gesellschaft frei leben zu dürfen, werde im Bewusstsein jüngerer Generationen kaum reflektiert und als selbstverständlich angesehen. Gerade die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und der Staatssicherheit als ihrem ausführenden Befehlsempfänger könne die Entscheidung für ein aktives Teilnehmen und Verteidigen der Demokratie, einer „Kostbarkeit“, bestärken. Die Erziehung zu einem wachen Demokratieverständnis sei nicht nur Aufgabe der Schulen, sie beginne zu Hause, in der eigenen Familie.
Anschließend bat Ralf Altenhof die Gäste der Veranstaltung zu einem Empfang.
Die Ausstellung „DDR-Stasi – Spitzel von nebenan“ ist noch bis zum 24. Juli in der Sparda-Bank Bremen, Herdentorsteinweg 1A zu besichtigen.
Wir danken der Sparda-Bank Hannover-Stiftung für die großzügige finanzielle Unterstützung.
Wir danken folgenden Leihgebern für die Ausleihe von Exponaten, Vitrinen und Sockeln:
Dr. Heinrich Peyers, Gedenkstätte Hohenschönhausen (Berlin), Museum in der "Runden Ecke" (Leipzig), Gerhard-Marcks-Haus (Bremen), Kunsthalle Bremen, Künstlerhaus Bremen, Museen in der Böttcherstraße (Bremen), Stadtbibliothek Bremen und der Städtischen Galerie Bremen.