Comptes-rendus d'événement
Ralf Altenhof, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung Bremen, begrüßte das Publikum im New York Saal des Auswandererhauses in Bremerhaven und stellte den Autor Burkhard Spinnen und sein Buch vor.
Der vielfache Literaturpreisträger Burkhard Spinnen, unter anderem Träger der Literaturpreise der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Herbert-Quandt-Medien-Preises, schildert in seinem sehr persönlichen Buch das langsame Versinken seiner Mutter in die Demenz, das ihn vor eine Aufgabe stellt, die ihn forderte, ja bisweilen überforderte. Spinnen schreibt ehrlich und einfühlsam darüber, wie sich die Mutter-Sohn-Beziehung radikal veränderte und wie schwer es für ihn selbst war und heute noch ist, mit dieser Situation umzugehen. In „Die letzte Fassade – Wie meine Mutter dement wurde“ beschreibt Spinnen die etwa einjährige Zeitspanne vom Moment, in dem er die Demenz seiner Mutter feststellte bis zu jenem Punkt, an dem sie ins Altersheim umzog.
Bei seiner Lesung wählte Spinnen zunächst eine Passage aus der Mitte seines Buches, in dem das Gespräch über den „Gelenkpunkt“ mit seiner Mutter bereits begonnen hatte und er als einziger Sohn versuchen musste, seine Mutter vom Leben im Altersheim zu überzeugen. Er beschreibt den Umzug und die Bemühungen im Vorfeld als „Achterbahn der Gefühle“. Besonders deutlich werden die Belastungen, die Sorgen und auch seine Verzweiflung und Hilfslosigkeit im Umgang mit der Situation und den stundenlangen „Machtkämpfen“ mit seiner Mutter.
Im Anschluss an die Lesung führte Ralf Altenhof ein Gespräch mit Burkhard Spinnen, in dem es um seinen Umgang mit dieser schweren Erkrankung und um die Fassade seiner Mutter ging. Spinnen schilderte immer wieder, wie schwer es für ihn als Sohn sei, mit der Situation umzugehen. Er beschrieb das Leben seiner Mutter mit der Demenz als „Katastrophe, die gut funktioniert“, da „ihr Leben das Leben an der Arbeit ihrer Fassade“ sei. Assoziiert hat er den Titel seines Buches mit einer stehen geblieben Fassade nach dem Krieg, dessen stolze Fassade nach außen glänzt, man durch dessen kaputte Fenster aber in den zerstörten Hinterhof gucken könne. Für ihn sei es auch nach mittlerweile über vier Jahren seit der Erkrankung seiner Mutter immer noch sehr schwer durch diese Fassade zu blicken. Bei jedem seiner Besuche, die seiner Mutter eigentlich Trost spenden sollen, werde ihm immer wieder die eigene Hilflosigkeit vor Augen geführt, die schwer zu akzeptieren sei. Thematisiert wurde im Gespräch auch eine Möglichkeit, die neben dem Umzug in ein Altersheim zur Wahl stand. So hatte Spinnen für seine Mutter zu Anfang eine junge Frau aus Polen als „Rund-um-die-Uhr-Betreuerin“ engagiert, was aber bereits nach acht Tagen unter anderem auf Grund einer fehlenden Beziehungen zwischen der Polin und seiner Mutter scheiterte. Spinnen entschied sich nach langem Schwanken zwischen schlechtem Gewissen und dem Wunsch, das Richtige zu tun, für ein Altersheim, in dem er sich selbst wohlfühlte. Heute betrachtet er die Einrichtung in der seine Mutter gepflegt wird als „zweites Elternhaus“.
In der folgenden Diskussion, wurde durch viele verschiedene Erfahrungsberichte aus dem Publikum deutlich, dass sich Demenz immer mehr zu einer globalen Volkskrankheit entwickelt. Besonders deutlich wurden auch die unterschiedlichen Beziehungsebenen zwischen direkt betroffenen Angehörigen, wie Burkhard Spinnen als Sohn, und weiter entfernten Personen, wie Betreuern und Pflegern zu Demenzkranken. Als direkter Familienangehöriger sei es sehr schwer, den Umgang zu professionaleren und die Situation zu akzeptieren, so Spinnen. Abschließend betonte der Autor, dass er mit seinem Buch keinen Ratgeber über Demenz geschrieben habe, sondern nur seine eigene Geschichte erzähle und jeder Fall individuell und anders sei.