„Deutschland wird überall in der Welt geachtet. Gemocht wird es nur in Ungarn!“
Paneuropäisches Picknick 3.0 der KAS am 25. Juli in Bad Cannstatt: Gedankenreicher Rückblick auf eine glückliche Fügung der Geschichte
Beinahe dreißig Jahre nach dem „tatsächlichen“ Paneuropäischen Picknick lud das Politische Bildungsforum Baden-Württemberg der Konrad-Adenauer-Stiftung ein zum „Paneuropäischen Picknick 3.0“, den Kursaal Cannstatt – ebenfalls mit Beteiligung aus Ungarn, Österreich und Deutschland. Ungarischen Flair verbreitete eine ungarischen Musikgruppe, die mit traditionellen Instrumenten nicht nur Volksweisen sondern auch Jazz-Standards interpretierte. Mitveranstalter waren das Ungarische Generalkonsulat für Baden-Württemberg, das Saarland und Rheinland-Pfalz sowie das Ungarische Kulturinstitut in Stuttgart.
Repräsentant für Ungarn war, sowohl an diesem Abend, als auch beruflich Minister a. D. Zoltán Balog, Beauftragter des Ministerpräsidenten und außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter. Für Österreich anwesend war Dr. Csaba Székely, Politikwissenschaftler, Journalist und ehemaliger Generaldirektor der Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn AG. Deutscher Gast der Runde war Baden-Württembergs Minister der Justiz und für Europa, Guido Wolf. Die drei Referenten berichteten von ihren unterschiedlichsten Erlebnissen im Kontext des Paneuropäischen Picknicks – vom Heben des Schlagbaums an der Grenze, über das Geschehen im Landratsamt in Tuttlingen, bis hin zur elterlichen Reaktion an der Grenze.
Generalkonsul Dr. Janos Bérenyi hob in seinem Grußwort die Notwendigkeit des Dialogs hervor und beschrieb am Beispiel des Ungarn-Aufstands von 1956, was das kommunistische Joch für sein Land bedeutet habe.
Balog beschrieb im anschließenden Podiumsgespräch den Kommunismus als unerträgliche Fessel für Ungarn und kritisierte, dass in der heutigen Politik zu wenig auf gegenseitiges Verständnis wert gelegt werde. So ging er mit selbstreflektierendem Beispiel voran: Heutige Skepsis gegenüber Brüssel und dem EU-Institutionengefüge in Ungarn führte er auf jahrzehntelange, ständige Kontrolle des Landes durch Moskau zurück. Dieser Gedanke vermag als Paradebeispiel für den Sinn dieser Veranstaltung zu fungieren: nur, wer sich auf die Perspektive der anderen Seite einlässt, wird beginnen können, zu verstehen. Alle Diskutanten sprachen sich für die Wiederbelebung der Bedeutung persönlicher Beziehungen und Gespräche in der Politik aus – und gegen eine nur vordergründige Inszenierung von Vertrauen.
Minister Guido Wolf berichtete von seiner Zeit als junger Mitarbeiter am Landratsamt zu Zeiten Volker Kauders in Tuttlingen, wo man sehr wohl früh empfunden habe, um welch geschichtsträchtiges Ereignis es sich wohl handeln würde. Wichtiger zumindest als zeitgenössische Diskussionen um die örtliche Abfallwirtschaft – das Paneuropäische Picknick habe ihn auch gelehrt, politische Priorisierung als zentral zu betrachten.
Auch die Politik im Anschluss an den Fall des Eisernen Vorhangs wurde thematisiert. Im Sinne der Verständigung benannte Székely die Ambivalenz der intensiven Besetzung ostdeutscher Beamtenstellen mit Westdeutschen. Auch sei die NATO-Osterweiterung verfrühte und zu umfangreich erfolgt. Die Geschichte von Völkern und Staaten sei mit dem Fall des Kommunismus nicht gelöscht worden, Fukuyamas „Ende der Geschichte“ niemals eingetreten.
Dezső B. Szabó, Botschaftsrat und Leiter des Ungarischen Kulturinstituts in Stuttgart sowie Mitorganisator des Abends, brachte in seinem Schlusswort die letztlich auf die Zukunft Europas gekommene Diskussion auf den Punkt: Wenn man nur gemeinsam Freiheit, Mut und Vertrauen in den Koffer packe, werde die Reise in die Zukunft des Kontinents Früchte tragen können. Spürbares Urteil des gut gefüllten Saales: Zuversicht für mehr Einigung in Europa.
Bericht: Robin Schenk und Tim Magdziak