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Bulgarien: Vertrauen in Medien weiter gesunken

Umfrage des Medienprogramms für Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Meinungsforschungsinstituts „Trend“

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Die Mehrheit der Bulgaren ist überzeugt, dass die schlechte Platzierung Bulgariens im Pressefreiheits-Ranking der Nichtregierungsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ berechtigt ist. Zudem sinkt weiter das Vertrauen der Bürger in die journalistische Arbeit. Und private TV-Sender sind die beliebteste Informationsquelle der Bulgaren. Das sind die Hauptergebnisse einer landesweiten Umfrage im Auftrag des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die im November vom Meinungsforschungsinstitut „Trend“ durchgeführt wurde.

Mehr als die Hälfte der Bulgarinnen und Bulgaren (56 Prozent) ist der Meinung, dass der 111. Platz ihres Landes im Pressefreiheits-Ranking von „Reporter ohne Grenzen” berechtigt ist. Nur 18 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Der hohe Anteil an Befragten, die glauben, dass der Platz verdient ist, deutet auf ein geringes Vertrauen der Bulgaren in die Medien insgesamt hin. Das allgemeine Misstrauen gegenüber der journalistischen Arbeit zeigt sich auch in der Frage, ob die Ereignisse in diesem Jahr das Vertrauen in die journalistische Arbeit verändert haben. Zwar gibt der überwiegende Anteil der Befragten an, keine Veränderungen zu bemerken. Trotzdem sagt mehr als jeder Vierte (28 Prozent), er habe Vertrauen verloren. Im Gegensatz dazu hat sich nur bei 8 Prozent das Vertrauen in die Medien erhöht.

Hendrik Sittig, Leiter des KAS Medienprogramms für Südosteuropa: „In einer Demokratie müssen Bürger den Medien vertrauen können. Das setzt voraus, dass es in der Gesellschaft einen Konsens darüber gibt, dass unabhängiger Qualitätsjournalismus wichtig ist und gefördert werden muss. Daher sollten alle gesellschaftlich relevante Gruppen in Bulgarien, insbesondere Politiker, sich für Pressefreiheit und bessere Arbeitsbedingung für Journalisten einsetzen.”

Der Großteil der Befragten nutzt private TV-Sender, um sich zu informieren. 61 Prozent antworteten, sie würden in der aktuellen Gesundheitskrise über diese Kanäle ihre Nachrichten beziehen. Ähnlich hoch sind die Werte, wenn sie sich über politische Ereignisse informieren wollen. Es folgen das öffentlich-rechtliche Fernsehen BNT (46 Prozent), soziale Netzwerke (37 Prozent) und Nachrichten-Internetportale (31 Prozent). Die Radiokanäle spielen bei der Informationsgewinnung nur eine untergeordnete Rolle. Bei Betrachtung der Altersstruktur ergibt sich beim Fernsehen ein differenzierteres Bild. Ältere Zuschauerinnen und Zuschauer neigen aus tradierter Gewohnheit dazu, eher öffentlich-rechtliches Fernsehens zu schauen. Jüngere Zuschauer nutzen mehr privates Fernsehen. In diesem Nutzungsverhalten spiegeln sich auch die Vertrauenswerte gegenüber den Medien. Das höchste Vertrauen haben die Bulgaren in die privaten TV-Sender (54 Prozent). Die Umfrage ist vom bulgarischen Meinungsforschungsinstitut „Trend” durchgeführt worden. Die Stichprobe (1.001 Befragte) ist landesweit repräsentativ.

Die Ergebnisse wurden am 16. Dezember von Dr. Dimitar Ganev, „Trend”-Geschäftsführer, bei einer Online-Diskussion, die vom KAS Medienprogramm organisiert wurde, vorgestellt. Im Anschluss diskutierten Toma Bikov (GERB-Abgeordneter und Mitglied des Parlamentsausschusses für Kultur und Medien), Sofia Vladimirova (Mitglied des Rates für elektronische Medien), Stoyan Mihalev (DSB-Vorstandsmitglied) sowie Irina Nedeva (Vorsitzende der bulgarischen Sektion des Europäischen Journalistenverbandes) über die aktuelle Mediensituation in Bulgarien. Kristina Baxanova, Leiterin der Auslandsnachrichten-Abteilung des privaten Fernsehsenders bTV, moderierte die Veranstaltung.

Hendrik Sittig, Leiter des KAS Medienprogramms Südosteuropa, sah als Hauptgrund für das Misstrauen und die schlechte Mediensituation in Bulgarien, das fehlende gesellschaftliche Bewusstsein für Qualitätsjournalismus: „Es gibt keine Atmosphäre, in dem unabhängiger Journalismus gefördert und gestärkt wird. Ich habe oft den Eindruck, dass Journalisten eher als störende Faktoren wahrgenommen werden. Das ist - ich sage es ganz deutlich - falsch. Eine Demokratie kann nicht ohne unabhängigen Journalismus existieren“.

Während der Vorstellung der Umfrageergebnisse fokussierte Dimitar Ganev, „Trend”-Geschäftsführer, auf die Frage nach dem Vertrauen der Bulgaren in die Medien sowie auf die außerordentliche Lage, in der sich dieses Jahr nicht nur die Medien und die Politik, sondern jeder Einzelne wiederfand. Man könne das weiter sinkende Vertrauen in die Medien mit einem chronischen Misstrauen, das bereits seit langer Zeit vorhanden ist, erklären: „Wenn die Bürger grundsätzlich kein oder ein sehr geringes Vertrauen in die Medien hier in Bulgarien haben, so ist es nicht verwunderlich, dass wir mit solchen unerfreulichen Resultaten und einem weiter sinkenden Vertrauen konfrontiert werden.“. Sofia Vladimirova, Mitglied des Rates für elektronische Medien, hob ebenfalls die außerordentliche und vor allem sich dynamisch verändernde neue Realität in der sich die Medien befinden hervor. Sie machte deutlich, dass es nötig sei, sich den aktuellen Gegebenheiten anzupassen und in Hinsicht auf Regulierung und Gesetzgebung eine grundlegende Reform durchzuführen: „Wir brauchen eine neue Gesetzgebung, welche aktuell und vor allem zukunftsorientiert ist. Ihr Spektrum sollte dabei alle Medienbereiche umfassen. Eine Gesetzgebung, in Rahmen derer die Medien gestärkt und gefördert werden.“ Doch nicht nur gesetzliche Regulierung sei wichtig, sondern auch ein gestärktes Bewusstsein der Gesellschaft für Medienthemen.

Auch Toma Bikov, GERB-Abgeordneter und Mitglied des Parlamentsausschusses für Kultur und Medien, kommentierte die bestehenden Schwierigkeiten bei der gesetzlichen Medienregulierung. Er machte darauf aufmerksam, dass es nicht möglich sei binnen kürzester Zeit eine neue wirksame Gesetzesreform durchzusetzen und dass es sich um einen komplexen und aufwendigen Prozess handele. Es sei weiterhin auch besonders herausfordernd, das richtige Maß an gesetzlicher Medienregulierung, die seitens Politik ausgeübt werden kann, zu finden: „Es ist schwierig eine radikale Reform durchzuführen. Oft finden sich Politiker inmitten eines Interessenkonflikts zwischen Journalisten und Medieneigentümer wieder.“ Die Medien seien Teil der politischen Debatte und auch Medieneigentümer sollten an dieser aktiv teilnehmen.

In Bezug auf die Förderung einer kritisch denkenden und die Qualitätsmedien unterstützende Zivilgesellschaft betrachtete Stoyan Mihalev, Vorstandsmitglied der politischen Partei „Demokraten für ein starkes Bulgarien“ (DSB), die Situation kritisch. In Bulgarien gebe es keine starke Zivilgesellschaft, die Forderungen an Politik und Medien stellt, die sich dafür einsetzt, Missstände aufzudecken und aktiv nach Lösungen zu suchen: „Ich sehe keinen großen Unterschied von früher zu heute. Es kommt nicht selten vor, dass Medien nicht die Interessen der Bürger vertreten, sondern als verlängerte Hand der Regierung fungieren. Dies hat bei uns schon eine Tradition.“

Irina Nedeva, Vorsitzende des Europäischen Journalistenverbandes für Bulgarien, sah die feindliche Einstellung und oft auch den groben Ton vieler Politiker im Umgang mit Journalisten als ein Hauptproblem: „Politiker können und sollten etwas unternehmen, um die Lage der Medien in Bulgarien zu verbessern. Es muss einen Dialog geben. Leider kommt dieser Dialog in letzter Zeit nicht zustande. Fragen werden nicht gestellt, es wird nur einseitig, oft per soziale Medien, kommuniziert“.

Alle Teilnehmer waren sich einig, dass das kommende Jahr erneut herausfordernd für die Medien sein werde, besonders in Hinblick auf die in Bulgarien anstehenden Wahlen. Bei diesen Wahlen würden die Medien eine noch wichtigere und verantwortungsvollere Funktion haben als üblich, da aufgrund der Corona-Pandemie eine traditionelle Vorwahlperiode mit persönlichem Kontakt und Austausch zwischen Bürger und Kandidaten nicht möglich sein werde, außer durch den Filter der Medien und Medienberichtserstattung.

Die detaillierten Umfrage-Ergebnisse und Grafiken können Sie hier abrufen.

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