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Silvio Berlusconi wie Romano Prodi: umstritten

de Dr. Beatrice Gorawantschy, Stefan von Kempis

Neun Monate vor den Parlamentswahlen: rechts wie links ist der Kampt um die politische Führung entbrannt

Berlusconi wie Prodi sind im eigenen Lager angefochten. Doch trotz vernichtender Umfragen – diese sehen die Regierungsparteien im nächsten Parlament bei 146, das Linksbündnis dagegen bei 251 Sitzen - weiß Berlusconi eine gewisse Siegesgewissheit zu verbreiten, während Prodi in der Defensive scheint.

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Der Ausgang der Bioethik-Volksabstimmung hat der Regierung Aufwind verschafft, und seit den Anschlägen von London schiebt sich das Thema Terror und innere Sicherheit in den Vordergrund, was dem Kabinett Berlusconi ebenfalls zugute kommen könnte. Ob das reicht, um eine Wahlniederlage in 2006 abzuwenden, bleibt allerdings fraglich. Berlusconi hofft, kleinere Parteien des Mitte-Rechts-Spektrums wie etwa die von Alessandra Mussolini, die zusammen auf ca. 4,5 % kommen, mit ins Regierungsboot zu holen – „mit ihnen zusammen würde Mitte-Rechts mit der Linken gleichauf liegen, bei ca. 48,2 %“ (so die aktuellen Umfragen).

Berlusconis Konkurrenten

Der Premierminister hat sich selbst sehr deutlich zum Spitzenkandidaten des Regierungsbündnisses ausgerufen. Und trotzdem wollen Spekulationen um alternative Kandidaten nicht verstummen. Das zeigt, wie sehr die Niederlagen bei den Regional- und Kommunalwahlen den Premier angeschlagen haben. Längerfristig geht es Berlusconis Partnern, den Mitte-Rechts-Parteien, vor allem darum, zu verhindern, dass Berlusconis „Forza Italia“ sich als Partei etabliert. Von den Kritikern wird sie als Partei ohne feste Wurzeln und Strukturen in den Regionen und Kommunen charakterisiert, die „- wenn Berlusconi, ein „Ausnahmephänomen der italienischen Demokratie“ (so Buttiglione, UDC), eines Tages aus der aktiven Politik verschwindet - zerfallen würde und deren Wähler zu den anderen Gruppen des Mitte-Rechts-Blocks überlaufen würden.“

Mögliche Erben Berlusconis stehen schon längst bereit: der gemäßigt-besonnen auftretende Parlamentspräsident Casini (UDC), der lombardische Gouverneur Formigoni (FI), der Lega-Nord-nahe Vizepremier Tremonti (FI), der populäre, aber in seiner eigenen Partei angefochtene Außenminister Fini (AN) oder – von Berlusconi selbst ins Spiel gebracht – Gianni Letta (FI), der „Untersekretär“ des Premierministers und damit eine Art Kanzleramtschef. Der Erben sind so viele, dass es dem Mitte-Rechts-Block schwerfällt, sich auf einen dieser Kandidaten zu verständigen. Davon profitiert wiederum Berlusconi: Er ist der Anführer des Mitte-Rechts-Blocks, solange sich andere Kandidaten streiten, er hat in seinem Lager – neben Casini und Fini – die größte Anziehungskraft auf die Wähler, und er ist der einzige, der die „Lega Nord“ in der Koalition zu halten vermag. Ohne die „Lega“ allerdings käme der Regierung ihre Mehrheit sofort abhanden.

Die „Lega Nord“ - geführt von Bossi, der 15 Monate nach einem schweren Schlaganfall langsam wieder in die Politik zurückkehrt – nutzt ihre Stellung des „Züngleins an der Waage“ sichtlich aus. Der Premier kann nicht verhindern, dass „Lega“-Minister mal öffentlich über den Austritt Italiens aus der Euro-Zone nachdenken, mal seinen Plänen einer „Einheitspartei der Gemäßigten“ widersprechen, mal seine Anti-Terror-Gesetze blockieren. Er konnte sich jetzt aber bei der Durchsetzung einer äußerst umstrittenen Justizreform auf die „Lega“ stützen.

Man kann davon ausgehen, dass Berlusconi als Spitzenkandidat des Mitte-Rechts-Blocks in den Wahlkampf gehen wird. Doch falls er verliert, werden seine jetzigen Koalitionspartner möglicherweise nicht einmal zulassen, dass er Oppositionschef wird. Stattdessen tun sie im Moment alles dafür, um nach einer möglichen Niederlage bei den Wahlen freie Hand zu haben und vom „Phänomen“ Berlusconi nicht mehr gestört zu werden. Aus diesem Grund versuchen sie, die Pläne des Premiers zur Gründung einer „Einheitspartei der Gemäßigten“ vor den Wahlen zu verhindern. Als einziges Zugeständnis haben sie (mit Ausnahme der „Lega“) der Bildung eines Komitees zugestimmt, das den Weg zu einer Einheitspartei erkunden soll.

Im Regierungslager halten vor allem zwei Politiker deutlich zu Berlusconi: Casini von der UDC und Fini von der AN. Beide haben sich jüngst mit präsidialen Reden hinter Berlusconi gestellt, und in sehr allgemeinen Worten auch hinter seine Pläne zur Einheitspartei. Beide sind mit dieser Haltung in ihren Parteien aber immer einsamer.

Casinis Festhalten an Berlusconi stößt auf den heftigen Widerspruch von UDC-Parteiführer Follini. Dieser fordert öffentlich Vorwahlen für einen Spitzenkandidaten bei den nächsten Wahlen und erklärt, Berlusconis Zeit sei jetzt eigentlich um; darüber hinaus unterstützt er die Pläne zur Einheitspartei nicht.

Auch Fini hat aufgrund seiner Berlusconi-freundlichen Linie größte Schwierigkeiten, sich in seiner eigenen Partei AN durchzusetzen. Finis innerparteilicher Gegner ist sein früherer Vize als Parteichef, Landwirtschaftsminister Alemanno. Dieser äußert sich in auffallendem Gleichklang mit Follini: Ja zu Vorwahlen, Nein zu Berlusconis automatischem Führungsanspruch im Rechts-Block, Nein zur Einheitspartei, stattdessen Schärfung des Profils der jeweils eigenen Partei.

Der Premier und der Außenminister, vielleicht auch Casini setzen offenbar noch auf einen Sieg der Regierung bei den Wahlen; andere Koalitionsgrößen (Follini, Alemanno) bereiten sich dagegen auf die Zeit nach einer möglichen Wahlniederlage vor. Der „Corriere della Sera“ (3. Juli) mutmaßt, Follini setze darauf, dass eine Regierung Prodi nicht lange durchhalte, und stehe dann zum Eintritt in ein “Kabinett von Technokraten” bereit.

Zerstrittene Linke Ob Prodi die Wahl gewinnen wird, und ob er im Falle eines Wahlsieges zur Bildung einer stabilen Regierung imstande ist, bleibt ebenso fraglich. Die Linke ist bunt und zerstritten, sie reicht von der linkskatholisch-liberalen Margherita über die Sozialdemokraten DS bis hin zu den Postkommunisten PRC. Nur die Gegnerschaft zu Berlusconi eint dieses oppositionelle Bündnis der „Unione“, aber um aus der Schwäche der Regierung irgendwelche Vorteile zu ziehen, dazu ist es selbst zu schwach. In fast allen Punkten ist der Mitte-Links-Block zerstritten. Beispiel: Irak. Da fordern die Postkommunisten einen sofortigen Abzug der italienischen Truppen, während die DS sagt, so einfach könne man sich nicht aus der Verantwortung stehlen, und eine Mitarbeit an einer Stabilisierung des Iraks liege doch auch im italienischen Interesse.

In diesem wie in vielen anderen Konflikten findet sich Prodi zwischen den Fronten wieder. Macht er sich die Position der Postkommunisten zu eigen – wie jetzt beim Thema Irak geschehen -, dann widersprechen sofort DS und Margherita: „Keine Geschenke an den radikalen Flügel des Linksbündnisses!“ Unter solchen Umständen soll Prodi das einheitliche Wahlprogramm der „Unione“ erstellen, ausgehend von einem Konsenspapier namens „Projekt für Italien“, das acht kurze Kapitel hat. Das Programm zu entwerfen, wird Prodi umso schwerer fallen, als er keine eigene Hausmacht hinter sich hat.

Hinzu kommt, dass er sich im Oktober Vorwahlen zur Spitzenkandidatur im Linksbündnis stellen muss, bei denen Bertinotti (PRC) und drei weitere Kandidaten gegen ihn antreten wollen. Auch die außerparlamentarische Bürgerbewegung der „Girotondi“ unter dem Filmregisseur Nanni Moretti denkt noch über einen eigenen Kandidaten nach. Das Risiko, aus diesen Vorwahlen angeschlagen hervorzugehen, ist für den „Unione“-Chef groß.

Prodis Konkurrenten

Sein größter Konkurrent ist Francesco Rutelli, der Margherita-Chef. Der frühere Grüne und Ex-Bürgermeister von Rom war 2001 im Kampf um den Palazzo Chigi gegen Berlusconi angetreten und hatte achtbar verloren; er hofft aber weiter auf eine herausgehobene politische Position. Rutelli zwang Prodi nicht nur dazu, auf eine eigene Liste zu verzichten und sich den Vorwahlen vom Oktober zu stellen. Er setzte auch durch, dass der bei diesen „primarie“ Gewählte von seinem Linksbündnis ausdrücklich nur eine Legislaturperiode lang gestützt wird. Diese Regelung gibt dem populären Rutelli möglicherweise eine Chance, bei den übernächsten Wahlen Spitzenkandidat des Mitte-Links-Blocks zu werden. Der Margherita-Chef hat in den letzten Monaten eine feine politische Witterung bewiesen: Er ging zum Beispiel als einziger Linkspolitiker von Rang gestärkt, nicht beschädigt aus dem Bioethik-Referendum vom Juni hervor. Alle anderen Linkspolitiker, Prodi und Präsident Ciampi voran, hatten eine Teilnahme am Referendum empfohlen und fanden sich dann, als das Referendum an mangelnder Beteiligung scheiterte, auf der Seite der Verlierer wieder. Berlusconi konnte es sich nicht verkneifen, Rutelli rhetorisch zum Überlaufen ins Mitte-Rechts-Lager einzuladen: „Hier werden Sie sich wohler fühlen.“

Als weiterer möglicher Konkurrent Prodis gilt auf längere Sicht Roms populärer Bürgermeister Veltroni (DS), ein ideenreicher, gemäßigt auftretender Politiker. Der Postkommunist Bertinotti (PRC) kommt zwar als Führer des Linksblocks nicht in Betracht, bleibt aber stark genug, um Prodi zu schwächen oder – wie schon 1998 – zu stürzen. Aus dem derzeitigen Machtkampf hält er sich heraus; jeder Betrachter weiß aber, dass Prodi von ihm genauso abhängt wie Berlusconi auf der anderen Seite von der Lega Nord.

Von den Vorwahlen Mitte Oktober und vom Wahlprogramm, das Prodi erstellen soll, wird es entscheidend abhängen, wie stark die Opposition in den Wahlkampf startet. Sollte Prodi bei den „primarie“ nicht auf einen überzeugenden Stimmenanteil kommen – er selbst peilt 60 % an, seine Umgebung räumt aber ein, dass zu einer breiten Legitimation „mindestens 70 % nötig“ wären -, dann ist sogar sein Rücktritt von der Spitzenkandidatur vorstellbar.

Fazit/Ausblick

Kritiker stellen fest, dass sowohl Berlusconi wie Prodi verbraucht wirken und beide einem Neuanfang ihrer Lager im Wege stünden. „Sie sind beide nicht dialogfähig“, sagt der siebenmalige Premier Andreotti über sie, „der eine steinreich, der andere ein Professor. Wir bräuchten Männer, die wirklich vermitteln können“ (Corriere della Sera, 29. Juni). Das klingt wie ein Plädoyer für eine neue „Democrazia Cristiana“, eine umfassende katholische Partei der Mitte. Zumal Andreotti hinzufügt, der derzeitige „Bipolarismus“ habe Italien nur geschwächt.

Tatsächlich spricht viel dafür, dass das Potential für eine neue christdemokratische Sammlungsbewegung der Mitte wächst. Zum einen die Umfragen: Hier führen Rutelli (Margherita), Casini (UDC) und Fini (AN) die Beliebtheitsskala an. Rutelli und Casini sind, über Parteigrenzen hinweg, christdemokratische Identifikationsfiguren. Und nur ihnen beiden sprechen die Umfragen genug Anziehungskraft zu, um auch Stimmen aus dem jeweils anderen Lager zu sich herüberzuziehen.

Gleichzeitig wachsen Margherita und AN, in bescheidenem Umfang auch die UDC, also die drei Parteien, die sich - mit unterschiedlicher Akzentuierung - christdemokratischem Gedankengut verpflichtet fühlen. Und auch der Ausgang des Bioethik-Referendums von Juni spricht für ein Wachstum des christdemokratischen Potentials.

Mit seinen Plänen einer „Einheitspartei der Gemäßigten“ will Berlusconi eine neue „Democrazia Cristiana“ verhindern. Ob er aber nach den Wahlen dazu noch stark genug sein wird, bleibt abzuwarten.

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