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Warum der Klima-Gipfel der Welt nicht hilft

Wirtschaftswoche über die KAS-Publikation „Klimareport International“

Der Bali-Rummel. Zur Rettung der Welt treffen sich Tausende von Umweltschützern im Paradies. Schon die Reise dorthin ist ein ökologischer Sündenfall. Und beim Klima-Gipfel selbst droht nur heiße Luft herauszukommen.

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Wenn Sigmar Gabriel heute in den Flieger nach Bali steigt, droht er dem Klima mehr zu schaden, als er ihm nutzt. Denn der Weg von seinem Ministerium am Berliner Alexanderplatz zur indonesischen Insel der Götter, wo seit einer Woche die Klimakonferenz der Vereinten Nationen tagt, ist weit. Sehr weit. 12.000 Kilometer Luftlinie. Hin und zurück pustet Fluggast Gabriel 8380 Kilogramm CO2 in die Atmosphäre – mehr als ein Mittelklassewagen in vier Jahren ausstößt. Der Umweltminister hat trotzdem ein reines Gewissen: Denn der Flug ist – wie alle seine Dienstreisen – CO2-neutral. 170 Euro zahlt er für seine Emissionen an ein Unternehmen, das damit Klimaschutzprojekte finanziert, die jene acht Tonnen CO2 von der Bali-Reise neutralisieren. Gabriels Klimaweste bleibt so zumindest moralisch sauber.

Das Klima-korrekte Reisen erhöht die Glaubwürdigkeit der deutschen Delegation auf Bali. Doch dem Beispiel des deutschen Umweltministers folgen nur wenige. Die meisten der 10.000 Teilnehmer der UN-Klimakonferenz weigern sich, Ablassbriefe für die bei ihrer Anreise anfallenden Abgase zu zahlen. Nach Schätzungen der Veranstalter wird der Klimagipfel deshalb mindestens 15.000 Tonnen CO2 in die Atmosphäre blasen. Experten von MyClimate rechnen mit mehr als der doppelten Menge. Indonesien will zum Ausgleich 4500 Hektar Wald auf der Hauptinsel Java pflanzen. Doch die Frage bleibt: Was bringt der Massenauflauf auf Bali dem Weltklima?

Einen ihrer zentralen Grundsätze hat die Klimalobby bereits gebrochen – den der Effizienz. Noch nie war der Andrang zu einer Klimakonferenz so groß: Insgesamt 190 Nationen schicken Delegationen ins Ferienzentrum von Nusa Dua, wo das Konferenzzentrum zahlreiche Fünfsterne-Luxushotels umrahmen. Die EU-Kommission ist mit von der Partie, die Weltbank und das Rote Kreuz sowieso. Rund 300 Nichtregierungsorganisationen haben sich angemeldet. Unter Palmen treffen Umweltschützer von Greenpeace auf Lobbyisten der Industrie. Einige Staaten wie Brasilien sind besonders eifrig und schicken weit über Hundert Vertreter. Indiens Regierungschef Manmohan Singh persönlich will für die Position der Schwellenländer werben. Auch aus den USA reisen zwei Prominente an, sie stehen für ein anderes Amerika als das von George W. Bush: Friedensnobelpreisträger Al Gore und Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Dieses Schaulaufen der Guten und Gerechten wird sich vermutlich auch der ein oder andere europäische Staatschef nicht entgehen lassen.

Dabeisein ist alles – der olympische Geist schwebt über der kleinen Insel. Denn kaum jemand erwartet einen durchschlagenden Erfolg. Bereits am ersten der insgesamt elf Tage dauernden Konferenz übten sich die Veranstalter in Bescheidenheit. Konferenzpräsident Rachmat Witoelar dämpfte die Erwartungen an die „Bali Roadmap“, die am kommenden Freitag präsentiert werden und den „Kyoto-Nachfolgeprozess“ für die nächsten zwei Jahre skizzieren soll. Das Drängen der EU, den globalen Treibhausgasausstoß bis 2050 um 50 Prozent unter den Stand von 1990 zu reduzieren, wehrte Witoelar ab: „Wir werden zufrieden sein, wenn der Fahrplan steht. Wir werden nicht auf Emissionsziele drängen.“

Die Mammutkonferenz wird demnach lediglich ein Mandat formulieren – ein schlichtes Dokument, das mehr oder minder präzise definiert, was in späteren Verhandlungen angestrebt wird. „Ich schlage vor, die Form der Funktion folgen zu lassen“, sagte der Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer. „Die legale Form ist eine Frage, die am Ende eines Prozesses beantwortet werden sollte, nicht zu Beginn. Ein Ehevertrag ist die Krönung einer Liebesaffäre, nicht ein Thema für den ersten Abend.“

Der Vergleich mit einer Liebesaffäre ist allerdings gewagt. Denn auch der alte Klimavertrag besiegelte keine glückliche Ehe. Das Kyoto-Protokoll verpflichtete nur die Industriestaaten, ihre Emissionen bis 2012 um fünf Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 zu vermindern. Für EU-Staaten gilt die durchschnittliche Zielmarke acht Prozent. Doch die meisten Staaten, die das Protokoll vor zehn Jahren in Japan unterzeichneten, haben ihren CO2-Ausstoß in der Zwischenzeit nicht vermindert, sondern im Gegenteil noch erhöht. Zu den größten Klimasündern weltweit zählt Spanien mit einem Zuwachs bei den Kohlendioxid-Emissionen von 49 Prozent. Nur die Deutschen, die Briten und die Schweden haben den Ausstoß des Klimagases deutlich reduziert.

Der Klimawandel wird in vielen Staaten politisch längst nicht so ernst genommen wie in Deutschland und von der EU-Kommission. Das zeigt auch der aktuelle Klimareport International der Konrad-Adenauer-Stiftung. Entwicklungs- und Schwellenländer sind demnach besonders stark vom Klimawandel betroffen. Doch Armut, Gewalt und Kriege überlagern dort die Sorge um die Erderwärmung. In Mittel- und Osteuropa stehen außerdem andere Ökothemen auf der Tagesordnung, die enorme Luftverschmutzung durch schwefelhaltige Abgase etwa oder die hohe Feinstaubbelastung durch den Straßenverkehr.

Die Streitpunkte sind alt, die Positionen bisher unvereinbar – die Klimakonferenz im afrikanischen Nairobi blieb deshalb 2006 ohne Ergebnis. Umstritten ist vor allem die Lastenverteilung zwischen den Industriestaaten und Entwicklungsländern. Inzwischen machte die EU einen ersten großen Schritt voran. Im Frühjahr vereinbarte sie, den Schadstoffausstoß bis 2020 um mindestens 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Gehen andere Staaten ähnliche Verpflichtungen ein, sollen es sogar 30 Prozent werden.

Schwellenländer wie China und Indien müssten nun nachziehen: Die prosperierende Volksrepublik wird voraussichtlich 2008 die USA als Nummer eins der Klimaschädiger ablösen. Aber die Chinesen wollen zunächst Aktionen der USA sehen: Washington lehnt das Kyoto-Protokoll bislang ab.

Andererseits war die weltweite Aufmerksamkeit für den Klimawandel noch nie so groß. Niemand weiß, wie lange diese Alarmstimmung – einige Delegierte sprechen von „Hysterie“ – noch anhält. Einigkeit besteht darin, dass dieses „besondere Momentum“ von Bali genutzt werden sollte, um internationale Kompromisse zu erzielen. Ein Anzeichen für die positive Ausgangslage war die erste Amtshandlung von Kevin Rudd, des neuen Regierungschefs von Australien: die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls.

Das ist Wasser auf den Mühlen von Umweltminister Gabriel. Wenn er auf Bali seine Forderungen vorträgt, kann er stolz auf nationale Errungenschaften verweisen. Gerade hat das Kabinett ein erstes Klimapaket beschlossen. Auch über seine persönliche Klimabilanz muss er sich keine Sorgen machen. Denn die nächste Klimakonferenz findet im polnischen Posen statt. Mit dem umweltfreundlichen Berlin-Warschau-Express kann Gabriel in drei Stunden da sein.

Mit freundlicher Genehmigung der Wirtschaftswoche.

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Éditeur

Handelsblatt GmbH

erscheinungsort

Düsseldorf Deutschland

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