Rapports pays
In einem von RFI (Radio Francais International) am Freitag, den 07.01., direkt übertragenem Interview gab Malu Malu als Begründung für die Verschiebung der Wahlen die nicht vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen, sowie logistische und technische Probleme an. Als Reaktion auf diese Bekanntmachung gab es zunächst verbale Proteste der politischen Parteien und des Parlaments, die nicht vorab über die geplante Verschiebung der Wahlen informiert wurden.
Während des Wochenendes steigerte sich auch der Unmut der Bevölkerung über die Verschiebung, der gezielt durch Vertreter einiger politischer Parteien und der Zivilbevölkerung angeheizt wurde. So kam es am Montagmorgen zu einem ungenehmigten und unkontrollierten Protestmarsch von den stark bevölkerten Vorstädten Kinshasas in Richtung Innenstadt, wo die Übergangsregierung ihren Sitz hat. Da die Sicherheitskräfte Plünderungen und Angriffe auf die Regierungsgebäude befürchteten, wurden alle Zufahrtsstrassen sowie die Brücken in die Innenstadt abgesperrt. Die Polizei wurde dabei durch Spezialeinheiten der Präsidentengarde sowie regulären Soldaten unterstützt. Als der Demonstrationszug die Absperrungen erreichte, kam es dann zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Demonstranten zündeten Autos an und bewarfen Polizei und Soldaten mit Steinen. Einige Gebäude wurden geplündert, unter anderem ein Büro der Regierungspartei PPRD. Nach Augenzeugenberichten schossen daraufhin Soldaten der Präsidentengarde mit scharfer Munition direkt in die Menschenmenge. Die Angaben über die Opferzahlen variieren, während die Regierung offiziell nur 4 Todesfälle bestätigt hat, gehen unabhängige Beobachter von mindestens 12 Toten aus. Es wurden ca. 100 Menschen verletzt, zum Teil schwer. Im Verlauf des Tages machten sich Vertreter verschiedener politischer Partein für eine Einhaltung des ursprünglichen Wahltermins im Juni 2005 stark.
Als Reaktion auf die Zwischenfälle von Montag ist heute in Kinshasa ein Pamphlet unbekannten Ursprungs aufgetaucht, das zu einem Generalstreik für morgen, Freitag den 14.01, aufruft. In der als „Ville Morte“ (tote Stadt) angekündigten Aktion, werden alle Bewohner aufgefordert, zu Hause zu bleiben und sich nicht auf der Strasse zu bewegen. Wer dagegen verstöße, würde als Verräter betrachtet und dementsprechend behandelt. Vor diesem Hintergrund ist auszugehen, dass das öffentliche Leben in Kinshasa morgen stillsteht.
Diese Zwischenfälle müssen, trotz ihrer augenscheinlichen Dramatik, nicht notwendigerweise ernsthafte politische Konsequenzen nach sich ziehen. Nüchtern betrachtet hatte die Unabhängige Wahlkommission gar keine andere Möglichkeit, als den Wahltermin zu verschieben. Die rechtlichen und logistischen Voraussetzungen für eine Durchführung der Wahlen in bereits sechs Monaten sind realistischerweise nicht gegeben. Die Verantwortung dafür kann man nicht alleine der Regierung unter Joseph Kabila geben, sondern der gesamten politischen Klasse, die im Parlament und Senat nicht rechtzeitig die notwendigen Gesetze verabschiedet hat. Auch die Unabhängige Wahlkommission setzt sich aus Vertretern aller großen politischen Parteien und der Zivilgesellschaft dar, so dass an sich alle maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppierungen am Wahlprozess beteiligt sind.
Die große Gefahr ist die Erzeugung einer unrealistischen Erwartungshaltung bei der Bevölkerung, die von Vertretern der politischen Opposition (UDPS) auf die zeitgenaue Abhaltung des Wahltermins eingeschworen wird. Falls eine weitere Verschiebung des Wahltermins notwendig sein sollte, ist eine weitaus drastischere Reaktion von Teilen der Bevölkerung zu befürchten.
Zunächst bleibt zu hoffen, dass sich die Situation in den nächsten Tagen nicht zuspitzt und der an sich erfolgreiche Transitionsprozess wegen einer viermonatigen Verschiebung des Wahltermins nicht als solches gefährdet wird. Immerhin wartet der Kongo schon seit über 40 Jahren auf die Abhaltung von freien und geheimen Wahlen. Da sollten vier Monate mehr oder weniger nicht den gesamten Friedensprozess in Frage stellen.