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Rapports pays

Hillary Clinton, deutliche Worte und der Kampf um Ressourcen

de Tinko Weibezahl
John Holmes, britischer Diplomat und UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, hat es vor eineinhalb Jahren in Bukavu ausgesprochen: Die Situation in der Demokratischen Republik Kongo sei anders, die Größenordnung und die Brutalität übersteigen das menschliche Vorstellungsvermögen. So stand auch der Besuch der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton in Kinshasa und Goma im Rahmen ihrer elftägigen Afrikareise ganz im Zeichen des Kampfes gegen die unvorstellbare Gewalt, besonders jene gegenüber Frauen.

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In keiner anderen Region sind die Nachwirkungen des im Jahr 2003 formal beendeten zweiten Kongokrieges stärker zu spüren als in Nord-Kivu. Gerade deswegen bestand Hillary Clinton – gegen den Rat ihrer Sicherheitsleute – auf einer Reise in den Osten der DR Kongo.

Clintons Mission

Wiederholt hatte sie in der Vergangenheit auf die massenhaften Vergewaltigungen in der DR Kongo aufmerksam gemacht, laut UN waren es über 200.000 seit dem Jahr 1996. Und in wohl keiner Region der Welt leiden Frauen mehr als in der Nord-Kivu Provinz, in der sich bis dato noch kein US-Minister sehen ließ. Die sexuelle Gewalt in dem Land, sagte Clinton, sei "eine der schlimmsten Grausamkeiten der Menschheitsgeschichte". Die Situation ist noch immer dramatisch - auch Jahre, nachdem die mit 17 000 Soldaten größte UN-Truppe MONUC einen wackligen Frieden in dem Land sichert. Seit die DR Kongo zusammen mit ruandischen Truppen Ende des Jahres 2008 eine Offensive gegen Rebellen der "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" sowie Hutu-Extremisten begonnen hat, ist die Zahl der Vergewaltigungen massiv angestiegen. 400 Fälle werden laut UN monatlich gemeldet - und das ist nur ein Bruchteil der tatsächlichen Übergriffe, denn die meisten Betroffenen schweigen. Clinton sicherte der DR Kongo umgerechnet 12 Millionen Euro zur "Vorbeugung und Reaktion auf sexuelle Gewalt" zu. Die USA werden in Absprache mit der Regierung ein Expertenteam schicken, das beim Aufbau der staatlichen Strukturen helfen soll. Besonders erschwert wird die Situation dadurch, dass die regulären Streitkräfte, die FARDC, für einen großen Teil der Übergriffe verantwortlich sein sollen – eben jene Armee, die von den UN das Mandat hat, Regierungskontrolle über das Land herzustellen. "Die Täter dürfen nicht ungestraft davon kommen", sagte Clinton bei einer Pressekonferenz in Goma. Diese Position hatte sie zuvor in einem Gespräch mit Präsident Joseph Kabila sowie Opfern und Vertriebenen sehr deutlich artikuliert – nicht eben zur Freude von Staatspräsident Joseph Kabila. Die DR Kongo, sechsmal so groß wie die Bundesrepublik, verfügt über kein funktionierendes Justizwesen. Kaum ein Täter wird je zur Verantwortung gezogen. In den oft eher wirtschaftlich als ethnisch begründeten Kämpfen zwischen der Armee, ausländischen Rebellen und im Osten des Landes verwurzelten Milizen um das rohstoffreiche Land, nutzen die rivalisierenden Gruppen Vergewaltigung als Kriegsinstrument zum Machterhalt. Sexuelle Gewalt sei – so eine Expertin von Human Rights Watch - ein Weg sicherzustellen, dass Gemeinden die Macht und Autorität der jeweiligen bewaffneten Gruppe akzeptieren. Die Systematik dieses Vorgehens sowie die Brutalität mache die Problematik in der DR Kongo einzigartig.

Ein neues Interesse

Bereits seit einigen Jahren ist ein neues Interesse der USA am afrikanischen Kontinent erkennbar. Bereits unter der Bush-Regierung mehrten sich die Anzeichen, dass Amerika den Kontinent zunehmend ernst nimmt – als potenzielle Wirtschaftsmacht und auch als potenziellen Sicherheitspartner. Freilich wurde dieses Engagement in den vergangenen Jahren vom Irakkrieg überschattet und tritt erst jetzt – nach der Wahl Barack Obamas – zunehmend in den Vordergrund. Amerika braucht und will afrikanische Rohstoffe. Und ein weiterer Faktor kommt hinzu: Nirgendwo sonst auf der Welt haben die USA noch so viel moralisches Kapital wie in Afrika. Die US-Außenministerin nutzte das auf ihrer Reise und kritisierte offen ihre Gastgeber. Und nirgendwo wurde das deutlicher als in der DR Kongo. So ungeschminkt wie kein anderer Staatsgast hat Clinton die traurige Bilanz der kongolesischen Regierung beim Namen genannt – angefangen von der allgegenwärtigen Korruption bis hin zur Ausuferung der sexuellen Gewalt und der anhaltenden Straflosigkeit für Vergewaltiger. Die Regierung sei aus schwierigsten Bedingungen „nach mehreren Jahren des Krieges hervorgegangen“, sagte sie im kongolesischen Radio. „Aber es gibt keine Ausreden mehr.“ Und um ihre eigene Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, verlangte sie nicht nur von Staatspräsident Kabila mehr Einsatz, sondern auch von den Vereinten Nationen und den USA. 17 Millionen Dollar hat Clinton für den Kampf gegen sexuelle Gewalt zugesagt, was den Aufbau einer Sondereinheit der Polizei mit einschließen soll.

Ausblick

Grundsätzlich ist das alles erst mal nur Rhetorik. Aber die Rhetorik von Menschenrechten und good governance kann ein politisches Klima schaffen, in dem Reformwillige bestärkt werden. Nicht mehr und nicht weniger hat Hillary Clinton jetzt geleistet. Barack Obama hatte wenige Wochen zuvor mit seiner ersten Afrika-Reise den Boden bereitet, wobei sein Auftritt in Ghana eher dem eines Popstars glich – was nach der afrikanischen Anteilnahme an den Wahlen in den USA auch niemandem verübelt werden kann. Clinton kam nun mit ihrer Politik der „smart power“ und klug gewählten diplomatischen Provokationen hinterher. Die Reise diente aber, wenngleich öffentlich davon nicht geredet wurde, auch dem Zweck, den wachsenden Einfluss der Konkurrenz um Ressourcen in Afrika zurückzudrängen. Wer in Kinshasa einmal durch die Straßen fährt, dem wird schnell klar, dass hier in erster Linie die Volksrepublik China gemeint ist. Überall wird die chinesische Variante der Entwicklungszusammenarbeit deutlich: Rohstoffe, Schürfrechte und Marktfreiheit gegen Straßen, Häuser und natürlich auch Bares. Die Volksrepublik China genießt aus der Sicht der afrikanischen Staaten einen strategischen Vorteil: Die Investitionen der ökonomischen Supermacht sind nicht mit Auflagen wie „gute Regierungsführung“ oder der Forderung nach Handelsliberalisierung verbunden. Die Rivalität zwischen China, den USA und europäischen Ländern im Rennen um Rohstoffe und Einflusssphären belebt das Geschäft – und lässt den afrikanischen Regierungen einen gewissen Spielraum, sich Entwicklungshilfegeber und Investoren auszusuchen. So sorgte ein chinesischer Kredit für die DR Kongo über mehrere Milliarden US-Dollar für einiges Aufsehen. Die USA sind nun entschlossen, Handel und Investitionen in Afrika kräftig auszubauen. Es geht vor allem darum, sich den Zugang zu strategischen Rohstoffen wie Erdöl oder Erzen für wichtige Industriezweige zu sichern.

Für viele Machthaber in Afrika sind die chinesischen Forderungen erheblich leichter zu erfüllen als die des Westens. Menschenrechtsverletzungen nachzugehen und demokratische Standards einzuführen sind dagegen etlichen Despoten lästige Konzessionen, sodass sie einen Deal mit China vorziehen, auch wenn in der Bevölkerung großes Misstrauen gegenüber dem chinesischen Engagement erkennbar ist. Der Fortschritt der afrikanischen Wirtschaft hänge „von guter Regierungsführung und der Achtung von Recht und Gesetz“ ab, bekräftigte dagegen Hillary Clinton vor afrikanischen Handelspartnern in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Beides seien „Grundvoraussetzungen für ein positives, vorausschauendes Investitionsklima und umfassendes Wirtschaftswachstum“.

In Afrika ist indes wohl kaum mehr rückgängig zu machen, dass das kommunistische China als größter Konkurrent der Vereinigten Staaten seinen Vormarsch fortsetzt. In vielen Ländern ist die Volksrepublik mittlerweile größter Handelspartner und Entwicklungshelfer, wenn auch mit zweifelhaftem Ansatz. Bis 2015 wollen allerdings die USA 25 Prozent ihrer Ölimporte aus Subsahara-Afrika beziehen. Man darf gespannt sein, wie die Vereinigten Staaten den Spagat zwischen moralisch erhobenem Zeigefinger einerseits und harten wirtschaftlichen Interessen andererseits bewältigen werden.

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