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Rapports pays

Kampf gegen Straflosigkeit

de Steffen Krüger, Diana Hund

Verfahren gegen Rebellenführer Bosco Ntaganda verschoben

Internationale Medien, sowie lokale Zeitungen in der DR Kongo berichteten im vergangenen Juni über die Verschiebung des Verfahrens am Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) gegen den ruandischen Rebellenführer Bosco Ntaganda. Ntaganda hatte sich im vergangenen März überraschenderweise den Behörden gestellt, nachdem er seit sieben Jahren per internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen gesucht wurde.

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Experten vermuten, dass Ntaganda sich nicht freiwillig, sondern aus Angst um sein Leben gestellt hat. Die Verwicklungen reichen bis in hohe Politikerkreise im Kongo und Ruanda. Die Opfer seiner Verbrechen sind von der Langwierigkeit des Verfahrens erheblich enttäuscht.

Nachdem Ntaganda sich im März 2013 der US-amerikanischen Botschaft gestellt hatte stellte er selbst den Antrag, nach Den Haag ausgeliefert zu werden. Das Vorverfahren, welches darüber entscheiden soll, ob es dort zur Anklage kommt, war zunächst für den 23. September 2013 vorgesehen, wurde dann jedoch mit Beschluss vom 17. Juni 2013 in auf Februar 2014 verschoben. Laut IStGH wird noch mehr Zeit zur Vorbereitung von Zeugenaussagen und Beweisen benötigt, um ihn dem Gericht vorzuführen.

Bosco Ntaganda wurde 1973 in Ruanda, der ethnischen Gruppe Tutsi angehörig, geboren. Während des dortigen Völkermords kämpfte er in den 90er Jahren für die „Armée Patriotique Rwandaise“ (APR) unter Ruandas späterem Präsidenten Paul Kagame. Er diente mehrere Jahre dieser Armee, welche 1994 den Genozid in Ruanda beendete, die Kontrolle über das Land übernahm und die gegnerischen Hutus in den Osten des damaligen Zaires und andere Länder der Region vertrieb. Im weiteren Verlauf war Bosco Ntaganda an beiden Kongokriegen beteiligt. Aufgrund seiner brutalen Vorgehensweise, wurde er bei der Truppe der „Terminator“ genannt.

Ende 2002 wurde Bosco Ntaganda bei den neugegründeten „Forces patriotiques pour la Libération du Congo“ (FPLC) Stellvertreter des Milizenchefs Thomas Lubanga. FPLC war eine bewaffnete Milizengruppe der politischen Bewegung „Union des Patriotes Congolais“ (UPC). Die Mitglieder dieser Rebellengruppe gehörten den Tutis an, welche in der kongolesischen Nordost-Provinz Ituri in den Jahren 2002 und 2003 gegen die ethnische Gruppe der Hutu kämpften und für schlimme Blutbäder sorgten. UPC und FPLC werden beide beschuldigt, Massaker an Zivilisten verübt zu haben. Zudem wurden Kinder als Soldaten missbraucht und über 100 000 Menschen in die Flucht gezwungen. Für diese Kriegsverbrechen wurde 2006 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag gegen Bosco Ntaganda erlassen. Die Veröffentlichung des Haftbefehls folgte zwei Jahre später, am 28. April 2008.

Die Verbrechen der Rebellenmiliz CNDP

Trotzdem wurde Bosco Ntaganda im Januar 2009 zum Stabschef der Rebellen „Congrès National pour la Défense du Peuple“ (CNDP) ernannt. Der CDNP war eine Rebellenmiliz in den kongolesischen Ost-Provinzen Nord- und Sud-Kivu, welche für die Interessen der ruandischen Regierung und kongolesischer Tutsi kämpfte. Historisch bedingt fühlt sich die Regierung Kigalis verpflichtet; den kongolesischen Tutsi beizustehen. CNDP bekämpfte das kongolesische Militär und vor allem die Hutu-Rebellengruppe FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda).

Am 23. März 2009 schloss die kongolesische Regierung in Kinshasa nach langen Verhandlungen Frieden mit der CNDP. Im Zuge dessen verriet Ntaganda den von der kongolesischen Regierung geächteten CNDP-Milizenführer Laurent Nkunda. Laurent Nkunda ging daraufhin nach Kigali und steht seitdem dort unter Hausarrest. Bosco Ntaganda übernahm die Leitungsfunktion von Nkunda und war nun der Ansprechpartner der CNDP für die kongolesische Regierung.

Im vereinbarten Friedensabkommen zwischen der DR Kongo und Ruanda wurde unter anderem vorgesehen, alle Soldaten der CNDP in die kongolesische Armee FARDC einzugliedern. Bosco Ntaganda wurde daraufhin von der kongolesischen Regierung zum General innerhalb der FARDC ernannt. Die Beförderung empörte vor allem die internationale Gemeinschaft, da Bosco Ntaganda zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. In dieser Zeit bereicherte sich der „Terminator“ weiterhin durch Gold- und Waffengeschäfte und baute innerhalb der kongolesischen Armee eine, ihm treue, Parallelstruktur auf. Die Integration der ehemaligen CNDP-Rebellen erwies sich jedoch als ein schwieriges Unterfangen. Die Forderungen der ehemaligen CNDP blieben von der kongolesischen Regierung unbeantwortet und viele erhoffte Leistungen blieben aus. Bosco Ntaganda wurde von zwei Seiten bedroht. Zum einem stellte sich Sulfani Makenga, als Widersacher aus den eigenen Reihen gegen Ntaganda auf und zum anderen verlangte die Internationale Gemeinschaft die Verhaftung von Bosco Ntaganda und eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Anfang 2012 begannen daher Bosco Ntaganda und seine Anhänger innerhalb der FARDC zu meutern und gründeten die Rebellenmiliz M23. Sie warfen der Regierung in Kinshasa vor, die Umsetzung des Friedens- und Integrationsabkommens zu behindern.

Aktuelle Kämpfe mit der M23

Der Name „M23“ bezieht sich auf das gescheiterte Friedensabkommen vom 23. März 2009. M23 übernahm in wenigen Tagen die Kontrolle über Teile Nord-Kivus. Vor den Augen der VN-Blauhelmtruppe MONUSCO und der kongolesischen Armee besetzte M23 im November 2012 die Millionenstadt Goma. Goma ist Sitz der Regierung der ressourcenreichen Provinz Nord-Kivu. Seit ihrer Gründung wurde die M23 inoffiziell von den Autoritäten der ruandischen Regierung und Armee unterstützt, was laut Human Rights Watch auch schon der Fall für die UPC und die CNDP war. Seit ihrer Gründung ist die M23 für eine große Zahl an Kriegsverbrechen verantwortlich. Dabei geht es vor allem um Mord, Vergewaltigung und Rekrutierung von Kindersoldaten. Zusätzlich wird die Bevölkerung durch illegale Straßensperren, Zwangsabgaben und Diebstahl von den Rebellen malträtiert.

Ab Juni 2012 überschlugen sich die Ereignisse. Aufgrund der von Experten nachgewiesenen Unterstützung Ruandas an die M23 Rebellengruppe, schränkten mehrere Länder ihre Entwicklungszusammenarbeit ein. Ruandas Präsident Paul Kagame stimmte daraufhin dem Friedensabkommen von Addis Abeba vom 24. Februar 2013 zu. Die ruandische Regierung verpflichtete sich damit auf eine Nichteinmischung im Kongo. In den Monaten Februar und März 2013 kam es zu Spaltungen innerhalb der M23. Bosco Ntaganda und der politische Chef der M23 Jean-Marie Runiga stellten sich gegen die Befürworter des Friedensabkommens von Addis Abeba – Sultani Makenga, Laurent Nkunda und Paul Kagame. In den folgenden Auseinandersetzungen war die Gruppe um Bosco Ntaganda unterlegen und floh am 16. März 2013 nach Ruanda. Die ruandische Regierung duldete dies stillschweigend.

Übergabe an den IStGH

Am 22. März 2013 stellte sich Bosco Ntaganda dem Internationalen Strafgerichtshof. Er tauchte in der US-Botschaft der ruandischen Hauptstadt auf, mit dem Wunsch nach Den Haag ausgeliefert zu werden. Er ist der erste gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher, der sich eigenständig dieser Instanz ausliefert. Zu seinen Beweggründen gibt es verschiedene Meinungen: Er hatte wohl berechtigte Angst um sein Leben. Einerseits vor der ruandischen Regierung, da die Rebellengruppe M23 sich aufspaltete und sich einige gegen ihn stellten; sein Widersacher Makenga hatte bereits den Befehl erhalten, Ntaganda zu verhaften. Zudem wurden die Waffenlieferungen an seine Truppen eingestellt. Andererseits könnte er allerdings auch zu viel unerwünschtes Wissen über die ruandische Regierung besitzen, da er lange Zeit für ruandische Rebellengruppen diente und die Angst vor Enthüllung dieser Informationen sein Tod bedeuten könnte.

Die Vereinigten Staaten, welche den IStGH bisher nicht als solchen anerkennen, lieferten Ntaganda letztendlich nach Den Haag aus. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist ein ständiges internationales Gericht, welches Vergehen gegen das Völkerstrafrecht, und zwar Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen verurteilt. Eine Problematik in seiner Funktionsweise besteht darin, dass er über keine Polizei verfügt, welche Verdächtige nach Erlass eines Haftbefehls festnehmen könnte. Daher ist der Gerichtshof auf die Mitarbeit seiner Mitgliedsstaaten angewiesen. Ruanda gehört nicht zu den Unterzeichnerstaaten des IStGH und ist somit nicht verpflichtet, international gesuchte Verbrecher auszuliefern. Warum die Regierung der DR Kongo, welche den Status des IStGH anerkennt, Bosco Ntaganda jahrelang nicht auslieferte, ist nur anhand von Spekulationen erklärbar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann man davon ausgehen, dass hochrangige Mitglieder in der Politik gut an der Freiheit von Bosco Ntaganda mitverdient haben.

Ganz anders erging es Ntagandas ehemaligen Kampfgefährten Thomas Lubanga. Als Präsident der Rebellenbewegung UPC schloss er im Jahr 2004 Frieden mit der kongolesischen Regierung. Die UPC Rebellen gaben ihre Waffen ab und Lubanga wollte Politiker in der Demokratischen Republik Kongo werden. Das Militär verhaftete ihn jedoch recht schnell und lieferte ihn an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aus. Bosco Ntaganda hingegen war stets als Kriegsrebell im „Busch“ geblieben und wurde nicht ausgeliefert – viel mehr noch – er wurde zum General der kongolesischen Armee befördert. Am 14. März 2012 wurde Lubanga als erster Kriegsverbrecher vom Internationalen Strafgerichtshof zu 14 Jahren Haft verurteilt.

Bosco Ntaganda kam jeweils mit einem blauen Auge davon, da er geschickt seine Gegner gegeneinander ausspielte und entsprechend eine Machtbasis aufbauen konnte, die ihn beinahe unangreifbar machte. Da man vor allem bei den Verhandlungen mit der CNDP hoffte, durch Integration der Rebellen in die Gesellschaft oder in die Armee, einen dauerhaften Frieden zu schaffen, konnte man Bosco Ntaganda nicht einfach verhaften. Bosco Ntagandas gute Kontakte bei Schmuggelgeschäften mit Rohstoffen und Waffen waren sicherlich auch hilfreich.

Verstrickungen zwischen Regierung und Rebellen

Obwohl die kongolesischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im November 2011 wegen offensichtlicher Unregelmäßigkeiten umfangreiche Kritik aus dem Ausland nach sich zogen, blieben damals schwerwiegendere Konsequenzen oder Sanktionen aus Die Internationale Gemeinschaft verlangte jedoch tief greifende Reformen und die Auslieferung von Kriegsverbrechern. Bosco Ntaganda, der als General der kongolesischen Armee auch immer tiefer in illegale Geschäfte verwickelt war, rückte zunehmend in den Mittelpunkt der Strafverfolger. Die angedrohte Auslieferung durch die kongolesische Regierung Anfang 2012 war einer der wesentlichen Auslöser für die M23 Meuterei. Zu viele eigene Interessen elitärer Gruppen auf verschiedenen Seiten scheinen die Konflikte und ständigen militärischen Ausbrüche in der DR Kongo zu einem unlösbaren Problem zu machen. Hinzu kommen im Falle der Verhaftung eines Verdächtigen und dessen Überführung nach Den Haag, die diplomatischen Vorschriften und der oft eingeschränkte Handlungsspielraum des Weltstrafgerichtshofs selbst.

Die Lösung der anhaltenden Konflikte in der DR Kongo liegt nämlich nicht allein in der Verhaftung Ntagandas oder Lubangas. Bis heute wurden lediglich fünf kongolesische Kriegsverbrecher dem Internationalen Strafgerichtshof vorgestellt. Die Gräueltaten, derentwegen Bosco Ntaganda angeklagt werden soll, beziehen sich auf die Kämpfe im Nordosten des Kongo in der Provinz Ituri, an denen er in den Jahren 2002 und 2003 beteiligt war. Er soll für Morde, Vergewaltigungen, sexuelle Versklavung, Rekrutierung von Kindersoldaten, Verfolgung und Ausbeutung angeklagt werden. Dies ist wohl eine Erweiterung der Anklagepunkte im Vergleich zu Lubanga, welcher „nur“ für die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten angeklagt und verurteilt wurde. Die Kriegsverbrechen, welche die heutige M23 Gruppe unter Beteiligung Ntagandas seit 2012 in Nord-Kivu Provinz verübt hat, werden allerdings nicht in die Ermittlungen einbezogen und behandelt.

Zudem richten die zuständigen Richter ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Autoritäten von Kampala, Kinshasa oder Kigali, welche, laut lokaler Experten, als Drahtzieher im Hintergrund dieser Gräueltaten agieren. In den Expertenberichten des VN-Sicherheitsrates vom November 2012 wird zum Beispiel dargestellt, dass die ruandische Regierung Waffen und Munition an Bosco Ntaganda und seine Rebellengruppe M23 lieferte.

Die wesentliche Ursache der Kämpfe und Gewaltverbrechen ist der Kampf um Zugang zu Rohstoffminen und die Kontrolle der Schmuggelwege. Die Verwicklungen ziehen sich durch alle Ebenen bis in die höchsten politischen Ämter der DR Kongo und seiner Nachbarstaaten. Die internationale Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch hat die Verstrickung von Politik und Kriegsverbrechen in verschiedenen Berichten bestätigt. Der Ankläger des IStGH konzentriert seine Ermittlungen bisher jedoch ausschließlich auf die Rebellenführer. Um das Problem von der Ursache her zu bekämpfen, müssten die Ermittlungsbehörden auch auf der politischen Ebene Untersuchungen vornehmen.

Mit der ersten Verurteilung eines Kriegsverbrechers vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, Thomas Lubanga, 10 Jahre nach in Kraft treten seines Gründungsvertrags, gibt diese Institution dennoch Hoffnung auf eine korrekte juristische Aufarbeitung. Der Internationale Strafgerichtshof hat sicher noch einige Zeit mit Kinderkrankheiten, Funktionsschwierigkeiten und gegen Zweifel zu kämpfen. Die Anklage der Kriegsverbrecher in Den Haag kann jedoch als positives Zeichen für den Kampf gegen die Straflosigkeit in der DR Kongo angesehen werden. Ob es im Falle Bosco Ntaganda zur Anklage und damit möglicherweise zu einer Verurteilung kommt wird sich im Februar 2014 herausstellen.

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Interlocuteur

Dr. Jan Cernicky

Dr. Jan Cernicky

Leiter der Abteilung Wirtschaft und Innovation

jan.cernicky@kas.de +49 30 26996 3516 +49 30 26996 3551
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26 avril 2013
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Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. | Foto: Vincent van Zeijst/wikimedia Vincent van Zeijst/wikimedia

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