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Rapports pays

Unruhen in Kinshasa nach Protesten gegen ein neues Wahlgesetz

Angst vor weiterer Eskalation

Seit Montag ist die kongolesische Hauptstadt Kinshasa von heftigen Unruhen betroffen. Betroffen sind vor allem der Campus der staatlichen Universität UNI-KIN sowie das Zentrum der Hauptstadt. Dort kommt es zu Zerstörungen von Polizeistationen, Geschäfte werden geplündert und Straßensperren sind errichtet. Das öffentliche Leben steht still, Büros und Geschäfte sind geschlossen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist höchst angespannt und viele haben Angst vor weiteren Eskalationen.

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Auslöser der Unruhen waren Proteste der politischen Opposition gegen die Verabschiedung eines Wahlgesetzes und die Diskussion zu den anstehenden Präsidentschaftswahlen. Die Parteien der Opposition wollten am Montag, den 19.01.2015 vor dem Parlaments- und Senatsgebäude demonstrieren, um so eine Abstimmung des umstrittenen Wahlgesetzes zu verhindern. Diese politischen Proteste haben sich allerdings in einigen Vierteln der Stadt schnell in gewaltsame Ausschreitungen verwandelt. Kriminelle Banden nutzen das Chaos aus, um Geschäfte und private Häuser auszurauben. Laut Angaben der Opposition wurden bereits mehr als 40 Personen ermordet und über 350 Menschen verhaftet. Die Regierung, die mit großer Härte auf den Protest reagiert, gibt weniger Opfer an. Kongolesische Sicherheitskräfte sind überall präsent. Mit Reizgas und scharfer Munition werden die Proteste auseinander getrieben. Seit Dienstag sind das Internet und der SMS Service blockiert. Einige Radiosender können nicht mehr empfangen werden.

Die Zivilgesellschaft, die Kirchen und die internationale Gemeinschaft verurteilen die Gewalt auf den Straßen und rufen beide Seiten zur Besonnenheit auf. Die bisher friedlichen Diskussionen über die anstehenden Präsidentschaftswahlen in 2016 haben eine neue Stufe erreicht und sind kein gutes Vorzeichen für die kommenden Monate in der DR Kongo.

Es gibt derzeit viele politische Debatten in der Demokratischen Republik Kongo, aber seit Monaten dominieren die anstehenden Präsidentschaftswahlen die Diskussionen in den politischen Gremien und auf der Straße. Im Dezember 2016 endet das Mandat des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila und es müssten laut Verfassung Neuwahlen für das Amt stattfinden. In der Verfassung, die 2006 verabschiedet wurde, legt Artikel 70 die Amtszeit des Präsidenten auf maximal zwei fünfjährige Mandate fest. Der 43-jährige Joseph Kabila müsste demnach die Herrschaft, die er 2001 von seinem ermordeten Vater Desiree Kabila übernommen hat, abgeben.

Ob es zu Neuwahlen kommt, der Präsident die Verfassung ändert und noch einmal antritt oder die Wahlen verschoben werden, sind nur einige der politischen Szenarien, die momentan diskutiert werden.

Die kongolesische Opposition mobilisiert seit Monaten verschiedene Kräfte, um gegen die Änderung der Verfassung und insbesondere gegen die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten zu protestieren. Diese Forderung wird von der Zivilgesellschaft, den Kirchen und der internationalen Gemeinschaft unterstützt. Derzeit sieht es so aus, dass die Verfassung dahingehend nicht geändert wird.

Seit dem Jahreswechsel befürchtet jedoch die Opposition, dass die Regierungsmehrheit durch die Änderung des Wahlgesetzes die Wahlen verschieben könnte und einige Personen von der Kandidatur ausschließen wird. Besonders umstritten ist Artikel 8 des neuen Wahlgesetzes, der eine allgemeine Volkszählung vor den Wahlen vorsieht. In einem Land, dass flächenmäßig 6 ½ mal grösser als Deutschland ist und über fast keine Infrastruktur verfügt, ist eine Volkszählung sehr langwierig und aufwändig. Experten gehen davon aus, dass ein Zensus bis zu vier Jahre dauern kann.

Die letzte Volkszählung fand 1984 statt und ist zwar längst überfällig, aber als Voraussetzung für die Präsidentschaftswahlen 2016 bewertet die Opposition das Gesetz als Taktik zur Verschiebung der Wahlen. Es gibt allerdings noch weitere strittige Punkte, wie zum Beispiel die Erhöhung der Kandidatengebühr für das Präsidentenamt von 46.000 EUR auf 92.000 EUR.

Am 5. Januar 2015 wurde der Gesetzent-wurf durch die Regierungsmehrheit ins kongolesische Parlament bei einer Sondersitzung eingebracht. Die Abgeordneten der Opposition versuchten die Diskussion im Parlament zu verhindern und riefen ihre Anhänger am 12. Januar 2015 zu Demonstrationen in Kinshasa auf. Trotz der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit in der DR Kongo, trieben die staatlichen Sicherheitskräfte die Demonstranten mit Tränengas auseinander. Viele Menschen wurden verletzt und über 100 Personen verhaftet. Unter den Verletzten befanden sich auch einige Parlamentarier. Polizei, Armee und Präsidentengarde sperren seit dem das Gelände um den Sitz des Parlaments und Senats, ab.

Für die Bevölkerung Kinshasas sind dies keine guten Zeichen. Viele Menschen erinnern sich noch an die Ausschreitungen zu den Wahlen in 2006 und 2011 sowie die großen Plünderungen in den 1990er Jahren. In diesen Tagen herrscht Anspannung und Angst innerhalb der Bevölkerung, man deckt sich mit Lebensmitteln ein und verfolgt aufmerksam die Nachrichten im Radio und TV.

Am Nationalfeiertag zum Andenken an die Ermordung des ersten kongolesischen Premierministers Patrice Lumumba am 17. Januar, wurde das Wahlgesetz durch die Abgeordneten der Regierungsmehrheit eilig verabschiedet. Einigen Gerüchten zufolge, flossen hohe Summen um zweifelnde Abgeordnete umzustimmen. Die Gegner des Gesetzes haben die Abstimmung boykottiert und riefen zu Demonstrationen auf.

Am Montag, den 19. Januar riefen die Oppositionsparteien zu einem großangelegten Marsch zum Parlament auf, um eine weitere Arbeit am Wahlgesetz zu verhindern. Die Verwaltung reagierte mit einem Demonstrationsverbot und einer hoher Präsenz von Sicherheitskräften im gesamten Stadtgebiet. Bereits in der Nacht zuvor wurden Oppositionspolitiker vom Militär daran gehindert die Parteizentralen zu verlassen. Da an dem Tag auch der Staatsbesuch des ango-lanischen Präsidenten Edouard Dos Santos anstand, befanden sich alle Einheiten in höchster Alarmstufe. Der Morgen begann noch ruhig, die Bewohner Kinshasas gingen ihren alltäglichen Geschäften nach und man konnte einige Transparente der Opposition sehen. Im Laufe des Vormittags änderte sich allerdings die Situation. Die kongolesischen Sicherheitskräfte begannen die Demonstrationen mit Tränengas und Warnschüssen aufzulösen. Weitere Verhaftungen folgten. Aufgrund des Chaos und dem allgemeinem Unmut in der Bevölkerung begannen nun in einigen Gegenden Plünderungen und Überfälle durch kriminelle Straßenbanden. Lokale Beobachter sahen aber auch, dass die allgemeine Bevölkerung und sogar Polizisten an den Plünderungen beteiligt waren. Sobald die Nachrichten von den Unruhen in Kinshasa bekannt wurden, schlossen die Schulen und Geschäfte, die meisten Menschen versuchten so schnell wie möglich in ihre Häuser zu kommen. Das öffentliche Leben in Kinshasa hörte innerhalb von kurzer Zeit auf.

In einigen Stadtteilen waren Schüsse zu hören, Autoreifen brannten. Besonders heftig waren die Auseinandersetzungen zwischen Studenten der staatlichen Universität UNIKIN und den Ordnungskräften. Mit Einbruch der Dunkelheit endeten die meisten Proteste und Übergriffe. Die Regierung deklarierte, dass zwei Polizisten und zwei Plünderer ermordet wurden. Zudem kam es zu erheblichen Sachbeschädigungen vor allem bei den Stadtbussen und den Geschäften chinesischer Händler. In einigen Vierteln wurden Polizeistationen zerstört und Waffen sowie Uniformen gestohlen.

Sprecher der Oppositionen gingen an diesem Montag von mindestens 13 Toten und vielen verletzten Zivilisten aus. Die Plünderungen richteten sich vor allem gegen politische Ziele. In den oppositionsnahen Medien wurde von Plünderungen in einer Kirche berichtet, in der ein ranghoher Polizeigeneral Mitglied ist und den chinesischen Händlern wurde ihre Nähe zur Kabila-Regierung vorgeworfen.

Die Proteste gingen am folgenden Tag weiter und dehnten sich auf 9 der 24 Kommunen in Kinshasa aus. Auch begannen Proteste in den Städten Goma und Bukavu, die sich im Osten der DR Kongo befinden. Mittlerweile geht es nicht nur um die Änderung des Wahlgesetzes, sondern um die allgemeine politische und soziale Situation im Land. Im Laufe des Tages wies der Geheimdienst die sechs Telefonanbieter an, die SMS- und Internetfunktion abzustellen. Diese Forderung wurde durch die privaten Unternehmen umgehend und ohne Widerstand umgesetzt. Im ganzen Land funktionieren daher nur noch Telefongespräche, mit der man sehr viel weniger Menschen erreichen kann und höhere Kosten hat. Auch wurden einige oppositionsnahe Radio- und Fernsehstationen geschlossen, zeitweilig konnte man auch den französischen Nachrichtensender RFI nicht empfangen.

Am 20. Januar wurde das Wahlgesetz an den Senat weitergeleitet und dort muss bis zum 26. Januar 2015 eine Entscheidung getroffen werden.

Am Samstag, den 24. Januar wird jedoch die Abstimmung erwartet, da der Ausschuss bereits gestern seine Arbeit abgeschlossen hat. Die Proteste und Unruhen gehen nach wie vor weiter. Bis dato sollen 42 Menschen ums Leben gekommen sein.

Bei den Ereignissen der vergangenen Tage konnten die Oppositionsparteien zwar ein einheitliches Auftreten hinsichtlich des Wahlgesetzes aufzeigen, sie sind allerdings noch zu schwach, um einen großangelegten friedlichen Protest zu organisieren. Seit der Wahl 2006 können sich die Oppositionsparteien nicht auf eine gemeinsame Strategie gegen das Regime von Präsident Kabila einigen. Keine der drei wichtigsten Präsidentschaftskandidaten der Opposition hätte derzeit eine Chance gegen Präsident Joseph Kabila. Der 82-jährige Präsident der oppositionellen UDPS (frz. Union pour la Démocratie et le Progrès Social) Etienne Tshisekedi wird seit Monaten in einem Krankenhaus in Brüssel behandelt. Jean-Pierre Bemba der MLC (frz. Mouvement pour la Libération du Congo) wartet im Gefängnis des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag auf sein Verfahren. Und der dritte mögliche Kandidat Vital Kamerhe der UNC (frz. Union pour la Nation Congolaise) genießt wenig Vertrauen innerhalb der Bevölkerung, da er vor Jahren für die Regierungspartei gearbeitet hat. Das stark zerklüftete Parteiensystem, die schwachen Strukturen und die wenigen Mittel, hemmen die politische Arbeit der Opposition innerhalb und außerhalb des Parlaments. Zudem sind oppositionelle Akteure teilweise willkürlichen Repressionen durch die Verwaltung und Sicherheitskräfte ausgesetzt. Die Parteien des Regierungslagers sind dagegen besser ausgestattet und sind eng an die Verwaltungen und Ministerien gebunden. Bei dem Gesetzgebungsverfahren zu dem Wahlgesetz überraschten vor allem die Eile und die Effizienz der Entscheidungsfindung. Normalerweise ziehen sich Gesetzgebungsverfahren über Monate hin.

Die Befürchtungen der Opposition, dass die Regierungsmehrheit eine Verzögerung der Wahlen und damit eine Verlängerung der Amtszeit von Präsident Joseph Kabila durchsetzen will, lässt sich nicht von der Hand weisen. In einem korrupten Staat wie die Demokratische Republik Kongo sind Regierungspositionen oft mit Seilschaften und hohen Einkommen verbunden. Aber es gibt nicht nur einen internen Druck gegen den Wechsel. Bis Ende 2016 stehen 25 Präsidentschaftswahlen in Afrika an, darunter gibt es eine Reihe von Machthabern, die sich zum Teil seit Jahrzehnten gegen Neuwahlen wehren. In der Vergangenheit gab es einige positive Prozesse in Afrika wie zum Beispiel der friedliche Regierungswechsel in Senegal (2012) oder die Verhinderung der Verfassungsänderung für eine Mandatsverlängerung des ehemaligen burkinischen Präsidenten Blaise Compaoré durch die Opposition im Oktober 2014. Die gewaltsame Unterdrückung der Opposition, Verfassungsänderungen oder Wahlbetrug sind allerdings noch immer politischer Alltag in vielen Ländern Afrikas.

Die kongolesische Zivilgesellschaft, die Kirchen, die Oppositionsparteien und die internationalen Gemeinschaft fordern ein Ende der Gewalt, einen konstruktiven Dialog und die Durchführung der Wahlen gemäß der Verfassung. Die nächsten Monate werden zeigen, wie stark der Wille nach mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit im Kongo sind.

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