Bis zum letzten Jahr hieß die Konferenz, die vor elf Jahren zum ersten Mal stattfand, „Power Reporting“. Nun wurde sie umbenannt, um eine Betonung auf Afrika zu legen und auf das, was die Konferenz ausmacht, sagte Harber.
Im Fokus der Konferenz lagen die Panama Papers – ein Datenleck mit 11.5 Millionen Dokumenten aus der Datenbank des viertgrößten Offshore Dienstleisters Mossak Fonseca. Ein anonymer Whistleblower hatte die Dokumente der „Süddeutsche Zeitung“ anvertraut. Seit dem arbeiten hunderte von Journalisten auf der ganzen Welt daran. Will Fitzgibbon vom „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) sprach auf der Konferenz über die Berichterstattung zu den Panama Papers. Er erklärte, wie wichtig es ist, dass Journalisten aus der ganzen Welt zusammen arbeiten und ein großes Investigativ-Netzwerk bilden, um grenzübergreifende Recherchen zu betreiben. Als Beispiel erwähnte Fitzgibbon, dass er seinem nigerianischen Kollegen im Netzwerk immer Bescheid sagen würde, falls er dem Namen eines hochrangingen Politikers bei seinen Recherchen begegnet, auch wenn er selbst nicht viel über nigerianische Politiker weiß. ICIJ hat zudem afrikanische Radio- und TV-Partner mit an Bord gebracht, damit die Berichterstattung anschaulicher wird.
Ein anderes wichtiges Thema auf der Konferenz war die Berichterstattung über Terrorismus. Michael Obert, ein mehrfach ausgezeichneter deutscher Journalist, Autor und Filmemacher sprach darüber, wie investigativer Journalismus afrikanischen Ländern helfen kann, mit Terrorismus umzugehen. Zunächst beleuchtet investigative Berichterstattung die Gründe für Terrorismus, welche eher Armut und Ausgrenzung als Religiöser Extremismus sind. Dann räumt sie das Missverständnis aus dem Weg, dass Terroristen einzig mit militärischen Mitteln besiegt werden könnten. Zuletzt können Journalisten Informationen darüber geben, wie die Organisationen funktionieren, sodass die Regierungen bessere Entscheidungen treffen können. Als Fallbeispiel sprach Obert über seine Recherchen zu Boko Haram. In Nigeria gelang es ihm, als erstem westlichem Journalisten, ein Mitglied der Terrorgruppe zu treffen. In einem Panel mit seinen Kollegen aus Nigeria und Kenia sprach Obert auch über die Berichterstattung über Terrorismus in Afrika. Er betonte: „Die Pflicht von uns als westlichen Journalisten ist es, die Verantwortung unserer Länder anzusprechen und zu reflektieren.“
Die „Carlo Cardoso Memorial Lecture“ ist jedes Jahr ein weiterer wichtiger Programmpunkt bei der AIJC. Cardoso war ein Investigativjournalist aus Mosambik und wurde im Jahr 2000 ermordet. Die „Memorial Lecture“ soll an alle Journalisten, die im Gefängnis sitzen oder für die Pressefreiheit gestorben sind, gedenken. In diesem Jahr wurde sie von Rob Rugurika vorgetragen, ein Investigativjournalist und Gründer von Radio Publique Africaine aus Burundi. Er wurde im Jahr 2015 verhaftet, weil er Menschenrechtsverletzungen der Regierung veröffentlicht hatte. Einen Monat nachdem er freigelassen worden war, war er gezwungen ins Exil nach Rwanda zu gehen. Beinahe wäre es ihm nicht möglich gewesen nach Südafrika zu kommen, weil Burundi seine Auslieferung verlangt hat. Während er über seine aktuelle Situation sprach, sagte Rugurika: „Journalismus ist kein normaler Beruf, es ist eine Berufung.“ Er beendete seine bewegende Rede mit den Worten: „Wenn wir aufgeben, wird diese Welt zerfallen.“
Obwohl investigativer Journalismus in Afrika unverkennbar unter Druck steht, wurden während der Konferenz auch einige interessante neue Modelle vorgestellt. John-Allan Namu, der Mitbegründer und CEO von Africa Uncensored, ein investigatives unabhängiges Medienhaus aus Kenia, hat das Hauptproblem von investigativem Journalismus herausgestellt: „Er ist wichtig und interessant für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, aber trotzdem ist er noch nicht verkaufsfähig.“ Er erklärte, dass Africa Uncensored’s Businessmodell die Distribution von Inhalt ist, der öffentliches Interesse widerspiegelt und daher verkaufsfähig ist. Africa Uncensored veröffentlicht jede Woche Investigativ-Geschichten in Form von Videos auf Social Media Plattformen. Die Projekte wurden bereits an Mainstream-Medienhäuser verkauft, aber auch an Organisationen, wie zum Beispiel Amnesty International. Hamadou Tidiane, der Gründer von Ouestaf News, eine subregionale Informationsplattform in Westafrika, hatte nie ein richtiges Businessmodell; er hat Ouestaf News aus „reiner Leidenschaft“ gegründet. Tidiane legt einen Schwerpunkt auf den Austausch von Informationen in der Westafrikanischen Subregion. Alvin Ntibinyane ist der Mitbegründer vom „INK Center for Investigative Journalism“, Botswanas erste gemeinnützige Nachrichtenorganisation. INK entwickelt investigativen Journalismus im Interesse der Allgemeinheit genauso wie „amaBhungane Centre for Investigative Journalism“ aus Südafrika, das sich durch Spenden finanziert. Die Geschichten werden an Zeitungen verkauft: AmaBhungane hat im Jahr 2010 herausgefunden, dass Südafrikas Präsident Zuma etwas zu eng mit den Guptas verbunden ist, einer indischen Familie mit vielfältigen Geschäftsinteressen in Südafrika. Seit dem wurden 65 Geschichten über die Guptas veröffentlicht.
Alle Gründer der Plattformen für Investigativjournalismus waren sich einig, dass Investigativ-Geschichten auf Social Media Plattformen beworben werden müssen, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu bekommen. Auch wenn Investigativjournalimus teuer ist, weil er viel Zeit in Anspruch nimmt, ist er das einzige Instrument, um Geschichten im Interesse der Allgemeinheit zu entdecken.
Der andere große Fokus der AIJC war Datenjournalismus: Schmutzige Daten bereinigen, Infografiken oder Karten erstellen – das alles konnte man bei den praktischen Workshops lernen. In der Eröffnungsveranstaltung erklärte Ron Nixon warum Datenjournalismus so wichtig ist: „Der Reporter hat die Kontrolle und nicht die Quelle.“ Und: „Es hilft der Karriere, denn nicht jeder kann mit Daten umgehen.“ Seiner Aufforderung folgend, haben viele Teilnehmer die drei Tage genutzt, um ihre Fähigkeiten im Datenjournalismus zu verbessern.
Während der drei Tage konnten sich die Teilnehmer entscheiden, ob sie lieber afrikanische und internationale Investigativ-Geschichten hören wollten, ob sie lernen wollten Daten in Geschichten zu verwandeln oder ob sie Tipps für ihre eigenen Investigativ-Geschichten bekommen wollten. „Die große Mehrheit von Fallbeispielen, die bei der AIJC präsentiert wurden, waren von afrikanischen Journalisten. Dies zeigt uns, dass Journalisten in Afrika beim Aufdecken von Verbrechen und Missständen eine immer wichtigere Rolle spielen“, sagt Christian Echle, Leiter des KAS Medienprogramms Subsahara-Afrika.
Im nächsten Jahr findet die „Global Investigative Journalism Conference“ in Johannesburg in Verbindung mit der jährlichen Afrika-Konferenz statt. Die weltweit größte Versammlung von Investigativjournalisten wird zum ersten Mal in Afrika stattfinden. „Die diesjährige AIJC war ein hervorragender Probelauf für die globale Konferenz im nächsten Jahr“, sagte Echle.