Comptes-rendus d'événement
In der frostigen Winterwoche vom 4. – 6. Juli 2012 fanden sich Fachleute aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf dem Campus der University of Witwatersrand (WITS) in Johannesburg/Südafrika ein, um folgenden Leitfragen nachzugehen: Welche Auswirkungen hat der technologische und soziale Wandel auf das traditionelle Medium? Gibt es erfolgreiche Geschäftsstrategien, um sich als Sender dauerhaft in einer multimedialen Umwelt behaupten zu können? Und: Was für einen Beitrag spielen sog. „Community Radios“ für die lokale Entwicklung in ländlichen Gebieten Afrikas?
Die Joburg Radio Days sind die wichtigste internationale Radio-Fachkonferenz der Region und werden – mit kontinuierlicher Unterstützung von KAS Media Afrika – in bewährter Weise von der WITS Radio Academy ausgerichtet. Der vorliegende Bericht konzentriert sich im Kontext der Oberziele von KAS Media Afrika auf die folgenden Schlüsselthemen: Die Auswirkungen der Digitalisierung und mobiler Kommunikation auf den Radiojournalismus in der Einsatzregion, Community Radios als Akteure lokaler Entwicklung sowie die eingeschränkte Medienvielfalt und Lizenzvergabe in Simbabwe.
Die Eröffnungssitzung mit dem Titel „Zum aktuellen Stand und den zukünftigen Herausforderungen eines alten Mediums“ bildete den roten Faden der Konferenz und spiegelte die durchaus widerstreitenden Meinungen zum Thema wider. Nach der Einschätzung des britischen Radioexperten James Cridland sterbe das Radio keineswegs aus. Lediglich die Art und Weise der Benutzung verändere sich: „Die Formen des Sendens, Produzierens und Konsumieren vervielfältigen sich. Radio ist heutzutage auf multiplen Plattformen zuhause.“ Außerdem müsse die Digitalisierung als Chance wahrgenommen werden, eine echte Interaktion mit dem Hörer aufzubauen. Anthony Duke, Mitbegründer des ersten unabhängigen südafrikanischen Radiosenders Capital Radio, war hingegen anderer Meinung. Seiner Ansicht nach verlagere sich die Hörerschaft kaum ins Netz, da die Mehrzahl der Zuhörer im südlichen Afrika gar keinen Internetzugang hätte. Nicht die Digitalisierung sei zum Überleben eines Senders wichtig, sondern dessen Inhalt und Qualität.
Im Verlauf der Konferenz-Tage wurde die überwältigende Bedeutung des Internets für das Radio der Zukunft mehrfach betont. Die Vielfalt der Radiolandschaft nehme rasant zu. Radio und Internet, so der allgemeine Tenor, würden auf Dauer verschmelzen und vor allem von mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets genutzt werden. Außerdem werde die Interaktion mit der Hörerschaft über Social Media Dienste wie Facebook und Twitter immer wichtiger.
Diese Meinung vertrat auch Mandla Soko, General Director of Radio der staatlichen Rundfunkanstalt SABC. Die Zuhörer waren jedoch skeptisch, als er eine staatliche Regulierung vorschlug, um die zunehmende Digitalisierung des Rundfunks sinnvoll zu gestalten. Die Regierung, so Soko, müsse verbindliche Regeln und Lizenzen auch im World Wide Web aufstellen. Eine Antwort auf die Frage, wie eine solche Regulierung konkret aussehen könne, blieb er jedoch schuldig.
„Community Radio gibt den Stimmlosen keine Stimme“, deklamierte der Aktivist Gabriel Urgoiti, „es verleiht vielmehr den Rufen der Benachteiligten endlich Gehör.“ Der aus Argentinien angereiste Referent nahm den Konferenzsaal umgehend für sich ein, als er über sein Engagement für Community Radios in ihrer Funktion als lokale & nichtkommerzielle Bürgermedien in Südamerika und Südafrika sprach. Für ihn bilden Community Radios einen zentralen Bestandteil einer pluralistischen Medienlandschaft.
Gerade in ländlichen Gebieten Afrikas spielen sie darüber hinaus eine wichtige Rolle für die Entwicklung und Verbesserung von Gemeinden – Menschen, die sich in den Radiosender einbringen und gleichsam lernen, ihre Bedürfnisse und Probleme zu artikulieren. Außerdem eignen sie sich wichtige Fähigkeiten an, die ihnen später einen Berufseinstieg ermöglichen. Urgoiti forderte jedoch, dass Community Radios im Besitz und in der Kontrolle lokaler Gemeinden bleiben müssen, damit sie ihren nichtkommerziellen Funktionen gerecht werden können.
Truth Radio, das im Hochsicherheitsgefängnis Pollsmoor bei Kapstadt von Häftlingen organisiert wird, zählte zu den aufsehenserregenden Beispielen von Community Radios, die auf den Radio Days vorgestellt wurden. Das Radio verbessere die Stimmung im Gefängnis und helfe bei der Resozialisierung von Häftlingen, so Marius Boaden, Direktor von Truth Radio. Von einem gegenläufigen Beispiel berichtete die kenianische Radioexpertin Esther Macharia. In ihrem Heimatland seien Community Radios aktiv an rassistischer Hetze und Verleumdung beteiligt gewesen: „In Kenia hat fast jede ethnische Minderheit einen eigenen Radiosender. Lokalpolitiker instrumentalisieren die Sender teilweise für eigene Zwecke und rufen offen zur Gewalt auf.“ Als eine Lösung für die ambivalente Rolle von Community Radios wurde ein nationaler Dachverband vorgeschlagen, der den Sendern einerseits eine einheitliche Stimme gegenüber der Regierung verleihen würde und andererseits früh vor xenophobischer Propaganda warnen könne.
Wie auf den vergangenen Radio Days 2011 war auch bei der diesjährigen Ausgabe das südafrikanische Nachbarland Simbabwe ein brisantes Thema. Im vergangenen Jahr hatte die simbabwische Regierung die Vergabe von kommerziellen Radiolizenzen angekündigt. Viele Bewerber gingen jedoch leer aus, da nur eine einzige Lizenz an den regierungsnahen Direktor von AB Communications, Supa Mandiwanzira, verteilt wurde. Auf den Radio Days 2012 kam es zu einer lebendigen Diskussion, als Herr Mandiwanzira nun auf zwei seiner Lizenz-Kontrahenten, John Masuku und Gift Mambipiri, stieß – die sich vergeblich um eine Sendeerlaubnis bemühten. Masuku und Mambipiri äußerten harsche Kritik an der Vergabepraxis der Regierung: „Supa Mandiwanzira ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Macht in den Händen von Regimetreuen bleibt. Die Sendereform in Simbabwe ist eine Scheinreform“, erklärte Mambipiri. Der kritisierte Mandiwanzira bekräftigte im Gegenzug, dass seine Konkurrenten schlicht die schlechtere Bewerbung verfasst hätten. Darüberhinaus seien seine politischen Ansichten und Aktivitäten reine Privatsache. Grundlegend bewerteten die Konferenzteilnehmer es als positiv, dass überhaupt eine kommerzielle Radiolizenz in Simbabwe vergeben wurde. Dies sei aber erst ein kleiner Schritt in Richtung einer pluralistischen und unabhängigen Medienlandschaft. Es ist zu erwarten, dass die eingeschränkte Meinungsfreiheit in Simbabwe auch noch in den kommenden Jahren ein zentrales Thema der Konferenz bleiben wird.
Markus Brauckmann, Direktor von KAS Media Afrika: „Die Radio Days haben eindrucksvoll unterstrichen, dass sie eine Versammlung erstklassiger Fachleute und inhaltsreicher Diskussionen sind. Das traditionelle Medium Radio bleibt auf der Agenda unserer Stiftung und wir werden die Veranstaltung weiter nach Kräften unterstützen.“