Comptes-rendus d'événement
Rund 1700 Mitglieder zählt der Landesverband der jüdischen Gemeinden in M-V derzeit. Gemeinden gibt es in Rostock und Schwerin, eine kleine Dependance in Wismar. Was sich nach wenig anhört, ist tatsächlich überraschend viel, wie Ulrich Hojczyk, Referatsleiter für Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bildungsministerium, sagte: „Nach der Wende gab es faktisch kein jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern.“ Erst die Ansiedlung jüdischer Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion habe die Neugründung von Gemeinden ermöglicht, sagte Hojczyk, der den Prozess von Anfang begleitet hat.
Mit intensiver Förderung des Landes, aber vor allem mit großer Eigeninitiative hätten die neuen Gemeinden entstehen können, sagte Hojczyk. Dass mit Dr. William Wolff bereits 2002 wieder ein eigener Landesrabbiner für Mecklenburg-Vorpommern zuständig gewesen sei, sei für jüdische Verhältnisse nicht selbstverständlich – und ein großer Glücksfall für Mecklenburg-Vorpommern. „Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass sich das jüdische Gemeindeleben wieder in M-V entfalten kann“, sagte Hojczyk zu Dr. Wolff. Zuvor hatte es 68 Jahre lang keinen Rabbiner in Mecklenburg-Vorpommern gegeben.
Jüdische Eigeninitiative und Förderung durchs Land
Wolff betonte seinerseits die Wertschätzung der jüdischen Gemeinden für die Förderung durch das Land. Der Rabbiner hatte zuvor berichtet, wie mutige Juden aus Mecklenburg in der DDR noch einen Neuanfang ihrer Gemeindestrukturen gewagt hatten, die Anzahl jüdischer Landsleute dann aber in den 70er-Jahren nicht mehr ausreichte, um Gemeindeleben zu praktizieren. Bis 1992 habe es dann im ganzen Land kein jüdisches Leben mehr gegeben. Vor der Nazi-Herrschaft und besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es hingegen ein reges jüdisches Leben mit zahlreichen Gemeinden im gesamten Gebiet des heutigen Bundeslandes.
Der Rabbiner berichtete eindrucksvoll über seine eigenen Erlebnisse in der ehemaligen Sowjetunion, die er mehrfach bereiste. Auch dort sei jüdisches Leben unterdrückt worden – habe sich aber über den gesamten Bestehenszeitraums der Sowjetunion halten können. Mit zahlreichen heiteren Geschichten und Berichten lieferte Dr. Wolff zudem einen Einblick in die jüdische Lebensweise und die Theologie des Judentums.
Heutiges Miteinander funktioniert
Der zutiefst humorvolle Vortrag des Rabbiners wirkte ansteckend auf Redner und Zuhörer. Ulrich Hojczyk sagte: „Dass wir heute gemeinsam mit Ihnen lachen können, zeigt, wie gut sich das Miteinander entwickelt hat.“ Professor Daniel Stein Kokin, der in Greifswald seit vergangenem Jahr den Lehrstuhl für jüdische Literatur und Kultur innehat, unterstrich dieses Fazit: „Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich in der jetzigen Zeit lebe und leben kann – und nicht in der Vergangenheit.“ Der Wissenschaftler unterstrich dies ausgerechnet mit einem Zitat Ernst Moritz Arndts: „Jede Kultur hat ihre Finsternisse.“
Am Ort der Veranstaltung, in Vorpommern, gibt allerdings bis heute kein jüdisches Gemeindeleben. Mit der international bekannten Dalmann-Sammlung und dem Lehrstuhl Professor Stein Kokins gibt es aber ausgerechnet dort eine rege Forschung zu jüdischen Themen. „Für mich ist das eine ganz besondere Situation“, fasste Prof. Stein Kokin zusammen, der erst Mitte Mai seine Antrittsvorlesung hielt.
Gabriel Kords