Comptes-rendus d'événement
Veranstaltungsauftakt war die filmische Dokumentation ‚Dank ihm leben wir’ des polnischen Regisseurs A. Mark Drążewski. Die Darstellung führte schonungslos die unermesslichen Zerstörungen in Polen durch den Nationalsozialismus im 2. Weltkrieg vor Augen. Die Frage, ob angesichts dieser Katastrophe eine Versöhnung zwischen Polen und Deutschen überhaupt möglich werden kann, drängte sich geradezu auf.
Der polnische Historiker
Prof. Dr. Krol
knüpfte an diese Fragestellung an und ging auf Entwicklungen der deutsch-polnischen Beziehungen nach dem 2. Weltkrieg ein. Das polnische Bild von den Deutschen nach 1945 sei durch und durch negativ besetzt gewesen. Vorherrschend sei die Meinung vertreten worden, alle Deutschen seien im Sinne einer Kollektivschuld für die begangenen Verbrechen verantwortlich.
Die politische Propaganda der seit 1945 regierenden Kommunisten habe sehr schnell verschiedene Stereotype einer antideutschen Haltung bedient. Unterstellt worden sei bspw. ein überzeitlicher Charakter einer deutschen Bedrohung. Das Bündnis mit der UdSSR sei u.a. damit begründet worden, eine dauerhafte Sicherung gegenüber einer deutschen Aggression zu erreichen.
Nach der Teilung Deutschlands habe sich auch das Bild von den Deutschen geteilt. Die DDR als politisch Verbündeter habe den Status eines Freundes erlangt; in der Praxis habe dies aber wenig bedeutet. Nur wenige Kontaktmöglichkeiten habe es gegeben, nach 1980 sei die Grenze aufgrund eines Erstarkens der Solidarnosc-Bewegung erneut geschlossen worden. Die Bundesrepublik hingegen sei zu einem Feindstaat erklärt worden; alle negativen Erfahrungen im deutsch-polnischen Verhältnis seit dem Mittelalter seien auf die Bundesrepublik angewendet worden. Verschiedene Versuche zur Versöhnung - etwa von den Kirchen - habe es zwar gegeben, wurden aber zunächst abgelehnt und konnten nur ganz allmählich Fuß fassen.
Die Neuauflage der Erinnerungen des polnisch-jüdischen Pianisten Wladyslaw Szpilman (sie erschienen erstmals bereits 1946) habe deutlich zu einem Einstellungswandel beitragen können. Szpilman schildert seine Begegnung mit dem deutschen Offizier Wilm Hosenfeld 1944 in Warschau und wie er von ihm gerettet wurde. Dieses Buch wurde später von Roman Polanski entdeckt und zur Vorlage des Filmes „Der Pianist“ ausgewählt.
Wer Wilm Hosenfeld war, was ihn prägte und ihm wichtig war, beschrieb sein Sohn
Dr. Detlev Hosenfeld. Hosenfeld war Pädagoge, er unterrichtete als Dorf- und Berufsschullehrer in Hessen. Seit 1940 war er als Besatzungsoffizier in Warschau u.a. für Sportlehrgänge zuständig. Unter dem Eindruck der deutschen Kriegsverbrechen habe er begonnen, nichtjüdische und jüdische Polen vor dem Terror zu schützen. Nach dem Krieg geriet Hosenfeld in sowjetische Gefangenschaft und wurde zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Alle Versuche zu einer Freilassung scheiterten. W. Hosenfeld verstarb 1952 in Gefangenschaft.
Während seines Aufenthalts in Warschau hatte Wilm Hosenfeld Tagebücher und zahlreiche Briefe an seine Frau geschrieben. 2004 wurden diese Dokumente unter dem Titel „Ich bemühe mich, jeden zu retten. Das Leben eines deutschen Offiziers in Briefen und Tagebüchern” in Deutschland vollständig publiziert.
Der Theologe und Übersetzer der Tagebücher Hosenfelds
Winfried Liebscher
setzte sich mit dem Selbstverständnis des deutschen Offiziers auseinander. Hosenfeld sei tief gläubig gewesen, sein ausgeprägtes christlich-ethisches Selbstverständnis habe ihn unabhängig gemacht und ihm einen klaren unumstößlichen ethischen Orientierungsrahmen gegeben. Gestärkt, ermutigt und geleitet von einem festen biblischen Gottesbezug habe er viele Menschen retten können. Hosenfeld sei kein Widerständler im klassischen Sinne wie z. B. Bonhoeffer gewesen, auch habe er keine Kontakte zu Widerstandsgruppen gehabt. Die unmittelbare Hilfe der Menschen, die ihn umgaben und ihm begegneten, sei ihm innere Verpflichtung gewesen und habe im Vordergrund gestanden.
2008 wurde die Tagebücher Hosenfelds ins Polnische übersetzt. Bereits ein Jahr zuvor wurde Hosenfeld posthum für seine Verdienste vom polnischen Präsidenten Lech Kaczyński mit dem Orden Polonia Restituta geehrt. Beide Ereignisse - Ehrung und Übersetzung - galten als wahre Sensation.
Mehr und mehr wurde im Laufe der Veranstaltung deutlich: Hosenfeld und Szpilman sind zwei herausragende Menschen. Sie sind Helden und Vorbilder in unserer Zeit, denn sie orientierten sich an einer tiefen Menschlichkeit und ließen sich von ihr in den Dienst nehmen.